Mit 100 Auslandsvertretungen ist Hamburg einer der großen Standorte in Deutschland. 70 Honorarkonsuln werben ehrenamtlich für ihr Land

Der Schreibtisch von Bettina Rhensius-Krohn ist gut gefüllt. In ihrem Büro liegen nicht nur die Bilanzen und Steuerunterlagen des Familienunternehmens, für die die studierte Finanzkauffrau zuständig ist. Sondern auch Ordner, in denen sie ihre Korrespondenz mit der malischen Botschaft abgeheftet hat, Einladungen zu Empfängen und Planungen für den Afrikatag am 21. Juni. Dinge, die sie in ihrer Freizeit erledigt. Denn da ist Bettina Rhensius-Krohn die Honorarkonsulin der Republik Mali.

Seit gut fünf Jahren vertritt die Hamburgerin ehrenamtlich das westafrikanische Land in der Hansestadt. Immer dienstags und donnerstags von 10 bis 12 Uhr ist sie in ihrer Funktion als Konsulin in ihrem Büro An der Alster 85 erreichbar. Zu ihren Aufgaben zählen dabei vor allem die Förderung kultureller und sozialer Projekte sowie die Zusammenarbeit mit Ministerien und öffentlichen Institutionen. Sie organisiert Veranstaltungen wie den alle zwei Jahre stattfindenden Afrikatag, repräsentiert ihr Land bei offiziellen Empfängen, bearbeitet Behördenanfragen und ist Ansprechpartnerin für malische Staatsangehörige. Bei rund 150 Maliern, die, so schätzt sie, in ihrem Amtsbezirk Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein leben, nimmt diese Aufgabe jedoch am wenigsten Zeit in Anspruch. „Visa darf ich als Konsulin von Mali nicht ausstellen. Das darf allein die Botschaft in Berlin“, sagt Rhensius-Krohn.

Die Konsulin ist stolz auf „ihr“ Land: „Mali hat so viel mehr zu bieten als die Krise.“ Seit 2012 tobt dort ein bewaffneter Konflikt. Kurz zuvor bereiste Rhensius-Krohn das Land noch, bekam die ersten Demonstrationen in der Hauptstadt Bamako mit. „Es war mein erster ausführlicher Besuch in einem afrikanischen Land. Sowohl die Menschen als auch die Landschaften sind faszinierend.“ Ein Herzensprojekt ist Rhensius-Krohn die Rettung von 285.000 Manuskripten aus Timbuktu. Sie unterstützt das Projekt der Universität Hamburg, das die vor islamischen Rebellen geretteten Dokumente sichert und archiviert. „Sie sind die wichtigste Sammlung von schriftlichen Zeugnissen der literarischen Tradition Westafrikas“, so Rhensius-Krohn.

Per Zufall Honorarkonsulin von Mali

Es sei Zufall gewesen, dass sie Honorarkonsulin geworden sei, erzählt die Hamburgerin. „Mein Sohn war mit einem malischen Kind im Kindergarten befreundet. Die Eltern haben mich eines Tages für das Amt vorgeschlagen. Das war eine große Ehre für mich.“ Also bewarb sie sich bei der malischen Botschaft. „Die damalige Botschafterin wollte gern eine Frau für den Posten. Außerdem spreche ich Französisch und kenne die Arbeit, da ich mehr als 20 Jahre lang meinem Vater assistiert habe.“ Rhensius-Krohns Vater Wolfgang Krohn ist ebenfalls ehrenamtlich Konsul – seit mehr als 25 Jahren vertritt er als Honorargeneralkonsul das Königreich Thailand in der Hansestadt. Beide Konsulate befinden sich in demselben Kontorhaus an der Außenalster. Unterstützt werden Vater und Tochter von zwei Teilzeitkräften, die sich um die Angelegenheiten beider Konsulate kümmern.

Honorarkonsuln werden überall dort ernannt, wo die Einrichtung einer berufskonsularischen Vertretung zu aufwendig wäre. Denn viele Länder können sich neben einer Botschaft in der Hauptstadt Berlin kein zusätzliches Berufskonsulat leisten. Diese Länder betrauen dann Unternehmer, Wissenschaftler oder Mitglieder kultureller Verbände und Stiftungen mit dem Amt des Honorarkonsuls. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes gibt es gegenwärtig bundesweit etwa 350 Honorarkonsuln.

Doch nicht jeder kann Honorarkonsul werden. Seriosität spielt eine wichtige Rolle. Meistens handelt es sich um deutsche Staatsangehörige, die schon länger wirtschaftliche oder kulturelle Beziehungen zu dem Land pflegen, dessen Interessen sie vertreten. Und auch solvent müssen die ehrenamtlichen Auslandsvertreter sein. Denn Räume für das Konsulat sowie Mitarbeiter müssen sie selbst stellen. Auch Reisekosten und Ausgaben für Veranstaltungen, die in ihrem Amt als Konsul anfallen, sind selbst zu tragen. Denn Honorare werden – obwohl der Titel es vielleicht nahelegen mag – für die nebenberufliche Tätigkeit nicht gezahlt. Stattdessen dürfen sich die Ehrenkonsuln mit dem Titel auf ihrer Visitenkarte schmücken.

Samoas Honorarkonsul gibt Touristen gerne Reisetipps

Der Titel sei jedoch nicht seine Motivation gewesen, Honorarkonsul zu werden, sagt Ascan Silvester Pinckernelle. Wenn der ehemalige Notar von Samoa erzählt, gerät er ins Schwärmen. „Samoa ist ein Südseeparadies“, sagt er über den Inselstaat in Polynesien. „Die samoanischen Inseln wurden vor etwa 2100 Jahren von Südostasien aus besiedelt.“ Bis heute hätten die Samoaner ihre einzigartige Kultur und Lebensart – die „Fa’a Samoa“ – erhalten und pflegten einen friedlichen und respektvollen Umgang miteinander. 2008 nahm Pinckernelle das Amt als Honorarkonsul von Samoa an, gut ein Jahr bevor er als Notar in den Ruhestand ging. In den Räumen des Notariats an der Oderfelder Straße 23 hat er ein Zimmer als Honorarkonsulat eingerichtet.

„Ich wurde bereits vor Jahren von drei Honorarkonsuln gefragt, ob ich das Amt des Honorarkonsuls von Brasilien übernehmen möchte, das damals frei wurde. Doch das kam für mich nicht infrage. Zu dem Land hatte ich gar keine Beziehung.“ Allein den Inselstaat Samoa habe er sich vorstellen können. Denn der anglophile Hamburger hatte den Südpazifik fünf Wochen lang mit seiner Frau bereist. „Seitdem war ich fasziniert von Samoa und den Samoanern.“

Wenn er nicht gerade einem der sieben bis zehn in Hamburg lebenden Samoanern hilft, gibt Pinckernelle deutschen Touristen gern Reisetipps. In seiner Funktion als Konsul stattete er seinen Trauminseln, zu denen die Anreise aus Deutschland um die 28 Stunden dauert, bisher zwei Besuche ab – und blieb jeweils sechs Wochen. „So habe ich das Land hervorragend kennengelernt.“ Er traf das Staatsoberhaupt Tapua Efi, feierte zweimal mit den Samoanern deren Unabhängigkeitstag und erlebte traditionelle Riten.

„Ich habe in der Residenz des ,Head of State Tapua Efi‘ einmal eine Rede auf Samoanisch gehalten. Das war für mich eine Sache der Höflichkeit“, erzählt er und fügt schmunzelnd hinzu: „Natürlich hatte ich Hilfe bei Übersetzung und Aussprache.“

Schwedens Berufskonsulat schloss nach 378 Jahren

Unterstützung in Sachen Sprache braucht Sven Oksaar nicht. Der Hamburger Rechtsanwalt, der sowohl die schwedische als auch die estnische Staatsbürgerschaft besitzt, ist seit eineinhalb Jahren Honorarkonsul von Schweden. Damit leitet er eines der Konsulate, die in Hamburg auf die längste Tradition zurückblicken. 1630 als Berufskonsulat eröffnet, wurde es 2008 zum Honorarkonsulat umgewandelt. Seitdem ist der Amtssitz in der schwedischen Seemannskirche an der Dietmar-Koel-Straße. „Kostengründe haben damals sicherlich eine Rolle gespielt“, vermutet Oksaar. Er spricht von einem „allgemeinen Trend“, dass Berufskonsulate schließen. „Weil die Korrespondenz der Länder über Berufskonsuln heutzutage nicht mehr unbedingt nötig ist. Das gehört in vielen Bereichen zur Historie.“ In den 90er-Jahren war der Wahlhamburger selbst als Diplomat für Estland tätig gewesen, das Geburtsland seiner Eltern.

Nun widmet er sich ehrenamtlich den knapp 1100 Hamburger Schweden und fördert den Austausch zwischen der Hansestadt und Stockholm. „Vorschriften, was der Honorarkonsul genau zu tun hat, gibt es nicht. Man steht nicht unter dem Druck, Ergebnisse liefern zu müssen, sondern kann sich seinen Interessen hingeben. Mein Hauptaugenmerk liegt auf der Förderung der Wirtschaftsbeziehungen“, sagt Oksaar, der seit 15 Jahren zum Vorstand der schwedischen Handelskammer gehört.

Zehn bis zwölf Stunden pro Woche, so schätzt er, widmet er seinem Amt als Konsul. Eine genaue Abgrenzung sei jedoch schwierig. „Wenn ich zum Beispiel zum Neujahrsempfang der Bundesbank gehe, bin ich dort in meiner Funktion als Konsul? Oder als Anwalt? Oder als Vorstand der Handelskammer? In meiner Konstellation sind die Grenzen fließend.“ Bei den Berufskonsuln genießen die Hamburger Honorarkonsuln große Anerkennung. „Honorarkonsuln sind eine große Unterstützung. Viele von ihnen sind wirtschaftlich und politisch gut vernetzt. Als Deutsche kennen sie zudem das Land und die Leute“, sagt Maria Elizabeth Bogosian, Generalkonsulin von Uruguay. Als Doyenne vertritt sie das gesamte Hamburger Konsularkorps. Mehrmals im Jahr kommen alle Konsuln in der Stadt zusammen. So etwa beim traditionellen Neujahrsempfang im Rathaus oder beim feierlichen Konsulardinner, das in diesem Jahr wieder im April im Hotel Atlantic stattfinden wird.

Bogosian ist seit 21 Jahren im diplomatischen Dienst. Nach Stationen unter anderem in Bonn, den Niederlanden und Belgien leitet sie seit 2012 das einzige Berufskonsulat ihres südamerikanischen Heimatlandes in Deutschland. Uruguay ist in der Bundesrepublik neben der Botschaft in Berlin mit dem Generalkonsulat an der Hochallee und mehreren Honorarkonsulaten vertreten. Der Botschaft sind vor allem die politischen Beziehungen vorbehalten. Aber auch darin hält sich Bogosian nicht zurück. „Staatspräsident Tabaré Vázquez wollte im Februar eigentlich nur Berlin besuchen. Ich habe aber Gründe hervorgebracht, warum er auch nach Hamburg kommen sollte.“ Und Bogosians Argumentation überzeugte Vázquez offenbar, traf er sich doch zu Gesprächen mit Bürgermeister Olaf Scholz im Rathaus.

Mit 15 Bundesländern hat Bogosian einen außergewöhnlich großen Amtsbezirk. „Ich reise sehr viel durch Deutschland. Wir Berufskonsuln unterstützen im Unterschied zu den Honorarkonsuln in erster Linie unsere Landsleute. Das ist neben Kontakten zu der Wirtschaft und Kultur unsere wichtigste Aufgabe.“

Berufskonsuln stehen unter besonderem Schutz

Als Diplomatin unterscheidet sie sich in einem weiteren Punkt von ihren ehrenamtlichen Kollegen: der Amtsimmunität. Während Berufskonsuln bei Ausübung ihres Amtes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, genießen Honorarkonsuln nur eine sogenannte Amtshandlungsimmunität. Was das bedeutet, weiß die malische Honorarkonsulin Bettina Rhensius-Krohn. „Eine Mappe mit Dokumenten der malischen Botschaft dürfte der Zoll nicht durchsuchen, mein Gepäck mit Kleidung allerdings schon“, erklärt sie und fügt schmunzelnd hinzu: „Und auch den Strafzettel fürs Falschparken muss ich leider selbst bezahlen.“