Hamburg. Die Zweite Bürgermeisterin (Grüne) fordert Konsequenzen aus dem G20-Desaster und geht auf Distanz zum Koalitionspartner Olaf Scholz

Noch während des Gipfels ging die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) auf Distanz zur Entscheidung, G20 in Hamburg auszurichten. Im Interview spricht sie über die Krawalle und die politischen Folgen.

Müssen Sie sich bei den Hamburgern entschuldigen, für das, was Sie ihnen zugemutet haben?

Katharina Fegebank: Entschuldigen bei den Hamburgern müssen sich diejenigen, die Teile der Stadt in Schutt und Asche gelegt haben mit blankem Hass.

Der Bürgermeister hat den Bürgern für den Senat vor dem Gipfel ihre Sicherheit garantiert und gesagt, viele würden kaum etwas merken. Wurden die Hamburger vorab getäuscht, oder hat der Senat bei der Umsetzung seiner Versprechen versagt?

Es hat in der Vergangenheit G20-Gipfel in demokratischen Großstädten wie Brisbane, Pittsburgh oder London gegeben. Überall hat man es hingekriegt. Wir sind davon ausgegangen, dass wir das mit dem größten Polizeieinsatz, den wir je hatten, auch bei uns schaffen würden.

Eine brutale Fehleinschätzung.

Wir hatten es mit einer brutalen Gewaltmafia aus ganz Europa zu tun, die in anderer Leute Städte einfällt, um sie zu zerstören. Das war in diesem Ausmaß ein neuer trauriger Höhepunkt der Gewalt. Für mich war das eine Art „Fuku­shima-Moment“. Ich weiß noch, dass Angela Merkel damals kritisiert wurde, als sie nach dem Reaktorunglück den Atomausstieg ermöglichte. Ich hingegen dachte schon da: Man muss in der Politik dazulernen und Einschätzungen korrigieren können. Die zügellose Gewalt hat mich sprachlos gemacht, und ich bin der Überzeugung, dass man Lehren daraus ziehen muss. Deswegen bin ich am Freitag auch nicht in das Elbphilharmonie-Konzert gegangen.

Was ist denn Ihre Lehre?

Wir haben immer Bedenken gegen den Standort Messehallen geäußert. Aber wir haben es akzeptiert, als die Kanzlerin dort G20 veranstalten wollte, und gesagt: Dann machen wir das Beste draus. Es wird schon gehen. Nun wissen wir, dass es nicht geht. Der G20-Gipfel muss so gesundgeschrumpft werden, dass er sich auch an Orten durchführen lässt, wo Anwohner besser geschützt und Gewalttäter besser gefasst werden können.

Monatelang waren Sie ein wenig dafür und ein wenig dagegen. Warum fällt es Grünen so schwer, eine klare Haltung einzunehmen?

Ich finde unsere Haltung klar. Zusammenarbeit der G20 ist wichtig – aber nicht an so einem Ort. Wir bekommen oft von zwei Seiten Vorwürfe. Manchen sind wir nicht kritisch genug, anderen zu kritisch. Das könnte heißen, dass wir für eine Politik der gesunden Mitte stehen.

Die Grünen haben sich für die Errichtung der Camps eingesetzt. Aus denen sind laut Polizei Gewalttäter zu Plünderungszügen gestartet. Grüne haben lange eher nachsichtig auf linke Radikale geblickt. Haben Sie sich für die Folgen etwas vorzuwerfen?

Ich denke, dass wir eine gute Lösung für die Camps gefunden und Gerichtsentscheidungen umgesetzt haben. Dass Grüne nachsichtig mit radikalen Gewalttätern sind, kann ich nicht erkennen. Die Ablehnung von Gewalt als Mittel des Protests ist Grundlage grüner Politik.

Muss es Konsequenzen im Umgang mit der linken Szene, etwa der Roten Flora, geben?

Sicher müssen wir politische Lehren ziehen. Dazu gehört zuerst eine genaue Analyse. Klar ist, dass diejenigen, die zu Demonstrationen einladen, die so enden, dafür eine Verantwortung tragen.

Wo waren Sie während der Krawalle?

Ich hatte ja zunächst auch Aufgaben im Rahmen von G20. Am Freitagabend bin ich spät nach Hause gegangen. Sonnabend habe ich selbst demonstriert. Am Sonntag war ich in der Schanze und habe mit Anwohnern gesprochen. Und natürlich habe ich mich über all die Tage dauernd über die aktuelle Lage informiert.

Sind Ihre Distanzierungen vom Bürgermeister in dieser Krise nicht unsolidarisch und auch eine Gefahr für die Koalition?

Wir arbeiten vertrauensvoll mit der SPD zusammen. Deswegen verträgt diese Koalition es auch, wenn man nicht bei jedem Thema einer Meinung ist.

Sie fordern eine Aufarbeitung. Stimmen die Grünen einem Untersuchungsausschuss zu?

Darüber zu entscheiden ist Sache der Bürgerschaft, nicht meine.

Werden die rot-grüne Koalition und Olaf Scholz diese Krise politisch überleben?

Ja.