In der Talksendung „Beckmann trifft“ spricht der Schauspieler über seine Krankheit und seine Liebe zu seiner Frau. Und er sagt, warum er Olaf Scholz nicht mehr wählen würde

    Als Jan Fedder mit dem Rollstuhl in das Studio geschoben wird, checkt er als Erstes den Aschen­becher. Nicht etwa, weil er sich selbst eine anstecken will, Fedder raucht seit Jahren nicht mehr. Nein, der Schauspieler kon­trolliert, ob sich jemand an den ausgedrückten Kippen vergriffen haben könnte. Die Zigarettenstummel sind Fedder heilig, schließlich hat sie Altkanzler Helmut Schmidt einst geraucht.

    Fedder muss sich nicht sorgen, all seine Leihgaben sind noch da, die Aufzeichnung kann beginnen. Reinhold Beckmann hat ihn im Rahmen seiner NDR-Sommerreihe (heute, 23 Uhr) eingeladen, die beiden sind eng befreundet.

    Nun ist im Fernsehen kaum etwas riskanter als ein Talk unter Freunden. Bloß dem anderen nicht wehtun. Lieber unterhalb der Stammtischkante bleiben, die alten Kalauer ziehen doch noch.

    Aber es gibt eben Ausnahmen von allen Regeln. Diese Sendung gehört definitiv dazu. Denn Jan Fedder braucht ein Heimspiel, weil es auch um etwas sehr Persönliches geht: seine Krankheit. „Grausame Wahrheit über seinen Gesundheitszustand“ raunte im April ein Promi-News-Dienst. Fedder liege auf einer abgeschirmten Station einer Klinik, wo nur Patienten seien, die rund um die Uhr medizinische Hilfe benötigten.

    Der große Fedder ein Pflegefall?

    Nun, dafür sieht der 63-Jährige ziemlich gut aus. „Die Stimme hat die nötige Tiefe, das Blitzen in den Augen ist auch wieder da. Und ich beleidige wieder alle“, schnoddert Fedder über Fedder. Und er schimpft sogar etwas über den NDR, der ihm ruhig mehr Drehzeiten bei seinem Comeback in den Serien „Neues aus Büttenwarder“ und „Großstadtrevier“ hätte geben können. Er müsse sich nicht mehr schonen. Nach der Reha sei nur das Gehen noch ein Problem.

    Beckmann hakt nach: „Jan, wie geht es dir wirklich?“ Und dann erzählt Fedder von der „schlimmsten Zeit meines Lebens“. Von den 30 Bestrahlungen in der Mundhöhle wegen eines Karzinoms. Von der Angst, seine Stimme zu verlieren, sein wichtigstes Werkzeug. Zum Glück sei der Arzt auch Fan gewesen: „Der wollte mir eigentlich eine neue Mundhöhle bauen. Aber er hat gesagt, Jan, wir müssen deine Stimme retten.“

    Dann die Stürze: „Ich habe mir alles gebrochen, was man sich brechen kann. Hüfte, Beine, Kniescheiben.“ Dazu schwere bakterielle Entzündungen: „Ich habe oben angeklopft, aber die wollten mich noch nicht.“ Fedder lässt in sein tiefstes Innerstes schauen: „Es gab Momente, da hatte ich den Glauben verloren.“ Und dann spricht er über den Tod: „Leiden will ich nicht mehr. Ich möchte, dass es schnell geht. Und wenn es sein muss, vom Hochhaus runter.“ „Gab es Suizid-Gedanken?“, will Beckmann wissen. Fedder zögert kurz. Und sagt: „Es gab so Tage, wo man das zumindest in Erwägung gezogen hat.“

    Es ist der Moment, wo die Sendung ins Sentiment kippen könnte. Aber dafür hat Fedder ein viel zu feines Gespür. Und er hasst ohnehin Selbstmitleid. „Ich bin doch selbst schuld“, gibt er zu. „Du hast geraucht wie ein Schlot und geschluckt wie ein Specht“, sagt Beckmann. Fedder korrigiert: „Nein, ich habe gesoffen wie eine Sau.“ Irgendwann mit Anfang 40 habe er beschlossen: „Ich saufe mich zu Tode, bis ich 50 bin. Ich bin dem Teufel 14-mal von der Schippe gesprungen.“

    „Und wie ist es nun mit dem Alkohol?“, will Beckmann wissen. Fedder schüttelt den Kopf: „Ich trinke seit einem Jahr keinen Tropfen mehr. Der Körper will nicht mehr. Und ich glaube, es reicht auch für den Rest meines Lebens.“ Einmal, sagt er, habe er es noch versucht: „Aber das ging im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose.“

    In dem zum Studio umgebauten Design-Möbelgeschäft in einem Hinterhof in Ottensen hat die Beckmann-Crew Fotos aus Fedder-Filmen aufgehängt. Natürlich „Großstadtrevier“, natürlich „Neues aus Büttenwarder“. Aber eben auch die Verfilmungen der Siegfried-Lenz-Romane wie „Das Feuerschiff“ oder „Der Mann im Strom“, Produktionen, in denen Fedder zeigen durfte, dass er zu den ganz großen deutschen Schauspielern gehört. „Es war für mich so, als ob der Siggi die Bücher extra für mich geschrieben hat“, sagt Fedder. Geduzt hat er sich mit vielfach preisgekrönten und 2014 verstorbenen Autor gleich beim ersten Treffen.

    An der Wand hängt auch ein Bild eines bleichen jungen Mannes, der sich erschöpft an einen Griff in einem U-Boot klammert – Jan Fedder als Bootsmaat Pilgrim in „Das Boot“, einem der erfolgreichsten deutschen Filme. 5,8 Millionen Zuschauer allein in Deutschland, nominiert für sechs Oscars. Beckmann rollt eine dicke Pergament-Rolle aus, den Originaldrehplan des Films, geschrieben mit Tinte. Fedder schnappte ihn sich nach dem letzten Drehtag im Produktionsraum: „Da waren wir alle besoffen und bekifft.“

    Glaubt man Fedder, war das während der Dreharbeiten eher die Regel: „Regisseur Wolfgang Petersen sagte immer, lass die Jungs ruhig saufen, umso kaputter sehen sie am nächsten Morgen aus. Wir mussten als U-Boot-Fahrer ja kaputt aussehen.“ Am Ende habe der Regisseur gefragt, wer denn jetzt bereit für den Film-Tod sei? „Fast alle wollten sterben“, sagt Fedder. Aber er wollte unbedingt überleben: „Ich dachte mir, wenn das ein Welterfolg wird, gibt es bestimmt einen zweiten Teil.“ Stattdessen wird nun ein Remake gedreht, das im Herbst als Serie auf Sky ausgestrahlt werden soll. Für Fedder ein „Verbrechen“, man dürfe sich an großen Werken nicht versündigen

    Erfolg geht auch mit einem Abschluss in der Volksschule

    „Das Boot“ gilt als Sprungbrett für internationale Karrieren, insbesondere Petersen und Hauptdarsteller Jürgen Prochnow starteten in Hollywood durch. Und Fedder? „Ich spreche Hochdeutsch, Plattdeutsch und ein bisschen Englisch.“ Außerdem sei da drüben doch die nächste Kneipe immer so weit weg, „da muss man stundenlang fahren“. Nix für einen wie ihn. Und ganz nebenbei habe er hierzulande ja auch Erfolg gehabt, obwohl er nur die Volksschule besucht hat. Fedder dreht sich zu den Kameraleuten und Technikern um: „Kinder, es geht, man muss keine Uni besuchen, um gutes Geld zu verdienen.“

    Zeit für einen Abstecher in die Politik. G 20, das Gipfeltreffen, die schweren Krawalle. Fedder, Ehrenkommissar von Hamburg, Schleswig-Holstein und Bayern, harrte damals in seiner Wohnung auf St. Pauli aus. Allein. „Direkt unter meinem Balkon standen die Leute mit den ,All Cops are Bastards‘-T-Shirts und meinem Gesicht drauf. Ich wusste, wenn die dich erwischen, hast du wirklich Scheißkarten.“ Seit G 20 hat Fedder, Sympathisant von SPD und Grünen, mit dem Kapitel Olaf Scholz abgeschlossen: „Scholz hatte zehn Jahre lang eine Wohnung direkt neben mir auf St. Pauli.“ Der ehemalige Bürgermeister hätte wissen müssen, wie gefährlich ein solcher Gipfel für den Stadtteil werden kann. Nein, so jemanden könne er nicht mehr wählen.

    Gebannt schaut HP Baxxter aus einem Nachbarraum auf einen Monitor, auf dem die Aufzeichnung läuft. Der Sänger von Scooter („Hyper, hyper“) ist der Überraschungsgast, den Beckmann für Fedder verpflichtet hat. Kennengelernt haben sich die beiden vor 15 Jahren auf Ibiza. Seitdem sind sie Freunde.

    HP Baxxter ist der dritte Mann für das Kammerspiel

    Fedder staunt, als HP Baxxter das Studio betritt. „Ich hatte eigentlich mit Günter Netzer gerechnet.“ Doch auf den Musiker, aufgewachsen als Hans Peter Geerdes in Leer, freut er sich mindestens genauso. Neulich erst war er bei einem Scooter-Konzert: „Ich fand es zu leise.“ Der Sänger outet sich als Fedder-Fan, sagt: „Jan war auch Gast bei der ein oder anderen Hochzeit von mir.“

    HP Baxxter ist der perfekte dritte Mann für das Kammerspiel. Er erzählt von seinen Hochzeitsanträgen, beim ersten Mal auf einem ostfriesischen Deich, beim zweiten Mal auf der Tower Bridge in London. Die Steilvorlage für die berührendsten Momente der Sendung. Fedder spricht über Marion, die Liebe seines Lebens. Vor allem ihretwegen, sagt er, habe er nie aufgegeben. Die beiden lernten sich bei einer Gala im Interconti kennen. Er sei nicht gut drauf gewesen („ich trank zu der Zeit gerade nichts“) – und Marion habe ihn nicht erkannt: „Ich sagte ihr, ich bin Großstadtfriseur. Und was machen Sie? Bin in der Werbung, sagt sie. Ach, so’ne Werbeschlampe, die hab ich richtig gefressen.“

    So ein Satz endet in einem Fedder- Leben entweder mit einer verdienten Ohrfeige – oder vor dem Traualtar im Michel. Fedder reservierte 100 Tage nach dem Kennenlernen wieder den Saal, diesmal nur für Marion und ihn: „Ich habe alles genauso herrichten wie bei der Gala und 100 Baccara-Rosen mitgebracht.“ Und natürlich Ringe. Später saßen die beiden dann frisch verlobt auf dem Balkon einer Suite und riefen mitten in der Nacht bei Fedders Mutter an: „Ich bin gerade mit Marion im Interconti.“ Der Konter der Mutter: „Ist was mit eurer Wohnung?“

    Beim Abschied mahnt Fedder noch die Requisite, ja auf die Zigarettenstummel des Altkanzlers aufzupassen. Und die Lotzenmütze, die er dem Altkanzler nach einer Geburtsfeier bei Siegfried Lenz ebenfalls abluchste. Fedder hatte für die kleine Gesellschaft Ringelnatz-Verse zitiert, sein Geschenk an Lenz. Schmidt verzog keine Miene, wollte später wissen, was der Herr Fedder so beruflich mache. Und ob man davon leben könne. Das Eis taute erst auf, als Fedder erzählte, wie seine Familie die Sturmflut überlebte. „Interessant“, brummte der Altkanzler. Und rauchte mit Fedder.

    Beckmann trifft Jan Fedder, Montag, 23. Juli, 23 Uhr, N3