Am Freitagmorgen randalieren Vermummte im Hamburger Westen. An der Elbchaussee gehen Autos in Flammen auf, ein Konsulat wird attackiert. Die Angst ergreift die Elbvororte, Ladeninhaber verrammeln Geschäfte

Das war ein Mordanschlag, ganz klar“, sagt Marcus Reinberg fassungslos. Der Honorarkonsul der Mongolei steht in seinem Büro an der Elbchaussee, zeigt auf ein großes Loch in der Scheibe und auf Hunderte von Glassplittern auf Fußboden und Schreibtisch. „Die Vorhänge waren zugezogen, der Stein wurde quasi ins Dunkle geschleudert. Da hätte ein Kinderwagen stehen können“, sagt der besonnen wirkende Rechtsanwalt mit unterdrücktem Zorn.

Um genau 7.34 Uhr habe der faustgroße Stein die Scheibe durchschlagen – und zwar genau an der Stelle, wo Reinberg seinen Büroplatz hat. In dem Haus an der Elbchaussee sind noch zwei weitere Konsulate untergebracht, auch das des Senegals, der Teilnehmer am G20-Gipfel ist. In einem Handyvideo ist zu hören, wie die vermummten Angreifer mehrmals „Konsulat“ rufen – für Reinberg ein Beleg dafür, dass die Villa gezielt angegriffen wurde. In der Tat blieben die Nachbarhäuser unbeschädigt. Aber auf den Wegen und Straßen sind deutliche Brandspuren zu erkennen.

Randalierer hinterlassen eine Spur der Verwüstung

Reinbergs Büronachbar Kami B. hatte die Krawalle aus nächster Nähe erlebt. Jetzt sitzt er draußen auf der Treppe, berichtet ärgerlich, aber relativ gelassen. „Unsere Nachbarin wollte die Typen filmen, die sich an ihrem Auto zu schaffen machten, da wurde sie getreten. Ich bin hingerannt und habe einen Brandsatz unter dem Auto weggetreten. Alles ging wahnsinnig schnell.“ Die Frau habe die Stadt aus Angst nun verlassen. Kami B. zeigt Fotos, aufgenommen mitten in einer Gegend, die als ruhig und wohlhabend gilt: Ein dicker, scharfkantiger Stein, ein Brandbeschleuniger und Autos in Flammen sind zu sehen.

Marcus Reinberg erhebt schwere Vorwürfe: „In Hamburg ist man nicht in der Lage, kleinere Konsulate zu schützen. Was für die großen gilt, hat bei uns keine Bedeutung.“ Auf eigene Kosten beschäftige er jetzt einen Sicherheitsdienst, am Nachmittag soll ein Bauzaun vor dem Grundstück errichtet werden. Abschottung als Schutzmaßnahme, die Angst erreicht die Elbvororte.

Reinberg wirft der Stadt eine Fehleinschätzung der Lage vor, es habe „ewig“ gedauert, bis sich Uniformierte blicken ließen. Auch andere Anwohner bestätigen, dass die Polizei erst nach 55 Minuten vor Ort war. Laut Polizei habe es länger gedauert, da eine andere Dienststelle den Einsatz übernommen habe. 55 Minuten weist man zurück.

Die Randalierer kamen laut Zeugenberichten aus westlicher Richtung, formierten sich schnell und zogen gen Altonaer Rathaus. Dabei hinterließen sie eine Spur der Verwüstung. Auf der Elbchaussee und in Nebenstraßen wurden Autos angezündet. Laut Polizeiangaben gingen 15 Autos in Flammen auf. Zudem wurden Fensterscheiben eingeschlagen und Bushaltestationen zerstört.

Schon einige Stunden zuvor waren die „noblen“ Elbvororte das Angriffsziel. Vermummte hatten in der Waitzstraße am Othmarscher Bahnhof gewütet. Sie attackierten am Donnerstag gezielt die Schaufenster aller Bankfilialen in der Einkaufsstraße sowie eines Maklers und größerer Unternehmensketten. Gegen 22 Uhr schlug die Gruppe zu, die laut Zeugenberichten aus etwa zehn vermummten Personen bestanden haben soll. Mit Knüppeln hätten sie die Scheiben eingeschlagen. Zudem besprühten sie die Läden mit dem „A“ für Anarchie.

Frederike de Felice, die über ihrem Eisladen Gelateria Verdi in der Waitzstraße wohnt, wurde durch ein lautes Knallen aufgeschreckt. Sie sah noch die Täter und dann, was sie mit ihrem Laden gemacht hatten. Warum Felice Ziel der Attacken wurde, weiß sie nicht. „Es ist ein Schock, man fühlt sich so hilflos – auch wenn es anderswo schlimmer war“, sagt sie. Die Schmierereien muss sie auf eigene Kosten entfernen lassen, ihre Versicherung greife nicht.

Am Nachmittag herrscht Panik an der Waitzstraße

Am Nachmittag machen Gerüchte die Runde, dass erneut 1000 Randalierer auf dem Weg seien, um gezielt Geschäfte in den „Nobelvierteln“ anzugreifen. Bei den Ladenbetreibern an der Waitzstraße liegen die Nerven blank. Für einige ist das zu viel, sie verrammeln ihre Geschäfte und gehen. Auch die drei Mitarbeiterinnen vom Friseur Rock Haar Fäller schließen nach Rücksprache mit dem Chef die Türen vorzeitig. Auf einem Schild an der Ladentür steht: „Wegen Randale-Gefahr geschlossen bis Montag. G20“. Friseurin Jessica will nach Hause zu ihrem Kind. „Man weiß nicht, was passiert, aber das ist es einfach nicht wert“, sagt sie. Auch im benachbarten Blankenese schließen am Nachmittag zahlreiche Geschäfte vorzeitig, Café-Betreiber bringen Terrassenstühle und Tische in Sicherheit.

Eisladen-Betreiberin Frederike de Felice hält dagegen. Mehr Angst als die Randalierer macht ihr, dass nun die Rufe nach mehr Sicherheit laut werden, und das zulasten der Freiheit. „Was die Randalierer bekämpfen, bewirken sie nun“, sagt sie kopfschüttelnd.