Greta Blunck wird am Montag 80. Hamburgs „Grande Dame“ des Hockeys über ehrgeizige Eltern, lernwillige Kinder und ein Treffen mit der Queen

Was genau sie erwartet am Montag, weiß Greta Blunck nicht. Irgendetwas sei im Clubhaus ihres Heimatvereins Harvestehuder THC geplant, den Rahmen aber kenne sie nicht. Die Ausrichtung runder Geburtstage überlässt sie seit 20 Jahren ihren Kindern Christian (49) und Beatrice (51). Und auch wenn die „Grande Dame“ des Hamburger Hockeys ein Kontrollmensch ist, freut sie sich auf die Überraschungen, die ihr 80. Geburtstag bereithält. Nur eins hält sie für klar: „Nachmittags werde ich wie gewohnt Training geben!“ Das jedoch bleibt abzuwarten.

Frau Blunck, wer Sie beim täglichen Hockeytraining in Aktion sieht, glaubt nicht, dass Sie am Montag 80 Jahre alt werden. Woran merken Sie selbst, dass dieser Meilenstein nun erreicht ist?

Greta Blunck: Nur daran, dass um mich herum viele Freunde 80 werden. Dann werde ich daran erinnert, dass ich auch dran bin. Aber grundsätzlich hat mir das Alter nie etwas bedeutet, und ich habe überhaupt kein Problem damit, älter zu werden. Wahrscheinlich, weil ich eher das Gefühl habe, jeden Tag jünger zu werden.

Was ist der Grund dafür?

Die Kinder, die ich trainieren darf. Und die Liebe zum Ball, verbunden mit den vielen Menschen, die für mich die Welt bedeuten. Sport hat mein Leben leichter gemacht. Der Rhythmus, jeden Tag zu trainieren, ist mein Lebenselixier. Das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ich so fit geblieben bin.

Sie arbeiten mit Kindern im Alter von vier bis acht Jahren, dazu seit 25 Jahren mit geistig Behinderten. Außerdem spielen Sie selbst noch Tennis und Golf, machen Yoga, spielen Klavier und gehen einmal pro Woche zum Französischunterricht. Muten Sie sich nicht manchmal ein wenig zu viel zu?

Bewegung ist der Schlüssel, ich kann nicht einen Tag lang nur herumsitzen. Mein Erfolgsrezept ist aber, dass ich alles immer im Rahmen des Vernünftigen betrieben habe, um so lange wie möglich gesund zu bleiben. Schon als aktive Spielerin war ich deshalb nie verletzt. Vor sieben Jahren hatte ich eine kleine Operation am Meniskus, das war, abgesehen von der Geburt meiner beiden Kinder, mein einziger Krankenhausaufenthalt. Drei Tage später stand ich wieder auf dem Platz. Ich brauche das einfach, um mich wohl zu fühlen.

Was reizt Sie an der Arbeit mit Kindern so sehr?

Die Möglichkeit, sie zu formen und ihnen etwas für ihr Leben mitzugeben. Die Freude, lehren zu dürfen, hält mich aufrecht. Und ich lerne jeden Tag selbst dazu, denn mit Kindern gibt es keine Norm, da gibt es niemals Stillstand. Das Spektrum, das ich durch das Hockeytraining abdecken kann, ist enorm. Aber auch ich musste erst lernen, dass eine gute Spielerin noch lange keine gute Trainerin ist.

Sie sind älter als die meisten Großeltern der Kinder, die bei Ihnen trainieren. Haben Sie manchmal das Gefühl, nicht mehr mitzukommen mit dem, was Kinder heute denken oder tun?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin mit den Kindern gewachsen und habe mich, was meine Ansprache angeht, mit ihnen entwickelt. Zudem arbeite ich heute, anders als früher, nur in den ersten vier Jahren mit ihnen. Früher habe ich Teams zehn, zwölf Jahre lang begleitet, da konnte ich zu jedem Kind Geschichten erzählen. Heute ist das weniger geworden. Aber die wahnsinnig vielen Freundschaften, die entstanden sind, halten bis heute.

Womit erreichen Sie Kinder am besten?

Mit bildhafter Sprache. Wenn ich ihnen beibringen will, dass sie den Ball mit dem Schläger abdecken müssen, sage ich: „Es regnet wie verrückt. Ihr müsst das Dach zumachen.“ Dann wissen sie, was ich meine. Das Wichtigste ist aber, Trainingsprogramme individuell auf die Mannschaften und die einzelnen Spieler abzustellen. Wenn du zur Perfektion kommen willst, musst du tausend Dinge beachten. Das kann ich. Wenn ich mit 40 Kindern auf dem Platz stehe, sehe ich jedes einzelne.

Was unterscheidet Kinder von heute von denen von vor 20 oder 40 Jahren?

Nicht viel. In dem Alter, in dem ich sie trainiere, sind alle lernwillig und leistungsbereit. Sie wollen sich entwickeln. Es gibt immer mal welche, die sich rüpelhaft benehmen, aber die setze ich dann kurz raus, und dann wissen sie Bescheid. Schlimmer sind die Eltern. Viele Trainer hören heute auf, weil sie mit den Eltern nicht zurechtkommen. Ich hatte allerdings nie Probleme mit Eltern. Die vielleicht mit mir, aber ich nicht mit denen.

Wieso nicht?

Weil ich plausibel erkläre, was ich will, und das auch durchziehe. Es gibt immer wieder krankhaft ehrgeizige Eltern, aber bei mir zählt nur das Kind und dessen Entwicklung, da lasse ich mir nicht reinreden. Und das verstehen irgendwann alle Eltern. Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass wir im HTHC sehr viele tolle, unglaublich nette Familien haben. Wäre das nicht so, hätte ich meinen Job wahrscheinlich nicht so lange machen können.

Wer hört, wie Sie mit Kindern und Eltern sprechen, ist beeindruckt davon, wie resolut Sie auftreten. Woher haben Sie diese Stärke?

Von meiner Mutter. Die war eine starke Frau, sie stammt aus dem Spreewald, musste sich immer durchsetzen. Von ihr habe ich viel mitbekommen.

Sie sind kurz vor dem Zweiten Weltkrieg geboren. Wie hat Sie die Zeit, in der es nichts gab, geprägt?

Ich bin damals sehr früh dazu bestimmt worden, Anführerin zu sein. Auf dem Land in Schleswig-Holstein, wo ich im Krieg hingeschickt worden war, hat mich die Lehrerin in der ersten Klasse verpflichtet, auf die anderen Schüler aufzupassen, wenn sie mal raus musste. Mit 16 wurde ich beim HTHC Mannschaftsführerin der Ersten Damen. 1963, als wir mit der Nationalmannschaft auf USA-Reise gingen, musste ich dirigieren, als wir ein paar Lieder singen sollten. Obwohl ich alles nur halb konnte, konnte ich mich immer gut verkaufen. Ich hatte auch viel Hilfe. Schon in der Schule haben meine Schwestern für mich Aufsätze geschrieben und gezeichnet, die Untermieterin hat Handarbeiten gemacht, nur damit ich überall gute Noten bekam. Und ich habe es immer als Herausforderung gesehen, wenn man mich in Verantwortung gedrängt hat.

Dieses Annehmen von Herausforderungen hat Ihr gesamtes Leben geprägt. Sie waren Bundestrainerin, saßen zwölf Jahre im Vorstand der Hamburgischen Anstalt für neue Medien, waren im Vorstand des Hamburger Sportbundes. Sind Sie gern Vorreiterin?

Nicht bewusst, ich wurde einfach immer gefragt. Ich habe kein Abitur gemacht, weil ich keine Aufsätze schreiben konnte und auch nicht gelesen habe. Studieren wäre für mich aber sowieso nichts gewesen, ich bin mehr eine Frau der Tat. Nach der Höheren Handelsschule war ich bei meinem Vater, der Assekuranzmakler war, im Betrieb. Das hat mich sehr interessiert, weil ich mit allen Bereichen der Wirtschaft in Berührung kam. Dadurch habe ich stets neue Rollen spielen können. Das hat mich geprägt.

Tatsächlich wären Sie gern Schauspielerin geworden. Was hat Sie am Rollenspielen so fasziniert? War es die Chance, nicht zeigen zu müssen, wer Sie wirklich sind?

Ja, das ist ein wichtiger Beweggrund gewesen. Ich zeige ungern, wie ich wirklich bin. Deshalb habe ich immer etwas getan, wo ich eine Rolle spielen konnte, die mir besser gefiel.

Mit 80 dürfen Sie nun aber verraten, wie Sie wirklich sind.

Ich bin ein Mensch, der gern eine Struktur hat, suche stets Halt an irgendetwas. Außerdem bin ich ein Ich-Mensch gewesen, da hat mich der Sport erzogen. Und mein Sohn! Als er in der Jugend spielte, sagte ich nach einem Spiel zu ihm, dass sein Freund und er sehr gut gespielt hätten. Da sagte er: ‚Mami, wir waren alle sehr gut!‘ Das hat mich beeindruckt und mir gezeigt, dass die richtige Ansprache wichtig ist, um Menschen zu erreichen, und dass man auch an andere denken muss und nicht nur an sich oder die Kinder.

Haben Sie einen Ratschlag dafür, wie das am besten gelingt?

Im Sport konnte ich nie Spagat. Aber im Leben musst du ihn beherrschen, um mit Menschen, die wichtig sind, und Menschen, die glauben, wichtig zu sein, gleichermaßen auszukommen. Mir war immer wichtig, den Hausmeister und den Präsidenten zu kennen und beide gleich zu behandeln.

Ihr Ehemann starb 1975, als die Kinder gerade sieben und neun Jahre alt waren. Wie schwer fiel es Ihnen damals, die Rolle der starken Frau zu spielen?

Ich hatte zum Glück sehr viel Unterstützung durch gute Freunde und auch durch den Verein und den Sport. Und die Kinder haben toll mitgemacht. Ich konnte ihnen finanziell nicht viel mit auf den Weg geben, aber wer so viel zu tun hat, wie wir es hatten, hat ja auch nicht viel Zeit, um Geld auszugeben. Wir waren zum Beispiel nie im Restaurant essen, ich habe immer selber gekocht. Das Kochen ist bis heute eins meiner Hobbys geblieben.

Was braucht es aus Ihrer Sicht als Frau, um sich als Alleinerziehende zu behaupten oder in Männerdomänen durchzusetzen? Und wie denken Sie über die Frauenquote?

Ich habe von der Frauenquote mehrmals profitiert, und ich halte sie für notwendig, weil sich sonst gar nichts ändert. Ich habe immer gern mehr mit Männern als mit Frauen gearbeitet, weil ich finde, dass Männer offener und ehrlicher miteinander umgehen. Ich habe in all meinen Tätigkeiten gelernt, dass Männer auch nur mit Wasser kochen und dass Frauen mit Selbstbewusstsein und Qualität sich immer durchsetzen werden. Trotzdem ist es ungerecht, dass Frauen deutlich besser als Männer sein müssen, um genauso anerkannt zu werden.

Gibt es irgendetwas, womit man Sie aus der Ruhe bringen kann?

Mit Unehrlichkeit beim Sport und beim Spielen. Im Leben sind Notlügen manchmal notwendig. Aber wer im Sport und im Spiel das Fairplay nicht schätzt, der hat nicht verstanden, worum es geht. Außerdem finde ich unerzogene Menschen anstrengend. Gute Erziehung ist für mich das Allerwichtigste, und ich mag am Sport besonders, dass er auf spielerische Art erziehend wirkt.

Welchen Fehler im Sport bereuen Sie besonders, und aus welchem haben Sie am meisten gelernt?

Natürlich habe ich manchmal Kinder falsch beurteilt oder bevorzugt, aber ich bereue keine Fehler, denn ich habe aus allen gelernt. Am meisten gebracht hat mir mein Wechsel vom HTHC zum Club an der Alster, denn dadurch habe ich gelernt, nicht nur auf die eigenen Werte zu achten, sondern sich auch für andere freuen zu können. Das hat meinen Horizont sehr erweitert.

Gibt es ein Kind, an das Sie sich besonders gern erinnern?

Julia Müller. Sie ist das Enkelkind unseres Clubökonomen, der wie ein Vater für uns alle war. Mit ihr habe ich unglaublich viele Erfahrungen sammeln können. In einem Endspiel in der Jugend gegen Klipper habe ich sie vorne links aufgestellt, aber sie konnte nicht mal eine Ecke herausgeben. Dann habe ich sie nach hinten links gestellt, um ihr Sicherheit zu geben, und dann ins Mittelfeld gestellt, wo sie gespielt hat wie ein junger Gott. Das war Intuition, und das kannst du nicht mit jedem Kind machen. Aber mit Julia ging das. Als sie Kapitän der Nationalmannschaft wurde, habe ich vor Freude geweint und ihr einen langen Brief geschrieben. Ich schreibe übrigens gern Briefe. Ich nutze auch E-Mail und Mobiltelefon, aber wenn es persönlich ist, schreibe ich Briefe.

Würden Sie eine bestimmte Phase Ihres Lebens gern noch einmal erleben?

Meine schönste Lebensphase war meine Zeit als Balletttänzerin bei Lola Rogge. Das war im Alter zwischen vier und elf Jahren, eine unglaublich intensive Zeit mit tollen Auftritten in vielen Weihnachtsmärchen. Grundsätzlich hatte ich aber so viele schöne Erlebnisse, dass ich nichts Besonders hervorheben will. Wenn ich den Tod meines Mannes aussparen dürfte, würde ich dasselbe Leben gern noch einmal leben.

Als ‚Grande Dame‘ des Hockeys sind Sie auch in der Hamburger Gesellschaft viel unterwegs. Gab es eine Begegnung, die Sie besonders beeindruckt hat?

Besonders beeindruckt hat mich das Treffen mit Queen Elizabeth am 28. Mai 1965. Da war ich gemeinsam mit Uwe Seeler und dem Zehnkämpfer Willi Holdorf ausgewählt worden, um der Königin bei einem Treffen am Cliff an der Alster die Hand zu schütteln. Ein tolles Erlebnis!

Gibt es noch Träume, die Sie sich erfüllen wollen? Jemanden, den Sie gern kennenlernen würden?

Einen reichen Mann vielleicht. Ansonsten bin ich glücklich so, wie es ist. Traurig bin ich allerdings noch immer darüber, dass die Hamburger sich gegen die Olympiabewerbung entschieden haben. Das in meiner Heimatstadt zu erleben, wäre ein Traum gewesen.

Plagen Sie manchmal die Gedanken daran, dass Sie mit 80 Jahren den größten Teil des Lebens hinter sich haben?

Nein. Gedanken an den Tod schiebe ich weg. Mein Wunsch ist, dass ich irgendwann einfach umfalle. Aber noch sind die Tage viel zu voll, als dass dafür Zeit wäre. An meinen Reichtum kommt die Steuer nicht heran, denn der besteht darin, dass ich ein erfülltes Leben mit tollen Menschen leben darf. Und das möchte ich noch lange tun.