Hamburg . Verfassungsrechtler: Politische Betätigung von Ausländern lässt sich beschränken

Unter welchen Voraussetzungen können ausländische Politiker hierzulande Wahlkampf machen? Grundsätzlich dürfen sich Ausländer in Deutschland politisch betätigen. Dieses Recht kann die deutsche Politik allerdings einschränken. Juristisch machbar sei das durch zwei Vorschriften, sagt Prof. Ralf Poscher, Verfassungsrechtler an der Universität Freiburg mit dem Schwerpunkt Versammlungsrecht.

Erstens heißt es in Artikel 8 des Grundgesetzes: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Die Versammlungsfreiheit ist also ein Grundrecht nur für Deutsche. „Das bedeutet nicht, dass Ausländer in Deutschland nicht an der politischen Willensbildung teilnehmen dürfen und diesbezüglich quasi Bürger zweiter Klasse sind“, sagt Poscher. „Vielmehr wollten die Mütter und Väter des Grundgesetzes verhindern, dass innenpolitische Konflikte anderer Staaten auf deutschen Straßen ausgetragen werden.“ Was aber, wenn die Versammlung nicht auf der Straße, sondern in geschlossenen Räumen stattfinden soll und privat angemeldet wurde? Das ändere nichts an der Kernaussage von Artikel 8, sagt Poscher: „Die Versammlungsfreiheit differenziert hinsichtlich der Grundrechtsträgerschaft – Jedermann oder nur Deutsche – nicht zwischen Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen.“

Das deutsche Versammlungsrecht ist sehr liberal – nur unter bestimmten Bedingungen dürfen Demos oder Wahlkampfveranstaltungen abgesagt werden, etwa wenn eine Gefahr für die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ vorliegt. Mit Blick auf Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker bringt Poscher hier eine zweite Vorschrift ins Spiel, nämlich Paragraf 47 des Aufenthaltsgesetzes. Danach kann die politische Betätigung von Ausländern beschränkt oder untersagt werden, wenn sie „das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet (...) beeinträchtigt oder gefährdet“.

Beispiel: Wenn zu befürchten wäre, dass eine geplante Wahlkampfveranstaltung wie die des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu in Wilhelmsburg bereits bestehende Konflikte zwischen Erdogan-Anhängern und Kritikern des Politikers verstärken würde, lasse sich dagegen rechtlich vorgehen. Zuständig wären die Ausländerbehörden, unter der Fachaufsicht der Landesminister. Demnach könnten in den Ländern Verbote ausgesprochen werden, sagt Poscher.

Sein Kollege Prof. Christoph Gusy von der Uni Bielefeld sieht Einflussmöglichkeiten in erster Linie beim Bund. Das wirksamste Mittel sei ein Einreiseverbot, sagt der Verfassungsrechtler. Wenn türkische Regierungsmitglieder an Versammlungen oder Veranstaltungen teilnehmen wollten, dürften sie das nur als Privatpersonen. Als Minister könnten sie sich hierzulande nicht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit berufen. Der Bund habe wiederum ein „weitgehendes Ermessen“ bei der Prüfung, wer als Privatperson einreisen dürfe.