Christian Unger, 37.

    Hat sich die Gesellschaft in diesen vergangenen zwölf Monaten zum Besseren gewandelt? Ich denke: nein. Auch Deutschland erlebt weiterhin Sexismus, täglich, vielfach. Daran ändert auch ein Hashtag nichts. Blöde Witze, Beleidigungen, Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt gibt es weiterhin. In Beziehungen, in Familien, am Arbeitsplatz, in der Diskothek. Auf Facebook, auf Twitter, in den Kommentarspalten der Online-Medien. Klar, ein bisschen öfter ist nun Aufschrei. Aber oft denke ich, dass wir eher zurückschreiten als voran. Zum Beispiel, wenn ich lese, wie junge Jesidinnen im Irak versklavt werden. Nicht immer geht es um Gewalt, manchmal auch um meine Umwelt: weniger Frauen im Bundestag, kaum Frauen an Konzernspitzen. Und immer mehr pinke Prinzessinnen in den Spielwarenabteilungen.

    Die #MeToo-Debatte – war alles umsonst? Auch nein. Freundinnen, Kolleginnen, Bekannte erzählten mir, wie wichtig sie diese Debatte finden. Wie wichtig den Hashtag. Weil viele Frauen erzählen können, was ihnen an Übergriffen widerfahren ist. Weil so Gespräche entstehen – in der Mittagspause, in den Konferenzen, auf der Party. Weil #MeToo zum Zuhören zwingt. Auch mich. Deshalb finde ich die Debatte wichtig. Denn das Zuhören schärft das Schwert im Einsatz gegen Sexismus und für Geschlechtergleichheit. Und das geht alle an. Auch – und gerade – Männer.