Anne Baumgarten, 29.

    Mein erster Chef schenkte mir ein Buch: „Fremdgehen für Anfänger“. Ich war gerade 19 Jahre alt, seit einem Jahr in einer Beziehung und schüchtern. Er sagte, das Buch hätte ihm seine Frau gegeben – und zwinkerte mir zu. Ist das schon sexuelle Belästigung? Wahrscheinlich. Brauchte ich erst eine große Gesellschaftsdebatte, um ihm mitzuteilen, dass es total unangebracht war? Nein. Dazu brauchte es „nur“ etwas Mut. Diesen hatte ich allerdings erst zwei Jahre später, als ich ein Einzelbüro mit ihm bezog.

    Was genau habe ich aus dieser Situation gelernt? Es fehlt an der richtigen Kommunikation. Die anfängliche #MeToo-Debatte war hilfreich und gibt auch heute noch Frauen den Rückhalt, sich endlich zu äußern – allerdings meist an einem falschen Ort, den sozialen Medien. Sollte nicht jede sofort etwas sagen, wenn sie sich unwohl fühlt? Und nicht erst Wochen, Monate, Jahre später? Online? Damit möglichst viele mitbekommen, was nur zwei betrifft? Gebt dem Gegenüber sofort ein Feedback, die Chance, die Situation aus einer anderen Sicht zu betrachten und sich zu entschuldigen. Dafür benötigt man keine Bestätigung und Applaus von anderen Frauen, sondern das fordert innere Stärke und Mut.