Fast eine halbe Million Besucher erlebten die stimmungsvollen Cruise Days und den Blue Port an der Elbe. Vor der Parade legte ein Tau ein Kreuzfahrtschiff lahm

Unmittelbar vor Start der Parade sorgt nicht nur der Wellengang für Turbulenzen im Hafen. „Es gibt technische Probleme“, übermittelt der Kapitän der „Mein Schiff 3“ am Sonnabend um 21.05 Uhr per Funk. „Wir sind leider raus.“ Beim Ablegen hat sich ein Tau in der Schraube des 293 Meter langen und 36 Meter breiten Ozeanriesen verheddert. Das mit der Steuerbordseite am Ufer der HafenCity festgemachte Schiff muss am Kai liegen bleiben. Ein Jammer.

Jetzt ist schnörkelloses Handeln gefragt. Auf jede Minute kommt es an. Mehr als 200.000 Zuschauer freuen sich auf den Höhepunkt der Cruise Days. Pyrotechniker stehen bereit, das maritime Spektakel farbenprächtig und lautstark in Szene zu setzen – in Harmonie mit dem fantasievoll illuminierten Blue Port.

Ein Segen, dass es Profis gibt, erfahrene Nautikerinnen wie Heike Masuch und Christine Bendfeldt, praktisch die Chefinnen der Auslaufparade. Zusammen mit Abgesandten der Feuerwehr und der Wasserschutzpolizei haben die beiden an Bord der „Hafenaufsicht“ alles im Griff. Die 900 PS starke Barkasse liegt vor Steinwerder. Frau Masuch, die 1. Offizierin, nimmt Kontakt mit dem Kapitän der „Europa“ auf. Vom Kirchenpauerkai aus soll sich das Schiff etwas eher als geplant in Bewegung setzen und direkt hinter der „Europa 2“ Position beziehen. Aye, aye.

Um 21.13 geht’s los, pünktlich auf die Minute. Um 19.56 Uhr war Sonnenuntergang. Die Wolkendecke ist aufgerissen, trockene Atmosphäre, Hochwasser, Wind der Stärke drei kommt mäßig aus Südwest. Alles unter Kontrolle. „Aidaprima, bitte Fahrt aufnehmen“, spricht Heike Masuch in ihr Funkgerät. Für die Cruise Days ist ein eigener Arbeitskanal eingerichtet. Sinnvoll, dass Masuch und ihre 2. Offizierin Bendfeldt in den Stunden zuvor persönlich auf den Kommandobrücken der beteiligten Kreuzfahrtschiffe waren, um mit den Kapitänen Details zu besprechen. Von Meisterhand dirigiert, reihen sich fünf Meeresriesen auf der Elbe in einer Kette auf. Abstand jeweils 150 Meter, über rund 1,7 Kilometer verteilt. Ein Bild für Götter. Neptun hätte seine Freude daran.

Die „Aidaprima“, die „Norwegian Jade“, die „Europa 2“, die „Europa“ und die „Preziosa“ nehmen Fahrt auf. Musikalisch untermalt und vom Feuerwerk gekrönt, nimmt das majestätische Quintett Kurs Teufelsbrück und Blankenese – mit vier Knoten elbabwärts Richtung Nordsee. Nur die MSC „Preziosa“ bleibt im Hamburger Hafen. Sie kommt direkt aus Zeebrugge, hat vorm Amerikahöft gedreht. Das muss man mal alles erst einmal so hinkriegen. Angeführt von fünf Hadag-Fähren des Typs 2000 umrahmen 24 offizielle Begleitboote die Zeremonie. Segelschiffe wie „Regina Maris“ und „Gotland“ sind dabei, Fahrgastschiffe wie „Ballinstadt“, „Commodore“ oder „Hammonia“.

An den Landungsbrücken kommentiert Moderator Marek Erhardt die Manöver – ebenso kenntnisreich wie stimmungsvoll. Gegen 21.45 Uhr, also nach einer halben Stunde, ist der Zauber vorbei. Am Ufer geht die Party lustvoll weiter. Schietwetter ade. Hatten Aussteller und Gastronomen der 15 sogenannten Themeninseln auf der 4,5 Kilometer langen Flaniermeile tagsüber unter Regenschauern und Böen gelitten, sind die Buden nun dicht umlagert. Nach Veranstalterangaben verfolgten 250.000 Besucher die Parade. Insgesamt sollen von Freitag bis Sonntag rund eine halbe Million Gäste an der Waterkant mittenmang gewesen sein. Genau gezählt hat das natürlich keiner.

Es gibt Bratwürste und Fisch­brötchen, Labskaus und Fleischspieße, Fassbier zu deftigen Preisen, aber auch Salsakurse, Rock, Stelzenläuferinnen, Shantys, Nippes, Kunsthandwerk und Strandkörbe, an freier Luft auf dem Platz der Deutschen Einheit Konzertmitschnitte aus der Elbphilharmonie. Von deren Plaza aus genoss das Publikum eine hervorragende Sicht. Reedereien informieren über Hafenrundfahrten und andere Exkursionen. Wer will, erfährt Wissenswertes über die Seefahrt und maritime Studiengänge.

Heike Masuch und Christine Bendfeldt wissen aus eigener Hochschulerfahrung, wie’s geht. Bei einem Lokaltermin mit dem Abendblatt an Bord schildern die 1. und die 2. Offizierin vor der großen Parade monatelange Arbeit und Organisation. Beide Nautiker sind Beamtinnen in Diensten der Hamburg Master Division unter dem Dach der Port Authority HPA. Gekonnt steuert Schiffsführer Joshua Grahl die „Hafenaufsicht“ durch das Gewusel auf der Elbe. Bei aller Konzentration hat er immer noch Zeit für einen Schnack. Für Heike Masuch ist es der dritte Einsatz bei Planung und Durchführung der Cruise Days. Bei Hafengeburtstagen, der Elbphilharmonie-Eröffnung und Taufen mehrerer Kreuzfahrtschiffe war sie auf dem Wasser ebenfalls in entscheidender Funktion dabei. Anspannung oder gar Aufregung sind ihr nicht anzumerken. In der Steuerkabine liegen Schokoriegel und Kekse bereit. Nervennahrung. Später wird das Duo die Schiffspositionen auf einer elektronischen Hafenkarte per Laptop an Bord verfolgen – und mit eigenen Augen natürlich. Für den Fall des Falls wird ein Schlepper bereitgehalten. Mit einem dicken Tau in der Schiffsschraube kann keiner rechnen.

Fazit zu später Stunde: letztlich alles gut gelaufen. Durchatmen. Am Sonntag steht noch eine Sicherheits- und Abschlussbesprechung aller Beteiligten auf dem Programm. Jetzt spielt auch das Wetter mit. Das Hupen der Schiffe ist bis in die Hamburger Innenstadt zu hören. Erste Gespräche für die Cruise Days 2019 und sogar 2021 wurden bereits geführt.