Uwe Steinbach sieht sich nicht als arm, schließlich habe er „doch alles“

Am liebsten geht Uwe Steinbach runter zum Hafen. Schiffe gucken, die Elbe einatmen, den Kreuzfahrern hinterherträumen. Er liebt den Hafengeburtstag einmal im Jahr und die großen Pötte, die regelmäßig nach Hamburg kommen. „Ich bin am Wasser groß geworden“, sagt der 69-jährige Hamburger, der im Stadtteil Hamm wohnt. „Ich höre die Wellen schon im Bett.“

Gestern aber ist Uwe Steinbach nicht ans Wasser gegangen, sondern zur Bank und hat Geld abgehoben. Seine monatliche Rente in Höhe von 581 Euro. „Karte rein, PIN-Nummer gedrückt und zack, war das Geld da“, sagt er und lacht.

Uwe Steinbach ist ein fröhlicher Mann. Er ist schlank und wirkt auf den ersten Blick agil und kerngesund. „Raten Sie mal, wie alt ich bin.“ Anfang 60? „Im März werde ich 70“, sagt er. „Und ich will hundert Jahre alt werden.“

Es gab Zeiten, da hatte Uwe Steinbach kein Konto mehr. Und das Leben, das vor ihm lag, war nur noch mit Anlauf zu schaffen. Vor Jahren stand ihm die Caritas zur Seite. Der katholische Wohlfahrtsverband hat ihm geholfen, eine kritische Lebenssituation zu überstehen. Uwe Steinbach hatte über fünf Monate Mietschulden angehäuft, man wollte ihm Strom und Telefon abstellen und ihn schließlich auch aus der Wohnung setzen. „Ich hatte die Koffer schon gepackt und stand am Fenster, als der rettende Anruf aus der Behörde kam“, sagt Uwe Steinbach. Er spricht noch heute von einem „Sechser im Lotto“. Und er bekam den Rat, zur Caritas zu gehen. „Dort haben sie mir geholfen, mein Leben wieder in den Griff zu kriegen und die Schulden regelmäßig zurückzuzahlen.“

Wohnung, Beschäftigung, Essen – mehr braucht er nicht

Das ist auch der Grund, warum Uwe Steinbach jetzt dreimal in der Woche in der Kleiderkammer der Caritas in der Danziger Straße mit anpackt. „Ich kann denen, die mir damals geholfen haben, jetzt etwas zurückgeben.“

Mittlerweile ist Uwe Steinbach schuldenfrei. Wie viel Geld hat er im Monat zum Leben? „Knapp 400 Euro.“ Wie kommt man mit 400 Euro pro Monat über die Runden? Nicht einmal 15 Euro pro Tag also, wie geht das? „Es muss ja gehen“, sagt Steinbach, als wäre die Frage völlig abwegig. Sind Sie arm, Herr Steinbach? „Nein, ich hab doch alles.“ Eine Wohnung. Und eine Beschäftigung, die ihm Spaß macht. Und genug zu essen. „Ich muss nicht hungern.“ Und er brauche, sagt er, ja auch nicht jeden Tag Torte zu essen. Ist er neidisch auf die Menschen, die für 400 Euro am Abend essen gehen? „Nein, gar nicht. Je mehr Geld man hat, desto mehr gibt man auch aus.“ So sei das nun mal.

Andererseits hatte er schon damit gerechnet, dass er als Rentner einmal mehr Geld zur Verfügung haben würde. Schließlich hat Uwe Steinbach im Grunde sein Leben lang gearbeitet. „Nach dem Hauptschulabschluss habe ich eine Lehre zum Schweißer bei Blohm + Voss auf der Werft gemacht.“ Drei Jahre lang. Anschließend hat er als Chemiefacharbeiter gearbeitet. Solange, bis er merkte, dass ihn der Job krank machte. „Die Dämpfe“, sagt er. Er suchte sich andere Jobs, wechselte öfters die Arbeitsstelle. „Wäre ich in der Chemie geblieben, wäre ich wohl nicht mehr am Leben.“ Er fand dann auch noch den ein oder anderen Job bei Zeitarbeitsfirmen. Zuletzt gab er seine Arbeit auf, um seine Mutter zu pflegen. „Ich wollte nicht, dass sie ins Heim kommt.“ Er hat sie bis zu ihrem Tod gepflegt. „Mutter konnte zu Hause sterben.“

Vor 15 Jahren hat Uwe Steinbach in der Kleiderkammer der Caritas angefangen. Dienstags, mittwochs und donnerstags sortiert er jetzt Mäntel und Hosen, Schuhe und Blusen, Pullover und Schlafsäcke für Menschen, die noch weniger haben als er. „Und davon gibt es eine ganze Menge.“

Um Viertel nach neun ist er morgens in der Danziger Straße, manchmal geht es bis 16 Uhr, manchmal aber auch länger. „Wir suchen laufend gut erhaltene Kleidung, Schuhe, Bettwäsche und Handtücher“, sagt Uwe Steinbach. Spenden für die Kleiderkammer können montags bis donnerstags von acht bis 16 Uhr und am Freitag von acht bis zwölf Uhr an der Pforte in der Danziger Straße abgegeben werden. „Wir freuen uns immer über saubere und gewaschene Damen- und Herrenkleidung.“

Der ganz große Traum: einmal eine Woche auf Kreuzfahrt

Wenn er nicht in der Kleiderkammer hilft oder im Hafen den Schiffen nachschaut, verfolgt der HSV-Fan die Spiele seines Clubs sonnabends im Radio. Kino? Kneipe? Konzerte? „Nein, das brauche ich nicht.“ Er habe ja eine schöne Wohnung. In Hamm, zwei Zimmer, 50 Quadratmeter, ganz oben. Mit Blick auf seine alte Schule Beim Pachthof. Über ihm wohnt keiner. „Da ist nur der Himmel.“

Die Wohnung kostet 508 Euro Miete, für Strom zahlt er noch einmal 25 Euro im Monat, für den Telefonanschluss knapp 20 Euro. Er telefoniere nicht viel, sagt er. Von den Rundfunk- und Fernsehgebühren ist er befreit, für seine HVV-Sozialkarte mit drei Zonen zahlt er 21,20 Euro. Zur Rente bekommt er noch etwa 350 Euro Sozialhilfe. Wenn die Rente erhöht wird, verringere sich die staatliche Unterstützung, sagt er. Sodass ihm im Grunde immer diese knapp 400 Euro im Monat bleiben.

Und davon knappst er, wenn es möglich ist, am Ende des Monats immer noch ein paar Euro ab. „So ’ne Art Notgroschen.“ Man wisse ja nie, was kommt. Vielleicht aber reicht das Ersparte auch irgendwann für seinen ganz großen Traum. „Eine Kreuzfahrt mit der
,Aida‘ nach Norwegen.“ Eine Reise mit einem richtigen Kreuzfahrtschiff. „Eine Woche würde mir schon reichen, das wäre genug.“