Wie Medien aus Europa und Amerika über die anarchischen Zustände am Rande des G20-Gipfels berichten und wie sie sie kommentieren

Zeitungen aus dem In- und Ausland haben in ihren Print- und Online-Ausgaben umfassend über die Gewalt auf den Straßen Hamburgs berichtet. „G20-Proteste erfassen Hamburg, und Dutzende sind verletzt“ titelte die „New York Times“ auf ihrer Webseite. „Schneise der Verwüstung“ schrieb die britische „Sun“, und „Le Soir" aus Frankreich überschrieb ihren Online-Beitrag „Die Polizei ging mit Warnschüssen vor“. Der niederländische „De Telegraaf“ erschien am Sonnabend mit der Schlagzeile „Freiheit missbraucht – anarchistische Horde zieht Spur der Verwüstung“. Auch in ihren Kommentaren verurteilten die Medien die Krawalle rund um den Gipfel weitgehend einhellig.

Corriere della Sera (Italien): Der Gipfel von Hamburg schließt mit einem Debakel für die deutschen Polizeikräfte, die es nicht geschafft haben, Sicherheit auf der Straße zu gewährleisten. Das könnte sich in ein politisches Problem für Angela Merkel verwandeln.

La Repubblica (Italien): Das Herz eines Hamburgs, das sich seit drei Tagen im Kriegszustand befindet, ist die Geisel des Terrors. Zwischen den Vierteln Sternschanze, Altona und St. Pauli brandschatzen Tausende G20-Gegner die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Die digitale Generation, die von einer weniger unfairen Globalisierung träumt, blutet plötzlich aus einer Vene, die von einer alten Gewalt durchlöchert ist, die sie weder verstehen noch aufhalten kann. Doch in den Restaurants, Supermärkten und Geschäften, die von Tausenden (...) jungen Leuten zerstört wurden, sind keine Politiker zu finden. Es gibt keine dominierende politische Idee, keine gemeinsamen Ziele, keine historische Ideologie, kein rechts und kein links. (...) Jede Gruppe (...) kämpft ihre eigene Schlacht.

De Telegraaf (Niederlande): Demonstrationsfreiheit ist ein wichtiges Recht, das es zu schützen gilt, in Hamburg jedoch schwer missbraucht wurde. Ein harter Kern von Demonstranten, selbst ernannte Autonome, ist der Ansicht, dass die Anwendung von Gewalt nicht allein dem Staat vorbehalten ist. Sie meinen mit anderen Worten, sie hätten das Recht, um sich zu schlagen und das Eigentum anderer zu zerstören. Pardon, aber wenn alle Interessengruppen ihre Standpunkte mit Gewalt geltend machen, dann ist dies das Ende sowohl der Demokratie als auch des Rechtsstaats.

Adevarul (Rumänien): Sicher ist dies noch nicht einmal annähernd mit der alten und sanften Tradition der Hippies aus der Flower-Power-Zeit vergleichbar. Nein (...) Dies ist ein Aufruf zum Kampf gegen den Kapitalismus, der den Wunsch nach dem Endsieg einer anderen Gesellschaftsordnung voraussetzt, die wir (im ex-kommunistischen Block) am eigenen Leibe erfahren haben und deren Folgen wir ermessen können. Kann uns diese Erfahrung aber immun machen vor solchen Phänomenen (wie in Hamburg)? Ganz und gar nicht, falls G20 die Organisatoren (der Krawalle) in möglichen künftigen Episoden in Mittel- und Osteuropa andere Themen zur Mobilisierung finden (...) Vorläufig ist dies die Geschichte anderer. Gott möge uns davor beschützen, dass es irgendwie, unter dem einen Slogan oder dem anderen, auch unsere Geschichte wird.

Frankfurter Rundschau: Wer Autos anzündet, ist (...) ein Straftäter und muss von einem Rechtsstaat entsprechend behandelt werden. Die Polizei aber hat die Aufgabe, diesen Rechtsstaat zu verteidigen, und zwar nicht nur, indem sie Straftäter verfolgt. Sondern vor allem auch, indem sie den Anspruch der Strafverfolgung gegen die Freiheitsrechte abwägt, die dem Zündler egal sein mögen, dem Beamten und dem Politiker aber niemals egal sein dürfen. Man könnte auch sagen: Die Polizei ist dafür da, zu den Guten zu gehören. Wenn sie die Kriegsspielchen mitspielt, und sei es nur rhetorisch, dann hat sie vor diesem Auftrag versagt.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: Eine kleine Gruppe entwurzelter Straftäter hat Teile Hamburgs terrorisiert und dabei versucht, Polizisten zu töten oder zumindest schwer zu verletzen. (...) Trotzdem werden ihre Straftaten in linken Kreisen gedeckt: Radikale Sympathisanten, reiche Salonkommunisten bis hin zur Linken-Vorsitzenden Katja Kipping deuten diesen Terror um. Sie geben der Mordlust ein politisches Gewand und kriminalisieren jene, die das Schlimmste verhindern wollen. Als es in Hamburg losging, sagte Kipping: „Die Polizeiführung lässt ihre Hundertschaften mit schwerem Gerät durch die Straßen der Hansestadt marodieren und schikaniert Menschen, die es wagen, Bier zu trinken oder im Zelt zu schlafen.“ So und ähnlich wird das Geschehen konsequent bagatellisiert – so wie manche Prediger den salafistischen Terror bemänteln oder wirre Abendländer rechtsextreme Gewalt.


Rheinpfalz am Sonntag
(Landau): Die Bundesregierung trägt Mitverantwortung dafür, dass es den Hamburger Gipfel überhaupt gegeben hat. Er sollte schöne Bilder produzieren, hilfreich in Merkels Wahlkampf. Stattdessen hat er hässliche Fratzen in die Welt gesendet.

Lübecker Nachrichten: Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus, hat Olaf Scholz Kritikern des Großstadtgipfels entgegnet. Dieser Satz fällt ihm jetzt vor die Füße: Seine Sicherheitsbehörden und er haben offensichtlich die Lage völlig falsch eingeschätzt. Sie haben die Mächtigen der Welt bewacht und waren machtlos, als vagabundierende Horden die Kontrolle über Teile des Schanzenviertels übernahmen. Der Aufwand, Gipfelgeschehen und Delegationen zu schützen, war so groß, dass Tausende Polizisten (...) an der Belastungsgrenze arbeiten. Wenn nun als Folgerung aus den Krawallen noch mehr Polizeischutz verlangt wird, dann kann die Konsequenz nur lauten: kein Gipfel mitten in einer Großstadt.

Stuttgarter Nachrichten: Es verbietet sich bei der Bewertung der Ausschreitungen in Hamburg bislang noch eine Betrachtung in Schwarz und Weiß. Zunächst ist es einfach nur traurig und bestürzend, was da geschah und immer noch geschieht. Auf der einen Seite kann einem niemand erzählen, dass der gewalttätige Arm der Linksextremen, der Schwarze Block, mit seinen 8000 Anhängern etwas anderes im Sinn hatte als Randale. Auf der anderen Seite wird die Einsatzleitung der Polizei erklären müssen, weshalb man so früh schon so hart reagierte. Mag sein, dass ein Showdown aus Sicht der Polizeiführung früher oder später nicht vermeidbar schien. Aber sollte der Blitzangriff der Polizei vor allem deshalb erfolgt sein, weil man die absehbare Auseinandersetzung schnell zu Ende bringen wollte, dann darf das nicht Schule machen.