Harburg. Wer festgenommen oder zur Verhütung von Straftaten in Polizeigewahrsam genommen wird, kommt in Container-Zellen. Gericht entscheidet. Anwälte kritisieren Polizei

Die Protestnote ist vom Format her eher dezent. Doch schon der Standort zeigt, was der Autor der kurzen Notiz von G20 hält. Auf einem leuchtend roten Abfallbehälter hat jemand den Aufkleber hinterlassen: „Gesa ist ein repressiver Knast!!! No G20!“ heißt es dort. Doch ansonsten ist von einem ­Unwillen in Sachen Gipfel bei der Gefangenensammelstelle (Gesa) an der Schlachthofstraße in Harburg sowie an der benachbarten Außenstelle des Amtsgerichts kaum etwas zu spüren.

Hunderte Polizeibeamte in voller Montur und mit Helm und Schlagstock ausgerüstet, die das Gelände sichern, brauchen zumindest am Donnerstag und den Freitag über nicht einzugreifen: Denn die heftigen Proteste finden woanders statt.

Teilweise ungefähr im Stundentakt fahren in Kolonnen Mannschaftswagen der Polizei unter Blaulicht bei der Gesa vor, um Festgenommene dort abzuliefern. Dann öffnet sich für einen Moment das Tor zu dem mit einem hohen Zaun sowie mehreren Rollen Natodraht gesicherten Areal, damit die Wagen passieren können. Hier übergeben die Beamten die Festgenommenen ihren Kollegen auf der Gesa, hier werden die Gefangenen zentral registriert beziehungsweise identifiziert, hier befinden sich auch die Container mit den Zellen für die Festgenommen sowie weitere Container mit Vernehmungsräumen.

Besteht aus Sicht der Polizei beziehungsweise der Staatsanwaltschaft die Notwendigkeit, den Verdächtigen in Gewahrsam oder in Untersuchungshaft zu nehmen, wird der Festgenommene später dem Amtsgericht übergeben, wo eine Anhörung vor einem Richter stattfindet. Dieser entscheidet dann, ob der Verdächtige in Untersuchungshaft kommt beziehungsweise eine Ingewahrsamnahme notwendig ist. Anders als die Untersuchungshaft, die bei bereits begangenen Straftaten greift, wird eine Ingewahrsamnahme ausgesprochen, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass eine Straftat noch verübt werden soll.

Vor Gericht wird dann etwa über Fälle wie den eines Mannes entschieden, der als Demonstrant zu G20 angereist war und von der Polizei festgenommen wurde: Der Protestler war mit Polizisten aneinandergeraten und hatte einen Platzverweis erhalten. Als er später an derselben Stelle wieder auftauchte, ergab sich erneut ein Streit mit der Polizei. Daraufhin wurde der Mann festgesetzt. Polizisten hatten eine Äußerung von ihm so interpretiert, als wolle er später auf die Beamten „Steine schmeißen“ – und ihn festgenommen, um eine solche Tat zu verhindern. Doch der zuständige Richter kam nach Anhörung des Verdächtigen zu dem Schluss, dass die Drohung eher nicht so ausgesprochen wurde. Der Festgenommene wurde daraufhin entlassen.

Darüber hinaus wurden auch beispielsweise Fälle wegen Angriffen von Demonstranten auf Polizisten entschieden. Von Donnerstag bis zum späten Freitagabend wurden insgesamt 83 Personen vorläufig festgenommen, gegen acht von ihnen hat ein Richter Haftbefehle erlassen. 19 Menschen wurden in Gewahrsam genommen, für sieben von ihnen wurde eine längerfristige Ingewahrsamnahme angeordnet.

Aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes hat die Polizei bei dem Umgang mit den Festgenommenen in der Gesa die anwaltliche Tätigkeit „erheblich behindert“. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag sei es durch Polizeibeamte zu einer „Verhinderung der Kontaktaufnahme“ gekommen, sagte Rechtsanwalt Matthias Wisbar, Sprecher des Anwaltlichen Notdienstes. „Das ist ein offener Rechtsbruch“, so Wisbar. Teilweise habe es „stundenlange Verzögerungen“ wegen angeblich unklarer Personalien gegeben. Von der Polizei gab es dazu bis zum Abend keine Stellungnahme. „Heute Nacht ging so gut wie nichts“, ergänzte Wisbars Kollegin Waltraut Verleih. Anwälte hätten per Fax Anfragen gestellt, die „über sechs bis acht Stunden unbeantwortet blieben“, sagte Verleih. Im Verlauf des Freitags habe sich die Situation indes deutlich verbessert, betonte die Anwältin.

Davon unabhängig kam der Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, Otmar Kury, am Freitagnachmittag zum Amtsgericht nach Harburg, um sich einen Eindruck zu verschaffen. „Nach einer Besichtigung des Amtsgerichts“, so Kury, „kann ich feststellen, dass die Voraussetzungen für einen prozessordnungsgemäßen Ablauf aus Sicht der Anwaltschaft gegeben sind.“