Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) führt eine Jamaika-Koalition an. Für den Bund wünscht er sich aber ein anderes Modell. Heute hat er seinen Antrittsbesuch bei Bürgermeister Olaf Scholz

Jamaika in Schleswig-Holstein: Die neue Kieler Koalition hat in den vergangenen Wochen bundesweite Beachtung gefunden. Viele Medien befassten sich intensiv mit der Frage, ob die Kombination aus CDU, Grünen und FDP auch ein Modell für den Bund sein könnte. Und der Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) erntete viel Lob für sein Verhandlungsgeschick, das die erste Jamaika-Koalition des nördlichsten Bundeslandes erst möglich gemacht hat. Die bisherige Arbeit der drei Regierungspartner lässt allerdings noch nicht den Schluss zu, dass die Menschen im Norden von einer erfolgreichen Koalition regiert werden. Die Sommerpause nutzten die „Jamaikaner“ zunächst dazu, sich vom Landtagswahlkampf zu erholen und Kraft für den Bundestagswahlkampf zu schöpfen. Am vergangenen Dienstag ging es dann ans Regieren. In der ersten Sitzung nach der Pause beschloss das Kabinett, das Waldgesetz zu ändern, um die rechtliche Situation von Waldkindergärten zu erleichtern. Ein Problem gelöst, aber das drängendste war es sicher nicht.

Zugleich zogen am bisher sonnigen Koalitionshimmel erste Wolken auf. Zwischen Wolfgang Kubicki (FDP) und Monika Heinold (Grüne) hat es bereits geknirscht. Auch CDU und FDP haben einen Streitpunkt gefunden. Es geht um die bisher nur geplante Umgehungsstraße für Ratzeburg. Klaus Schlie, örtlicher Landtagsabgeordneter und zugleich Landtagspräsident, attackierte den FDP-Verkehrsminister Bernd Buchholz – er solle nicht „öffentliche Kapitulationserklärungen“ abgeben. Die FDP konterte. Schlies Äußerungen seien „hoffentlich nicht stilbildend“ für die neue Koalition – ­„ansonsten könnte dies schnell zum Bumerang werden“.

Herr Günther, ist das am 24. September nun eigentlich eine Bundestagswahl – oder ist es nicht doch eine Automotorenwahl?

Daniel Günther: Es ist eine Bundestagswahl. Aber es ist auch vollkommen logisch, dass das Thema Automobile der Zukunft dabei definitiv eine Rolle spielt. Die Automobilindustrie ist für Deutschland einfach viel zu wichtig.

Ich habe die CDU/CSU-Position in dieser Frage nicht ganz verstanden. Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel will die Verbrennungsmotoren langfristig abschalten, der CSU-Chef Horst Seehofer hingegen setzt weiter auf diese Antriebsart und bezeichnet alles andere als „Hexenjagd gegen das Automobil“. Blinkt die CDU/CSU zeitgleich links und rechts?

Nein. Das wäre im Straßenverkehr nicht nur unüblich, sondern gefährlich. Klar ist, dass wir die Verbrennungsmotoren in den nächsten Jahrzehnten noch brauchen werden. Die Dieseltechnik hat ja auch Vorteile, sie hat etwa geholfen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Jetzt ist die Industrie gefordert, brauchbare Lösungen zu entwickeln. Sie muss das Vertrauen in diese Technik wiederherstellen. Auf der anderen Seite ist es richtig, langfristig auf andere Antriebsformen als die Verbrennung zu setzen.

Wird es in Städten wie Kiel bald Fahrverbote für Dieselfahrzeuge geben?

Ich hoffe, dass wir ohne solche Verbote auskommen. Deshalb müssen wir alles daransetzen, dass Grenzwerte eingehalten werden. Ich habe dazu eine Initiative gestartet, die dazu führen könnte, dass in Hafenstädten wie Kiel die Luftbelastung deutlich sinkt. Wenn wir die Rahmenbedingungen für die Landstromversorgung verbessern, müssen Seeschiffe im Hafen nicht länger ihre Maschinen laufen lassen.

Sie haben sich in Sachen Landstrom an die Bundeskanzlerin gewendet. Was soll sie tun?

Landstrom ist derzeit wegen der EEG-Umlage noch viel zu teuer. Deswegen wird diese Möglichkeit von den Reedern nicht genutzt. Es gibt allerdings einige energieintensive Branchen, die von der Umlage befreit sind. Beim Landstrom gäbe es aus meiner Sicht die Möglichkeit, mit einer solchen Befreiung gezielt in eine ökologische Verbesserung zu investieren. Ich hoffe auf eine gute Lösung in möglichst kurzen Schritten.

Nun ist nicht nur der Strom teuer. Auch die Landstromanlagen kosten viel Geld. Erwarten Sie finanzielle Unterstützung von der Bundesregierung?

Ich will die Diskussion nicht damit belasten, gleich am Anfang zu viele Detailforderungen zu stellen.

Derzeit ist auf der politischen Bühne ein etwas kurioses Interview-Spielchen zu beobachten. Kaum sagt ein Politiker, dass es die schleswig-holsteinische Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP auch im Bund geben könnte, sagt ein anderer genau das Gegenteil. Wie ist Ihre Einschätzung?

Jamaika ist eine Chance in den Ländern wie im Bund. Im Bund ist es von den Themen her schwieriger als in den Ländern, da gibt es größere Hürden. Deshalb werbe ich nicht offensiv dafür. Ich glaube, auf Bundesebene wäre ein Zwei-Parteien-Bündnis besser – am besten eines, das nicht erneut eine große Koalition wäre. Schön wäre es, wenn es eine Mehrheit für CDU und FDP gäbe.

Und dann würde Wolfgang Kubicki, Ihr Koalitionspartner von der FDP, Bundesfinanzminister werden – und Sie hätten einen guten Draht ins Finanzministerium ...

Ich habe von diesen Ambitionen gelesen. 2012 wollte er auch mal Landesfinanzminister werden. Aber ich will mich nicht zu Postenverteilungen äußern. Ich wünsche mir eigentlich eher, dass Wolfgang Kubicki in Kiel bleibt.

Sie selbst haben unlängst auch Ambitionen anklingen lassen und sich gemeinsam mit Jens Spahn in die CDU-Bundeskanzlerreserve einsortiert. War das ein medialer Versuchsballon, oder schwebt Ihnen das tatsächlich als Karriereweg vor?

Ich bin jetzt seit zwei Monaten Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Ich denke null Komma null daran, etwas zu ändern. Ich will meine erste Wahlperiode als Ministerpräsident erfolgreich gestalten. Und dann will ich wiedergewählt werden. Aber ich halte es schon für wichtig, dass die Menschen in Deutschland wissen, dass es in der Union neben Angela Merkel weitere Persönlichkeiten gibt, die Politik gestalten können. Wenn es nicht mein Anspruch wäre, in der Bundespolitik eine Rolle zu spielen, würde ich dem Land Schleswig-Holstein einen denkbar schlechten Dienst erweisen.

Wie ist Ihr Bild von Angela Merkel, der Frau, die sich anschickt, den vierten Wahlkampf in Folge für die CDU/CSU zu gewinnen und zum vierten Mal Bundeskanzlerin zu werden?

Sie ist unglaublich diszipliniert. Sie hat auch nach diesen nun doch schon ziemlich vielen Jahren im Amt eine Power, die ich so noch nie bei einem Menschen erlebt habe. Sie ist stets auf das Wesentliche fokussiert. Das ist wirklich beeindruckend. Es ist bei ihr gepaart mit einer bescheidenen Art des Auftretens, Dekadenz ist ihr vollkommen fremd. Ich bewundere das sehr.

Haben Sie sich etwas abgeguckt bei ihr?

Sie macht Politik ganz nüchtern und verzichtet vollkommen auf persönliche Schärfen. Das habe ich mir schon abgeguckt, ja.

Die Bundeskanzlerin hat eine Kommission zum Thema Flüchtlinge ins Leben gerufen, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ist auch dabei. Die Kommission schlägt vor, auch die nur geduldeten Flüchtlinge etwa aus Afghanistan in Zukunft besser zu fördern. Ihre Position war es bislang, Flüchtlinge aus Afghanistan schneller abzuschieben. Bleiben Sie dabei?

Ich möchte, dass Menschen, die nach Deutschland kommen, möglichst schnell wissen, ob sie bleiben können oder nicht. Alle anderen Probleme sollten nicht übers Asylrecht, sondern über ein modernes Zuwanderungsgesetz gelöst werden.

Darüber wird schon seit Langem debattiert. Warum haben wir es noch nicht?

Weil die CDU nicht in allen Teilen erkannt hat, welche Chancen darin liegen. Ich freue mich darüber, dass es da jetzt einen Sinneswandel gegeben hat. Das Zuwanderungsgesetz steht nun im CDU-Wahlprogramm. In der nächsten Wahlperiode wird in Deutschland ein Zuwanderungsrecht geschaffen werden.

Wie soll das aussehen?

Es muss klare Definitionen enthalten, wen wir nach Deutschland holen wollen. Wir werden den Fachkräftemangel nicht dadurch lösen können, dass wir den Frauen in Deutschland sagen, sie müssten mehr Kinder bekommen. Das Zuwanderungsrecht schafft eine Zuwanderungsmöglichkeit für Menschen, die wir brauchen.

An diesem Freitag machen Sie Ihren Antrittsbesuch beim Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Wollen Sie die geplante Gefängniskooperation beerdigen?

Das werde ich nicht tun. Ja, wir haben Probleme bei der geplanten Gefängniskooperation. Aber sie ist nicht beendet. Wir müssen darüber sprechen, wie sich die Probleme klären lassen. Ich habe ein Rieseninteresse daran, dass die Kooperation zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein mit deutlich mehr Leben erfüllt wird. Wir treten hier leider seit vielen Jahren auf der Stelle. Da muss mehr Bewegung rein. Da geht es nicht nur um die Zusammenarbeit bei Gefängnissen, es geht weit darüber hinaus. Dazu gehört zum Beispiel die Entsorgung Hamburger Hafenschlicks, dazu gehört auch die Zukunft des Kohlekraftwerks Wedel. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam zu einer Entscheidung kommen, dieses Kraftwerk endlich vom Netz zu nehmen.