Wer ständig erreichbar ist, ist nicht automatisch glücklich. Im Gegenteil: Die Bewältigung von E-Mails und SMS führt zu Stress und kann sogar abhängig machen. Die Kommunikationsexpertin Miriam Meckel hat mit “Das Glück der Unerreichbarkeit“ ein unterhaltsames Plädoyer für das Abschalten geschrieben.

Schnell noch die Mittagsverabredung per SMS bestätigen, dann die 200 E-Mails lesen, die während der Urlaubswoche aufgelaufen sind, und - ach Schreck - nur nicht die Telefonkonferenz verpassen! Abends ist man dann ganz verwundert, wenn man die gute Freundin am Telefon kurz angebunden abwürgt. Akku leer, kein Gesprächsbedarf mehr... Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, hat es auch Sie erwischt. Sie sind ein Simultant geworden, zum Sklaven der ständigen Erreichbarkeit. Auch Miriam Meckel (40) führte ein Leben im Stand-by-Modus, beherrscht von E-Mails, SMS und elektronischen Memos - "immer online, ständig erreichbar und doch nie richtig anwesend". Bis sie sich - verfolgt von Anrufen und Memos - schreiend in einem Lampenladen wiederfand, weil es dort eine bestimmte Halogenlampe nicht gab. "Etwas war mit mir während der vergangenen Jahre geschehen. Ich war zu jener Spezies Mensch mutiert, die angeblich alles gleichzeitig kann. Ich war geworden, was ich nie sein wollte: ein Simultant." Mit dem Ergebnis, dass sie kaum mehr Zeit für sich, geschweige denn für ihre Mitmenschen hatte. "Warum lassen wir uns tyrannisieren von den Möglichkeiten der technischen Kommunikation, die - richtig verwendet - doch eine Hilfe sein können? Warum tyrannisieren wir uns selbst?" fragt (sich) die Autorin in ihrem Buch "Das Glück der Unerreichbarkeit". Nicht die Technik an sich macht uns abhängig, sondern die Aufmerksamkeit, die uns dadurch zuteil wird: "Jede SMS, jedes Telefonat und jede E-Mail, die jemand bekommt, ist für ihn ein Signal: Da gibt es jemanden, der an mich denkt, mit mir in Kontakt treten will - und meine Aufmerksamkeit haben möchte. Aufmerksamkeit ist die neue Währung unserer Zeit", sagt Miriam Meckel. Ein extremes Beispiel ist die sogenannte Liebes-SMS: "Die Kürze der Nachrichten (ich will immer noch mehr wissen) und die Schnelligkeit ihrer Übermittlung beflügeln sich wechselseitig und erzeugen einen Kommunikationssog. Die einzelne SMS stillt also nicht das Kommunikationsbedürfnis, sondern erzeugt das Bedürfnis nach immer mehr." Die Kurzmitteilung hält den Kontakt zwischen Partnern, die räumlich voneinander getrennt sind, gerade nicht online sind oder sich in einer Situation befinden, in der andere von den heimlichen Botschaften möglichst nichts mitbekommen sollen - die virtuelle Vorbereitung zum Seitensprung.

"Akku leer", eine beliebte Ausrede bei Managern

Eine pausenlose technische Vernetzung kann jedoch auch schnell zur Überforderung führen. Eine Befragung von 417 Führungskräften in Deutschland ergab, dass Manager mithilfe mobiler Kommunikationstechnologien regelmäßig lügen, um dem hohen Kommunikationsdruck der ständigen Erreichbarkeit zu entfliehen. "Kein Handy-Empfang", "Klingeln nicht gehört", "Probleme mit dem E-Mail-Server", "Akku leer" oder "habe im Flugzeug gesessen" - die gängigen Ausreden für einen Kommunikationsabbruch stimmen fast nie. Für Meckel sind sie ein Zeichen dafür, dass wir uns anscheinend nicht trauen, einfach abzuschalten und einmal nicht erreichbar zu sein. Dabei zeichnet sich der Mensch nicht dadurch aus, dass er mailt, funkt und simst, sondern dadurch, dass ein anderer zur Kenntnis nimmt, was ich ihm mitteilen möchte und anders herum auch. Das Glück der Unerreichbarkeit liegt für Meckel darin, gelegentlich aus dem Datenstrom auszuscheren, um Informationen zu verarbeiten und Anschlusskommunikation herzustellen. Denn: "Nur dann sind wir mehr als technisch angeschlossen: Wir sind sozial verbunden."

\* Infos: Miriam Meckel: Das Glück der Unerreichbarkeit. Wege aus der Kommunikationsfalle. Murmann-Verlag, 272 Seiten, 18 Euro