Bei den geführten Touren durch die Grünanlagen und Parks entlang des Ufers können die Teilnehmer erstaunliche Entdeckungen machen

Eine Kalkstein-Grotte an markanter Stelle am Elbufer, deren Lage und Herkunft nur Eingeweihte kennen. Ein gesperrter Steinturm mit spannender Geschichte. Eine verwunschene, idyllische Teichlandschaft mit kleinen Brücken abseits einer viel befahrenen Hauptstraße. Ein Feld mit Hunderten Wildtulpen, die Ende des 18. Jahrhunderts gepflanzt wurden und sich nach und nach vermehrt haben. Oder zwei Denkmäler in einem. Wer weiß das alles schon?

Unsere Stadt birgt ein Füllhorn kleiner und großer Geheimnisse. Man muss nur die angestammten Pfade verlassen und die Augen öffnen. Oder in Archiven und alten Büchern schmökern. Oder man schließt sich einer Gruppe unter sachkundiger Führung an, um gemeinsam Überraschendes zu entdecken.

Das gelingt ideal mit der Reihe „Elbspaziergänge“, die jetzt in die fünfte Saison geht. Bis Mitte September stehen noch 19 Termine auf dem Programm (einer am heutigen Sonnabend, siehe rechts). Die eineinhalb- bis zweistündigen Touren führen durch Parks, Grünanlagen, Wäldchen und Uferlandschaften entlang des Flusses. Organisiert und geleitet werden die Erlebnisse zwischen Altona und Tinsdaler Heide nahe der Landesgrenze von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Vereine „Hamburg – Grüne Metropole am Wasser“ und der „Freunde des Jenischparks“. Partner sind die Patriotische Gesellschaft und das Altonaer Museum.

Machen wir uns also auf den Weg.

Treffpunkt ist das Fischer-Denkmal auf dem Altonaer Balkon, der 27 Meter hoch gelegenen Aussichtsplattform mit überragendem Elbblick. „Moin!“, ruft von Weitem ein fröhlicher Herr. Es ist Hans-Peter Strenge, langjähriger Bezirksamtsleiter in Altona, ehemaliger Staatsrat und einer der besten Kenner der Elbregion – auch aus privater Leidenschaft. „Die einmalige Stadtkultur-Landschaft am Wasser führt durch eine Perlenkette privater und öffentlicher Gärten“, sagt er, quasi als Appetitmacher. „Allerorten gibt es Besonderes zu entdecken.“

Die Grotte wurde vor gut einem Jahrhundert errichtet

Ihm zur Seite stehen Barbara Engelschall, Biologin und Geschäftsführerin des Regionalparks Wedeler Au, sowie Landschaftsgärtner Karsten Ritters, als Leiter des Bauhofs Altona früher auch für den Jenischpark zuständig. Die drei zählen zu den Führern der Spaziergänge.

Los geht’s. Statt den Hauptweg Richtung Palmaille oder Elbchaussee wählen wir eine kleine Steintreppe abwärts. Nur wenige wählen diese Strecke. Zur Rechten liegt eine Grotte, die mit Eisenstäben vor Eindringlingen geschützt ist. So etwas mitten in Hamburg, wirklich erstaunlich. Die künstliche Kalksteinhöhle wurde vor gut einem Jahrhundert errichtet. Zwecks Erbauung des Volkes schoss aus ihr einst Wasser und ergoss sich kaskadenartig über die Lustgärten der Terrassen an die Elbe. Vor den Toren der Stadt pflegten wohlhabende Hamburger damals private Prachtgärten am Elbhang.

Ein paar Meter weiter, unterhalb der früheren Seefahrtschule, weckt ein Doppeldenkmal das Interesse. Die zum Rathaus Altona gerichtete Seite erinnert an den Komponisten Carl Gottlieb Bellmann, der einst die Melodie des Schleswig-Holstein-Lieds entwarf. Auf der Rückseite ist der Texter verewigt, der Altonaer Amtsrichter Matthäus Friedrich Chemnitz aus Schleswig. „Meerumschlungen deutscher Sitte hohe Wacht“, wurde in Stein gemeißelt.

Wer mag, kann sich auf der Terrasse des Rainville-Restaurants im ehemaligen Schulgebäude bei Kaffee und Kuchen Gedanken über die Historie der früher selbstständigen Stadt Altona machen. Anno 1798 eröffnete César Lubin Claude de Rainville am Elbufer das erste ­Restaurant der Gegend. Am 19. Mai steht eine Wanderung von der Rainville-Terrasse zum Rosengarten auf dem Programm.

Hans-Peter Strenge signalisiert Aufbruch. Durch den Heinepark mit bourgeoiser Villa, heute Sitz des Business Clubs Hamburg, und zwei Aussichtsplattformen sowie durch den Donners Park führt der Spaziergang weiter Richtung Rosengarten, vis-à-vis dem Landhaus Scherrer an der Kreuzung Elbchaussee/Hohenzollernring gelegen.

Donners Park, ein Gartendenkmal erster Klasse, ist eine Geschichte für sich. Karsten Ritters macht es im Sauseschritt. Im Jahr 1793 erwarben die bestens betuchten Freunde Georg Heinrich Sieveking, Johann Matthiessen und Piter Poel den Landsitz im Ort Neumühlen. Die Anlage mit Pavillons und Strohhütte entwickelte sich zu einem geistig-künstlerischen Zentrum im Großraum Hamburg. 1820 kaufte der Bankier und Konferenzrat Conrad Hinrich Donner das Anwesen. 1911 veräußerte er es an die Stadt Altona.

Wer heutzutage genau hinguckt, sieht einen Teil der Entwicklung. Denn an einem hervorragend restaurierten Gebäude, einst das Haus der Geschäftsführung, hängt eine Tafel, die auf die Gartenbauausstellung 1914 verweist. Wegen des Ersten Weltkriegs fand sie nur von Mai bis August statt und wurde von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. Mit dieser einen Ausnahme wurden alle weiteren Gebäude des Besitzes entweder während des Zweiten Weltkriegs zerstört (wie das Schloss und ein Museumspavillon) oder als hölzerne Restaurants schon im Winter 1914/15 wieder abgebaut.

Es beginnt zu nieseln. Willkommener Grund zu einem Kaffee im Jools an der Kreuzung Bernadottestraße/Fischers Allee. In aller Ruhe kommt jetzt die Biologin Barbara Engelschall zu Wort. Am 23. April machte sie mit einer botanischen Exkursion durch den Jenischpark den Auftakt des Spaziergang-Reigens. Sie zeigte auch das kleine Wunder einer blühenden Oase mit mehr als 1000 wilden Tulpen. „Einstmals befanden sich dort Privatgärten“, sagt sie.

Gut versteckt liegt die italienische Terrassenanlage

Die Blumen haben mehr als 200 Jahre überlebt und gedeihen prächtig. Was ebenfalls eine Birke betrifft, die im Stamm einer uralten Eiche gedeiht. Nahe dem Parkwärterhäuschen am Kaisertor in der südöstlichen Ecke des Jenischparks zieht sie aktuell Blicke der Besucher an. Diese „Birkeneiche“, ein Wunder für sich, ist mehr als 90 Jahre alt, die Eiche viel mehr. Um das Unikum zu erhalten, ließ es das Bezirksamt Altona mit erheblichem Aufwand abstützen.

Frau Engelschall weist auf weitere biologische Besonderheiten in den Elbparks hin. Beispiele sind Lerchensporn, der Nickende Milchstern aus der Familie der Spargelgewächse oder der Kriechende Gämswurz. Wer sich nicht besonders auskennt, ist mit einer dieser geführten Spaziergänge gut bedient. Er lernt fürs Leben.

Es gibt eine Menge mehr Wundersames zu entdecken entlang des Stroms: die verwunschene Teichlandschaft im Wesselhoeftpark zwischen Quellental und Elbchaussee, die Streuobstwiese im Westerpark ein Stück nördlich, die Lindenallee im Hirschpark oder die italienische Terrassenanlage im Römischen Garten in Blankenese, unterhalb des Polterbergs gut versteckt. Viele laufen vorbei.

Das gilt ebenfalls für den Bismarckstein und den stillgelegten Aussichtsturm aus Ziegelstein am Waseberg in Blankenese. Das urige Bauwerk wurde im Auftrag des Bankiers und Maklers Julius Richter, eines Mitbegründers der Holsten-Brauerei, wohl im Jahr 1863 errichtet. Ein zusätzlicher Geheimtipp ist das Pumpwerk am Falkensteiner Ufer, Baujahr 1859.

Und so ganz nebenbei ist bei diesem Gespräch mit den Elbe-Experten ein weiteres Detail zu erfahren: Der riesige, vor gut zehn Jahren gefällte Buchenstamm inmitten des Jenischparks mit der Inschrift „Danke Karsten“ ist ein Geschenk zu Karsten Ritters’ Verabschiedung 2007. Dankbare Mitarbeiter waren mit einer Motorsäge heimlich am Werk. Besuchern gibt dieses Kunstwerk seitdem Rätsel auf. Aber auch das wäre nun ja geklärt.