Jörg Quoos, 55.

    Hat die #MeToo-Debatte etwas im Alltag geändert? Ich würde sagen – ja. Die Unbefangenheit ist weg. Das harmlose Armumlegen beim Gruppenfoto. Das Kompliment für das schöne neue Sommerkleid. Was früher ganz normal war, ist für viele Frauen heute vielleicht immer noch okay. Vielleicht aber auch nicht. Und genau dieses Restrisiko für Missverständnisse ist nach #MeToo einfach zu groß. Ganz besonders für Führungskräfte, die im Team Vorbild sein wollen. Also im Zweifel besser überkorrekt nach einem Jahr Debatte.

    #MeToo ist ein Thema für Männer. Sie sind diejenigen, die meist Grenzen überschreiten und zu Recht Empörung auslösen. Trotzdem halten die Männer, die ich kenne, Typen wie den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein schlicht für ein Schwein. Echte Männer gehen respektvoll mit Frauen um, egal wie stark vielleicht das Begehren ist. Man kann aber durchaus ungerecht finden, wenn bei #MeToo mit zweierlei Maß gemessen wird. Auch viele Männer können sagen: Me too! Zotige Sprüche, die Hand am Hintern. Das ist kein exklusives Erlebnis für Frauen. Männer gehen mit solchen Übergriffen durch Frauen nur anders um. Einer kontert mit einem lockeren Spruch. Der Nächste nimmt das körperliche Angebot vielleicht an. Mancher verlässt fluchtartig den Raum. Aber alle eint: Keiner spricht drüber. Das fehlt der #MeToo-Debatte.