St. Pauli. So haben Reporter aus aller Welt den Gipfel und die Krawalle erlebt

Die Krawallnächte erschüttern nicht nur die Hamburger, sondern auch viele der 4800 Journalisten aus 65 Ländern, die zum G20-Gipfel angemeldet waren. „Ich hatte wirklich Angst! Dabei habe ich als Reporterin in Deutschland schon viele Demonstrationen und Ausschreitungen miterlebt und journalistisch begleitet, besonders auch in Berlin, aber dies waren mit Abstand die schlimmsten, die ich bisher gesehen habe“, sagt Guri Norstrøm (37), Europa-Korrespondentin des norwegischen Staatsfernsehens NRK (vergleichbar mit der ARD in Deutschland).

Die engagierte TV-Reporterin aus Oslo mit eigenem Büro in der Bundeshauptstadt war in der Nacht zum Sonnabend selbst im Schanzenviertel unterwegs, hat im norwegischen Fernsehen live berichtet. Sie hat am Tag danach die verwüsteten Budni- und Rewe-Filialen fotografiert – und die Bilder auch auf ihrer Facebookseite gepostet. „Ich war sehr überrascht von dem zunächst zögerlichen Verhalten der deutschen Polizei im Schanzenviertel. Damit hatte ich nicht gerechnet“, sagt Norstrøm. Die Krawalle seien zwar erwartet worden. Doch das Ausmaß habe sie erschreckt.

Die Norwegerin: „Es tut mir so leid, dass die Randalierer so viel zerstört haben.“ Bemerkenswert sei auch, dass die gewaltorientierten Autonomen nur eine kleine Minderheit seien. Guri Norstrøm: „Die große Mehrheit der Menschen wollte in den vergangenen Tagen erkennbar friedlich demonstrieren.“

Marie Chantrait will schon im September wiederkommen

Auch Marie Chantrait (33), Reporterin des französischen Nachrichtensenders LCI, der zum größten nationalen Fernsehsender TF1 gehört, steht noch unter Schock. Dabei ist sie in ihrem Heimatland schon fast an gewaltsame Auseinandersetzungen und sogar Terroranschläge gewöhnt. Die Französin berichtet, dass sogar ihr Hotel, das Empire Riverside an der Bernhard-Nocht-Straße auf St. Pauli, am Freitag von Randalierern angegriffen wurde. Dort waren 300 Journalisten untergebracht, so auch der US-Sender CNN mit seinem großen Team.

Marie Chantrait: „Plötzlich hämmerten Vermummte mit Eisenstangen gegen die Fenster des Hotelrestaurants. Sie haben die Scheiben aber nicht einschlagen können.“ 26 Fenster wurden beschädigt. Die Frau aus Paris spricht von „Erschütterung im Hotel“ und betont: „Ich fühlte mich nicht unsicher, die deutsche Polizei hat eine gute Arbeit gemacht.“ Hotelmanager Philip Borcken­stein von Quirini kritisiert dagegen, dass die Polizei trotz mehrmaliger Notrufe erst 15 Minuten später eingetroffen sei.

Von ihrem Hotelzimmer aus habe sie aber auch friedliche Demons­tranten beobachten können, sagt Marie Chantrait. Der Schwerpunkt ihrer Berichterstattung liege trotz allem auf dem Gipfel selbst – und natürlich auf Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der sich am Sonnabend an der Alster sogar unter die Hamburger mischte. Begeistert ist Chantrait von „der perfekten deutschen Organisation des G20-Gipfels“.

Kateryna Tryfonenko (34) vom privaten Nachrichtensender „112 Ukraine“ aus Kiew kommt aus einem Bürgerkriegsland. Sie stand im Medienzen­trum in den Messehallen fast rund um die Uhr vor der Kamera, aber von Hamburg und den Krawallen habe sie bisher nur in den Berichten der Nachrichtenagenturen und der Zeitung gelesen. Die Ukrainerin: „Hier drin kriegt man ja außer dem Hubschrauberlärm nicht viel mit.“ Auf dem Weg vom Flughafen zur Messe habe sie nur viele bewaffnete Polizisten gesehen, was die Reporterin aus Kiew nicht zu überraschen scheint. Allerdings hoffte sie, vor ihrer Abreise am Sonntag noch den Hafen und den Michel sehen zu können. „Dann werden die Ausschreitungen ja hoffentlich vorbei sein!“

Jia (33), die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, berichtet für das Staatsfernsehen China Central Television (CCTV) aus Hamburg. Die freundliche junge Frau hat trotz der Ausschreitungen, über die sie aus dem schwer bewachten Medienzentrum in der Messe berichtet, nur lobende Worte für Hamburg übrig. Auf die Frage, wie sie die Lage wahrnimmt, antwortet sie lediglich: „Ich mag Hamburg sehr! Es ist eine wunderschöne Hafenstadt.“ Sie sei am Sonnabend nur von 8 bis 22 Uhr in der Stadt gewesen – und habe außer viel Polizei nicht viel gesehen. Jia verrät aber, was für eine deutsche Spezialität sie auf dem Weg zu einem Interview in der Hansestadt probierte: „Schweinshaxe.“

Auch Guri Norstrøm wird Hamburg trotz der schlimmen Krawalle in guter Erinnerung behalten: „Ich berichte über das Reeperbahn Festival im Herbst und habe auf St. Pauli schon eine Kiez-Reportage über Prostitution gedreht, die bei uns in Norwegen verboten ist.“ Außerdem liebt sie „die frische Seeluft, die mich an mein Heimatland erinnert“.

Marie Chantrait kommt im September ebenfalls wieder – um Hamburg privat zu entdecken und hier endlich ein ganz normales Wochenende zu erleben.