Nach seiner vierten Wahlperiode verlässt der Bundestagsabgeordnete mit seiner Familie den Kreis Pinneberg, den Bundestag und sein Amt als parlamentarischer Staatssekretär. Die Hintergründe

Ole Schröder macht Schluss. Schluss mit der Politik. Acht Jahre lang war er als parlamentarischer Staatssekretär Teil der Regierung, gehörte seit 2002 dem Bundestag an. In dieser Zeit gewann er in Berlin zunehmend Macht und Einfluss, galt als einer der profiliertesten Innenpolitiker der CDU. Das alles gibt der 46-Jährige aus Rellingen im Kreis Pinneberg jetzt und aus freien Stücken auf. „Für mich war es wichtig, rechtzeitig den Absprung aus der Politik zu schaffen“, sagt er.

Schon 2002, als Ole Schröder im Alter von 31 Jahren erstmals als Spitzenkandidat der Jungen Union über die Landesliste der CDU Schleswig-Holstein in den Berliner Reichstag einzog, hatte er eine klare Vorstellung, wie lange er dort mitmischen wollte. „Ich habe schon damals die Politik als Mandat auf Zeit gesehen. Diese Auffassung vertrete ich heute noch.“

Er habe sich nie vorstellen können, bis ins hohe Alter Berufspolitiker zu sein. „Ich hatte mir bei meinem ersten Einzug in den Bundestag vorgenommen, maximal drei Wahlperioden zu machen. In der ersten wollte ich lernen, in der zweiten mich etablieren und in der dritten führen.“ An diesen Fahrplan habe er sich gehalten – und letztlich eine vierte Wahlperiode rangehängt. „Jetzt aber ist Zeit für etwas anderes, für etwas Neues.“

Das war neu: Ein Ehepaar auf der Regierungsbank

Schon als Jugendlicher wollte der Rellinger, der 1991 am Halstenbeker Wolfgang-Borchert-Gymnasium sein Abitur ablegte, etwas bewegen und sein Umfeld mitgestalten. 1989 trat er in die CDU ein, wurde Vorsitzender der Jungen Union in Rellingen und wenig später Mitglied im Gemeinderat des Ortes. 2000 wurde er Vizechef des CDU-Kreisverbandes Pinneberg, den er dann von 2005 bis Mai 2017 leitete. Parallel zu den ersten politischen Gehversuchen studierte er nach dem Wehrdienst Jura in Hamburg und ging im Anschluss nach Südafrika, wo er einen internationalen Abschluss erwarb. Nach dem Referendariat beim Oberlandesgericht Hamburg erhielt er 2002 die Möglichkeit, als CDU-Kandidat des Kreises Pinneberg zur Bundestagswahl anzutreten.

Viele neue Eindrücke gewann der heute 46-Jährige in den 15 Jahren in Berlin, wo er auch seine Frau kennenlernte – „bei der Arbeit“, wie er betont. Im Innenausschuss des Bundestages. Sie Juristin aus Wiesbaden, er Jurist aus Rellingen – das passte. „Noch bevor ich in den Bundestag einzog, hat mir Karla Fock, unsere Geschäftsführerin des CDU-Kreisverbandes Pinneberg, einen „Bunte“-Artikel über Kristina Köhler gezeigt und gesagt, dass die doch was für mich wäre“, erinnert sich Schröder. Er habe damals zugestimmt, dann jedoch die Sache vergessen. „Später, als wir zusammengekommen sind, habe ich mich daran erinnert. Und als wir unsere Beziehung dann öffentlich machten, ist unsere Kreisgeschäftsführerin zu mir gekommen und hat gesagt: ,Siehst du, ich hatte recht‘.“

Vom Innenausschuss wechselte Schröder in den Haushaltsausschuss, dem wichtigsten Gremium des Bundestages. Hatte er sich vorher mit der Visa-Affäre um Ex-Außenminister Joschka Fischer und dem Bürokratieabbau befasst, konnte er nun direkten Einfluss auf die Etats der Ministerien nehmen und dazu beitragen, mit Hilfe der Konjunkturpakete I und II die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln. Als CDU-Innenminister Thomas de Maizière im Herbst 2009 einen Staatssekretär suchte, empfahl ihm Peter Altmaier, Schröders Vorgänger im Ministerium und heute Kanzleramtsminister, den jungen Mann aus dem hohen Norden.

„Ich erhielt einen Anruf von Volker Kauder und habe sofort angenommen, weil es mich gereizt hat, Teil der Regierung zu sein“, erinnert sich Schröder. Das Rampenlicht war dabei nie seine Sache. „Ich habe nach der Maxime gehandelt, dass ein parlamentarischer Staatssekretär, der viel Einfluss haben möchte, vor allem intern und nicht zu sehr in die Öffentlichkeit wirken sollte.“ Das wurde jedoch schon kurz nach Amtsantritt als Staatssekretär schwierig. Der Grund: Am 30. November 2009 wurde die Juristin aus Wiesbaden, die Schröder dann im Februar 2010 ehelichte und die seinen Namen annahm, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ein Ehepaar auf der Regierungsbank – das gab es vorher nicht.

Sein Name fiel häufiger, wenn es um höhere Aufgaben ging

Und 2011 kam ein weiteres Novum dazu. Die Schröders wurden am 30. Juni 2011 Eltern von Töchterchen Lotte Marie. Eine Ministerin, die während ihrer Amtszeit ein Kind bekommt, auch das gab es vorher nicht. „Für uns beide war klar, dass wir eine Familie gründen wollen. Meine Frau hat das vor Amtsantritt der Bundeskanzlerin mitgeteilt, und die hat zugesagt, dass es auch als Ministerin möglich sein wird.“ Das funktionierte – wohl auch, weil das Ehepaar sich stets an eine Devise hielt. „Wir haben unser Privatleben privat sein lassen, haben die Kinder nie in der Öffentlichkeit präsentiert.“ Am Abend der Bundestagswahl 2013 teilte Kristina Schröder mit, für keine zweite Amtszeit als Ministerin zur Verfügung zu stehen.

Ihr Ehemann blieb parlamentarischer Staatssekretär. Das reichte ihm, obwohl sein Name häufiger fiel, wenn es um höhere Aufgaben ging. „Minister will ich bestimmt nicht werden, einer in der Familie reicht“, sagt Ole Schröder. Am 15. Juni 2014 kam mit Mathilde Luise die zweite Tochter des Polit-Powerpaares zur Welt. „Das hat mit den Kindern alles gut funktioniert, weil wir auch den Mut hatten, mal weniger präsent zu sein und auch mal Termine abzusagen. Und natürlich haben meine Eltern und meine Schwiegereltern sehr geholfen, indem sie in jeder Sitzungswoche nach Berlin gekommen sind, um auf die Enkel aufzupassen.“

Wenn im April 2018 das dritte Kind des Paares das Licht der Welt erblickt, werden die Eltern zumindest am Anfang mehr Zeit für ihre Kinder haben. Auch Kristina Schröder hat sich wie ihr Ehemann aus der Politik zurückgezogen. Ole Schröder ist zwar derzeit noch als parlamentarischer Staatssekretär aktiv, bleibt dies aber nur noch geschäftsführend bis zur Neubildung einer Regierung.

Möglicherweise wird er eine Karenzzeit einhalten müssen

Lange wird dies nicht mehr dauern – glaubt zumindest Ole Schröder. „Ich bin sicher, dass im Januar die neue Regierung stehen wird.“ Die inhaltlichen Differenzen zwischen CDU/CSU und FDP seien geringer als die zwischen CDU/CSU und SPD von vor vier Jahren. „Und bei den Grünen habe ich den Eindruck, dass die unbedingt regieren wollen, weil das für die jetzige Führungsriege die letzte Chance ist, Teil der Regierung zu werden.“

Die Kanzlerin wird Angela Merkel heißen. „Sie ist in der Lage, auch zuzuhören und Dinge aufzunehmen, sie sendet nicht nur“, sagt der 46-Jährige. Auch Wolfgang Schäuble („Nach all der Zeit im Bundestag brennt der noch für die Themen“) und Wolfgang Bosbach hätten ihn in den 15 Jahren besonders beeindruckt. Auch für die Nach-Merkel-Ära sieht Schröder die CDU gut aufgestellt. „Es gibt eine Menge Personen in der Partei, die das Potenzial haben, Kanzlerformat zu entwickeln, wie etwa Jens Spahn, Michael Kretschmer, Julia Klöckner, Günter Krings oder Helge Braun.“

In der Partei müsse der liberal-konservative Flügel mehr berücksichtigt werden, um wieder bessere Wahlergebnisse zu erzielen. „Entscheidend wird auch sein, die Flüchtlingskrise nachhaltig zu lösen. Der Automatismus, dass ein auf dem Mittelmeer geretteter Flüchtling direkt auf das europäische Festland kommt, muss aufhören“, fordert Schröder. Der Noch-Staatssekretär spricht sich dafür aus, die Geretteten zurück zu sicheren Orten zu bringen und sich stärker in den Transitländern, speziell in Nordafrika, zu engagieren. „Dort spielt sich die viel größere humanitäre Kata­strophe ab.“

Dafür Lösungen zu finden, obliegt nicht mehr dem 46-Jährigen. Er ist zur Bundestagswahl im September nicht mehr angetreten und hat damit auch sein Aus als parlamentarischer Staatssekretär besiegelt. „Die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen, weil ich unheimlich gerne Politik gemacht habe. Aber ich würde mir am Ende meines Lebens Vorwürfe machen, wenn ich nicht noch einmal etwas anderes in Angriff genommen hätte“, sagt er.

Ole Schröder will künftig wieder in seinem Beruf als Rechtsanwalt arbeiten. „Was ich genau mache, steht nicht fest. Als gelernter Rechtsanwalt habe ich viele Möglichkeiten“, sagt er. Vor Aufnahme einer Tätigkeit werde er möglicherweise eine Karenzzeit einhalten müssen, die noch festgelegt wird. „Wie lange die Karenzzeit sein wird, hängt davon ab, was ich dann mache.“ Sicher ist aber, dass er den Norden verlassen wird. „Rellingen, Wiesbaden, Berlin – wir hatten bisher drei Wohnsitze. Künftig haben wir uns für einen Wohnsitz mitten in Deutschland entschieden, nämlich Wiesbaden“, sagt Schröder.

Er freue sich auch darauf, „nicht mehr in Legislaturperioden, sondern wieder in Lebensabschnitten zu denken“. Wehmut komme beim Abschied aus der Politik nicht auf. „Ich habe das selbst so entschieden, das macht die Sache leichter. Viel schwieriger ist es für die, die unfreiwillig ausscheiden.“ Einen Rücktritt vom Rücktritt will der Rellinger jedoch nicht für immer ausschließen. „Mal sehen, was die Zukunft bringt. Man soll niemals nie sagen.“