Was müssen die Stadt und
der Bund jetzt tun?

Im Falle einer Genehmigung der Elbvertiefung ist der Planfeststellungsbeschluss zu dem Megaprojekt mit den Planergänzungen, die sich im Laufe des Gerichtsverfahrens ergeben haben, vollziehbar. Dennoch wird nicht sofort gebaggert. Zunächst müssen die meisten Bauleistungen ausgeschrieben werden. Die Verantwortlichen rechnen mit einer Dauer von sechs Monaten. Demnach können frühestens Ende August die Bagger loslegen. In einem Fall – dem Bau einer zusätzlichen Ufersicherung am Köhlbrand – wird die Ausschreibung frühestens Anfang April beginnen. Mit der sogenannten Baufeldräumung, etwa von Wrackteilen, können die Arbeiten aber sofort anfangen.

Wie sehen die Bauarbeiten
im Einzelnen aus?

Sobald die Baufirmen nach der Ausschreibung feststehen, wird zunächst die Fahrrinne im Streckenbereich zwischen Glückstadt und der hamburgischen Landesgrenze von heute 300 Metern auf künftig 320 Meter verbreitert. Ziel der Maßnahme ist es, die Begegnungsbeschränkungen, die auf dieser Fahrstrecke bestehen, abzumildern. Im zweiten Schritt werden im Mündungsbereich der Elbe unter Wasser große Ablagerungsflächen hergestellt. Sie sollen den Schlick, der bei den Baggerarbeiten anfällt, zu einem großen Teil aufnehmen und zu Sandinseln anwachsen. Ziel der Unterwasser-Hügel ist es, den Flutstrom der Nordsee, der in die Mündung drängt, abzubremsen und damit den Unterschied zwischen Ebbe und Flut etwas abzumildern. Danach beginnt die eigentliche Elbvertiefung um maximal einen Meter, damit künftig Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern unabhängig von Ebbe und Flut die Elbe hinauf in den Hamburger Hafen gelangen. Noch größere Schiffe mit einem Tiefgang von 14,50 Metern sollen bei Flut die Revierfahrt absolvieren können. Zuletzt ist der Bau einer 385 Meter breiten Begegnungsbox vor Wedel vorgesehen. Sie soll dazu dienen, dass künftig die übergroßen Containerschiffe bei Ein- und Ausfahrt einander passieren können. Insgesamt werden die Baumaßnahmen 21 Monate dauern.

Was ändert sich für die
Schifffahrt auf der Elbe?

Die von den Reedereien eingesetzten Schiffe werden immer größer und haben immer mehr Tiefgang. Mit rund 67 Prozent des Hamburger Containerumschlags wird der Löwenanteil bereits auf den großen Schiffen gefahren. Diese haben aufgrund ihres Tiefgangs für die Revierfahrt nach Hamburg nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie verzichten auf einen Teil der Ladung, um zu allen Zeiten nach Hamburg zu kommen, oder sie bekommen nur kleine Zeitfenster während der Flut, um mit ausreichend Wasser unter dem Kiel in den Hafen hineinzuschwimmen. Wer das Zeitfenster verpasst, muss bis zu elf Stunden warten. Noch länger dauert die Wartezeit, wenn die Elbe aus Witterungsgründen geringe Wasserstände führt und sich die Plantiefgänge nicht realisieren lassen. Deshalb führt die Elbvertiefung zu mehr Flexibilität. Wird die Fahrrinne ausgebaggert, können die Schiffe einerseits mehr Ladung mitnehmen und andererseits Wartezeiten verkürzen. Dieses ist aus Betriebskostengründen für die Reedereien sehr wichtig – und für den gesamten Verkehr nach Hamburg, der sich dann nicht mehr nur auf geringe Zeitfenster beschränkt.

Was bedeutet das Urteil
für die Reedereien?

Die Schifffahrt steckt seit Jahren in einer Krise, auf die die Reedereien erst jetzt mit einer Konsolidierung reagieren. Unternehmen fusionieren oder schließen sich in Allianzen zusammen, um im harten Wettbewerb zu bestehen. In der Folge werden auch alle Liniendienste auf ihre Effizienz hin überprüft und die Routen angepasst. Häfen verschwinden aus den Fahrplänen, andere kommen hinzu. Mitten in diese Planungsarbeiten der Reedereien kommt das Urteil der Elbvertiefung. Fällt es positiv aus, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Dienste, die zuletzt auf der Kippe standen, auch weiterhin nach Hamburg geführt werden.

Was bedeutet das Urteil
für die Hafenwirtschaft?

Die Hafenbetriebe leiden derzeit unter einem Rückgang des Seegüterumschlags. Sollte die Elbvertiefung genehmigt werden, erhoffen sie sich eine spürbare Erhöhung des Ladungsaufkommens. Denn wenn sich der Tiefgangsspielraum für die Schiffe erhöht, können diese mehr Container nach Hamburg bringen, die derzeit noch in anderen europäischen Häfen vor der Weiterfahrt nach Hamburg abgeladen werden. Mehr Ladung bedeutet mehr Arbeit an den Terminals und damit Beschäftigungssicherung. Erleichterungen erwarten die beiden großen Umschlagbetriebe HHLA und Eurogate auch durch die Begegnungsbox. Diese soll dazu führen, dass abgefertigte Schiffe schneller wieder den Hafen ohne Stau verlassen. Derzeit kommt es nämlich immer wieder vor, dass bereits fertig beladene Schiffe Liegeflächen im Hafen blockieren, weil sie erst die Einfahrt von anderen Riesenfrachtern abwarten müssen.

Wirkt sich das Urteil auf die
deutsche Industrie aus?

Das ist spekulativ. Allerdings ist die Argumentation der Projekt-Befürworter so aufgebaut, dass das Gerichtsurteil großen Einfluss auf die Zukunft der Exportnation Deutschland hat. Sicher ist: Unzählige Betriebe in Deutschland erhalten ihre Rohstoffe oder Zulieferprodukte aus dem Ausland über den Hamburger Hafen. Es ist schon mehr als einmal vorgekommen, dass Autobauer ihre Produktionsbänder verlangsamen mussten, weil wichtige Komponenten nicht rechtzeitig aus Hamburg kamen. Das gilt auch und insbesondere für Süddeutschland. Andererseits ist Ladung „flüchtig“. Das heißt: Kann sie in Hamburg nicht mehr angelandet werden, sucht sie sich einen anderen Weg. Kein Industriebetrieb kettet die Zukunft seiner Produktion an das Wohl des Hamburger Hafens. Etwas anders ist es in der Metropolregion selbst. Die hiesige Produktion profitiert von geringeren Transportkosten auf den kurzen Wegen, die ihre Komponenten zurücklegen. Nicht das Schiff ist teuer, sondern der Weitertransport der Ware per Lkw und Bahn.

Was bedeutet das Urteil
für die Umweltverbände?

Selbst wenn Nabu und BUND vor Gericht scheitern, stehen sie nicht als Verlierer da. Sie haben in dem jahrzehntelangen Widerstand gegen das Projekt immer weitere Verbesserungen für den Umweltschutz herausgeholt. Mehrfach musste das Planverfahren nachgebessert werden. Nabu und BUND veranlassten als Kläger das Gericht dazu, von Hamburg und dem Bund Nachbesserungen, etwa bei Ausgleichsmaßnahmen, zu verlangen. Die Bauarbeiten dürfen beispielsweise nicht während der Laichzeit des Elbstints stattfinden. Schließlich haben sie dem Gewässerschutz europaweit zu mehr Geltung verholfen, weil sie den Europäischen Gerichtshof zu einer Konkretisierung des geltenden Rechts zwangen.