harburg. Militanten Krawallmachern drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis wegen schweren Landfriedensbruchs

Der Sünder kam sofort zur Sache: „Mama, ich habe Scheiße gebaut.“ Der Anruf erreichte die Mutter beim Frühstück in Schnelsen, ihr Sohn rief aus der Gefangenensammelstelle (Gesa) an, eigens eingerichtet in einem ehemaligen Verbraucher-Großmarkt in der Harburger Schlachthofstraße.

Der 17-Jährige zählte zu den Tätern, die in der Nacht von Freitag auf Sonnabend bei den schweren Schanzen-Krawallen festgenommen wurden. Polizisten hatten ihn mit einer Tüte mit Kleidung in der Nähe eines geplünderten Geschäfts erwischt und zur Gesa transportiert.

„Wie kann man als angehender Abiturient nur so dämlich sein“, schimpfte die Mutter, die ihrem Sohn streng verboten hatte, die Schanze in den Gipfel-Tagen zu besuchen. Doch offenbar war die Neugier, auch mal was zu erleben, größer. Immerhin nahm ihm der Kripo-Beamte seine Version der Tat ab, der junge Mann durfte am Mittag die Zelle wieder verlassen. Ihn erwartet nun eine Anzeige wegen Diebstahls.

Vielen anderen Festgenommenen werden ungleich schwerere Straftaten vorgeworfen. Unter anderem mussten sich vor dem Amtsgericht, als Nebenstelle direkt auf dem Gelände untergebracht, Verdächtige verantworten, die aus einer Menschenmenge heraus Polizisten mit Steinen oder Flaschen angegriffen haben sollen. Der Vorwurf lautet dann nicht nur auf gefährliche oder versuchte gefährliche Körperverletzung. Hier geht es auch um Landfriedensbruch, bei dem Haft bis zu drei Jahren droht, in besonders schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren. Intern rechnet man mit einer zügigen Anklage, das Beweismaterial sei durch die exzellente Videoqualität in vielen Fällen sehr gut.

„Die Kollegen haben sehr viel zu tun und arbeiten unter Volldampf“, sagte Kai Wantzen, Pressesprecher der Hamburger Strafgerichte am Sonntag. Von 107 Verfahren, in denen es um Untersuchungshaft ging, sprachen die Richter in 57 Fällen Haftbefehle aus. Bei den anderen 50 wurde zwar ein Haftbefehl abgelehnt, jedoch fast immer eine Ingewahrsamnahme ausgesprochen, der Verdächtige blieb also in der Regel bis zum Sonntagabend in der Gesa. Die acht Richter arbeiteten am Sonntag noch bis 23 Uhr Fälle ab.

Der Anwaltliche Notdienst, ein Zusammenschluss linker Juristen, kritisierte, dass der Zugang zu den Festgenommenen erschwert sei. Angeblich würden Grundrechte verletzt.

Am Sonntag bekundeten etwa 1000 Demonstranten ihre Solidarität mit den Festgenommenen, beleidigten bei ihrem Zug durch die Harburger Innenstadt zur Gesa Polizisten mit Sprechchören. Die Demo verlief jedoch ohne Randale.

Für den jungen Mann aus Schnelsen dürften die kommenden Tage trotz der schnellen Freilassung unerfreulich werden. Als ein Kripo-Beamter die Mutter ermahnte, dass ihr Junge sich auf keinen Fall mehr in den nächsten Stunden in der Schanze sehen lassen sollte, sagte sie: „Keine Sorge, der hat sowieso vorerst Einzelhaft.“