Johanna Rüdiger, 40.

    Es ist mehr als 15 Jahre her, und doch erinnere ich mich an jede Sekunde: Ich sitze auf dem Beifahrersitz, will aussteigen. Da spüre ich die Hand meines Kollegen auf meiner Schulter. Sie rutscht tiefer, knetet meine Brust. „Jetzt komme ich mit in deine Wohnung und dann mache ich noch viel mehr mit dir“, sagt er und grinst. Ich bin wie versteinert, dann rüttle ich am Griff der Autotür. „Äh, ich muss weg. Meine Mitbewohner warten“, sage ich. Die Tür springt auf, ich renne davon.

    Damals war ich Anfang 20 und für einen Sommerjob in die USA geflogen. Meine erste richtige Stelle als Journalistin bei einem Fernsehender in Washington, D.C. – eigentlich ein Traum. Den Kollegen – einen Kameramann – kannte ich seit ein paar Tagen, er wollte mich nur nach der Arbeit zu Hause absetzen.

    Weitermachen, dachte ich. Nur er sah das anders. Weigerte sich, mit mir zusammenzuarbeiten. Er sprach nach diesem Tag kein Wort mehr mit mir, machte mir den Redaktionsalltag so schwer wie möglich. Und ich? Fühlte mich schuldig, schämte mich. Wäre ich bloß nicht in das Auto gestiegen. Ja, irgendetwas musste ich falsch gemacht haben, da war ich sicher. Dem Chef (männlich!) es melden? Undenkbar! Das war der erste, aber keinesfalls der letzte #MeToo-Moment meiner Karriere.

    Bis zu dieser Debatte galt für Frauen: Stell dich nicht so an, so was muss ­jede Frau mal aushalten. Jetzt aber ist klar: Sexistische Bemerkungen und ungewolltes Anfassen müssen nicht ausgehalten werden. Man darf sich wehren – und dem Chef Bescheid sagen.