Hamburg. Nabu-Volksinitiative für mehr Grünschutz reicht 23.100 Unterschriften ein. 10.000 waren nötig. Nun wird verhandelt. Ohne Einigung Volksentscheid wohl parallel zur Bundestagswahl 2021.

    Der Naturschutzbund Nabu scheint mit seiner Volksinitiative zum Schutz des städtischen Grüns den Nerv vieler Hamburger getroffen zu haben. Statt der geforderten mindestens 10.000 Unterschriften lieferten Nabu-Vorstand Alexander Porschke und seine Mitstreiter am Montagmorgen nach eigener Zählung 23.100 Unterschriften per Schubkarre im Rathaus ab. Ziel der Initiative „Hamburgs Grün erhalten“ ist es, Senat und Bürgerschaft dazu zu bringen, den Grünanteil in Hamburg trotz des Wachstums der Stadt und des massiven Wohnungsbaus auf heutigem Stand zu erhalten.

    „Ich danke allen, die uns unterstützt haben“, sagte Nabu-Vorstand Porschke. „Wir sind heute mehr denn je davon überzeugt, dass der Start der Initiative die richtige Entscheidung war, um der wachstumsorientierten Stadtentwicklung entgegenzusteuern. Wir wollen nicht weiter zusehen, wie Fläche um Fläche immer mehr Grün für gewinnorientierte Bauprojekte geopfert wird.“ Es sei wichtig, eine Debatte über eine „klügere Stadtplanung angestoßen zu haben“, so der frühere grüne Umweltsenator. „Viele Hamburgerinnen und Hamburger sind nämlich nicht einverstanden, dass ihr Grün in Betongold verwandelt wird.“

    Termin für Volksbegehren fällt mitten in die Sommerferien

    Entgegengenommen wurden die Unterschriften am Montagvormittag vor dem Rathaus von den Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen, Dirk Kienscherf (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne). Tjarks betonte, dass die hohe Zahl von Unterschriften ein „starkes Zeichen für ein grünes Hamburg“ sei und auch die Politik das Ziel verfolge, Hamburgs Charakter als grüne Stadt am Wasser zu erhalten. „Wir müssen allerdings mit der Entwicklung umgehen, dass Hamburg eine beliebte Stadt ist“, so Tjarks. „Viele Menschen möchten hier leben und arbeiten. Wir können die Schotten nicht einfach dichtmachen. Gute Politik ist immer auch die Suche nach einem guten Interessenausgleich.“

    SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf, der kürzlich im Abendblatt-Interview gesagt hatte, Hamburg könne statt jetzt 1,8 irgendwann 2,2 Millionen Einwohner verkraften, betonte, dass auch die SPD das Grün erhalten wolle. „Wir werden in Gesprächen abstimmen, wie das verlässlich erreicht werden kann. Mit rund zehn Prozent Naturschutzgebieten, 20 Prozent Landschaftsschutzgebieten, grünen Ringen, Biotopverbundsystem und vielen Grün-, Erholungs- und Kleingartenanlagen ist Hamburg eine der grünsten Städte Deutschlands“, so Kienscherf.

    Nun muss zunächst formal festgestellt werden, dass mindestens 10.000 der eingereichten Unterschriften gültig sind – es müssen also Doppelunterschriften herausgerechnet werden oder solche, die von Nicht-Hamburgern geleistet wurden. Bei der hohen Zahl der eingereichten Unterschriften gehen aber alle davon aus, dass diese Hürde locker übersprungen wird. Danach wird die Initiative ihr Anliegen der Bürgerschaft in einem Ausschuss vortragen. Vermutlich wird parallel dazu bereits nach einer Kompromisslösung gesucht. Grünen-Fraktionschef Tjarks deutete vorsichtig an, worin diese aus Koalitionssicht mit bestehen könnte: So könne man etwa versuchen, nicht allein auf Flächen abzuheben, sondern das Grünvolumen weitgehend zu erhalten. Dabei könnten auch Gründächer oder begrünte Fassaden eine Rolle spielen, so Tjarks.

    Von dem ursprünglichen Ziel, einen Volksentscheid parallel zur Bürgerschaftswahl Anfang 2020 abzuhalten, musste sich die Initiative bereits verabschieden. Das liegt an Sperrfristen rund um die Europawahl am 26. Mai 2019. Die haben für den Nabu auch eine andere, möglicherweise sehr nachteilige Begleiterscheinung. Die nächste Stufe der Volksgesetzgebung, das Volksbegehren, würde mit seinem Start am 26. Juni fast exakt in die Zeit der Hamburger Sommerferien fallen, die 2019 am 27. Juni beginnen. Dann hätte die Initiative sechs Wochen Zeit in einer ziemlich leeren Stadt fünf Prozent der Wahlberechtigten, rund 65.000 Hamburger, zur Unterschrift zu bewegen – drei Wochen davon darf öffentlich gesammelt werden.

    Dieser denkbar ungünstige Termin kann sich laut Landeswahlamt dadurch verschieben, dass die Bürgerschaft das Vorhaben länger prüft und ihre Frist von im Normalfall vier Monaten verlängert. Dann würde das Begehren sich auf Herbst 2019 verschieben. Der Volksentscheid wird so oder so wohl erst parallel zur Bundestagswahl im Herbst 2021 stattfinden. „Wenn wir müssen, werden wir das Begehren auch in den Ferien zum Erfolg führen“, sagte Nabu-Chef Porschke. Zudem wolle er das Thema auch in den Bezirksversammlungswahlkampf 2019 tragen. Die Bezirkspolitiker müssten sich klar dazu äußern, wie sie zu Wachstum und Grünerhalt stünden, so Porschke. „Wir wollen, dass das Thema Grünschutz von Sonntagsreden in die Alltagspolitiker übergeht.“

    CDU: „Das ist eine Ohrfeige für die rot-grüne Politik“

    CDU-Fraktionschef André Trepoll bezeichnete die hohe Zahl von Unterschriften als „Ohrfeige für die rot-grüne Stadtentwicklungspolitik“. Der Bürgermeister bekomme „die Quittung dafür, dass die Hamburgerinnen und Hamburger nicht wissen, was er mit der Stadt vorhat“ (siehe Artikel auf Seite 12). Linken-Umweltpolitiker Stephan Jersch forderte, der „Dialog über Machbares in unserer Stadt“ müsse „endlich aufgenommen werden“. Hamburg verliere derzeit „dauerhaft Flächen, die für Ökologie und Erholung notwendig sind“.

    FDP-Umweltpolitiker Kurt Duwe kritisierte die Nabu-Initiative als „gut gemeint, aber weniger gut gemacht“. Die Lebensqualität bemesse sich „höchstens vordergründig an flächenhafter Verteilung von Grünflächen und Beton“, so der FDP-Politiker. „Für Erholung und biologische Vielfalt ist Qualität entscheidend, bei der es nicht auf eine feste Größe der Rasenflächen ankommt.“ AfD-Umweltpolitikerin Andrea Oelschläger sagte, bei Rot-Grün sei „der Schutz der grünen Stadt nicht wirklich zu erkennen“. Der Nabu stelle „die richtigen Fragen und hat einige sinnvolle Antworten“.