Eine gewaltige Welle der Spendenbereitschaft hatdie Elbphilharmonie erst ermöglicht. Im Gebäude gibt es Stufen-, Stuhl-und Säulenpatenschaften

Dominik Winterling kniet sich auf eine der 52 hölzernen Treppenstufen, die in einer leichten Linkskurve von der Plaza zum Großen Saal hinaufführen, und zeigt dann mit dem Finger auf den rechten unteren Rand. „Sehen Sie, hier sind die Namen der Stufenpaten angebracht“, sagt der Geschäftsführer der Stiftung Elbphilharmonie. Für eine 10.000-Euro-Spende bekommt man eine Foyerstufen-Patenschaft, das Namensschild bleibt zehn Jahre lang an dieser Stelle und für alle Besucher sichtbar.

Ein paar Meter weiter oben prangen an der großen Spenderwand die Namen derer, die den Bau dieses spektakulären Gebäudes durch ihre großzügigen Zuwendungen erst mit ermöglicht haben. In der oberen Reihe sind in zehn Zentimeter großen Buchstaben aus handgeschliffenem Edelstahl die Mäzene verewigt, die mehr als eine Million Euro gegeben haben. Darunter stehen in zwei Reihen die „Platin-Spender“ (ab 100.000 Euro). Diese Namensreihen bleiben für immer an der Wand.

Auf den großen Säulen im Innenraum der Plaza werden ebenfalls Spendernamen verewigt. 50.000 Euro beträgt die Spende für das Schild – für einen Zeitraum von zehn Jahren. Und für rund 800 der insgesamt 2100 bequemen Sitze mit jeweils zwei Armlehnen im Großen Saal haben bereits Spender für 1000 (oberere Ränge) oder 2000 Euro (unten) eine Stuhlpatenschaft übernommen. Ihre Namensplaketten sind für die nächsten fünf Jahre angebracht worden.

„Die Welle der Unterstützung in der Stadt für die Elbphilharmonie ist überwältigend“, sagt Dominik Winterling. Der 37-Jährige kommt aus Viechtach in Niederbayern. Er sang als Kind bei den Regensburger Domspatzen und sagt, der damalige Chorleiter und Papstbruder Georg Ratzinger habe ihn mit seinen musikalischen und theologischen Fähigkeiten maßgeblich geprägt.

Neben dem Klavierstudium in Mannheim hat Dominik Winterling auch noch ein Studium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen und sich danach fast zehn Jahre lang um die künstlerischen und kaufmännischen Belange beim renommierten Musikfestival „Heidelberger Frühling“ gekümmert. Bis im Sommer 2014 der Anruf aus Hamburg kam.

Und nun soll der Konzertpianist und Diplom-Kaufmann an der Elbe dafür sorgen, dass sich Kunst und Kommerz nicht ausschließen, sondern im Bestfall eine wunderbare Beziehung miteinander eingehen.

Was ihn an der Aufgabe vor allem reizt? „Als ich hier angefangen habe, hatte Bürgermeister Olaf Scholz gerade den Hamburgern versprochen, dass das Konzerthaus im Januar 2017 eröffnet wird“, sagt Winterling, der aus der Ferne immer ein großer Fan der Elbphilharmonie-Vision gewesen ist. „Und nun bietet sich mir die Chance, ein Projekt mitzugestalten, das Geschichte schreiben und zu etwas Einzigartigem werden wird.“

Der Anspruch sei klar: Weltklasse. Aber für alle. „Nicht nur für die oberen Zehntausend.“

Dafür legt er sich mit seinem kleinen Team von fünf Mitarbeitern mächtig ins Zeug. „Ich habe, als ich in Hamburg angefangen habe, eine sehr gut aufgestellte Stiftung vorgefunden“, sagt Winterling, der außerdem als sogenannter Leiter Development auch Ansprechpartner für Sponsoren ist, die sich die Elbphilharmonie als passende Bühne für ihr Unternehmen vorstellen können. Mit ihnen entwirft und verhandelt er über mögliche Partnerschaften, in deren Rahmen Firmen die Elbphilharmonie als Plattform und das Engagement für die Unternehmenskommunikation nutzen können.

Als die Stiftung im Oktober 2005 von der Warburg-Melchior-Olearius-Stiftung und der HSH Nordbank AG ins Leben gerufen wurde, ging es um drei Förderbereiche. „Das künstlerische Programm, die Musikvermittlung sowie Ausstattung und Instrumente“, sagt Winterling. Jeder Stifter kann selbst bestimmen, für welchen Bereich seine Zuwendung sein soll.

Am Anfang allerdings ging es bei den Mäzenen zunächst einmal um sehr erhebliche Mittel für den Bau des Konzerthauses. Die drei größten Spender sind Hannelore Greve und ihr verstorbener Mann Helmut (30 Millionen Euro) sowie Michael Otto und die Hermann Reemtsma Stiftung (je zehn Millionen Euro). Viele Großspender folgten, darunter Klaus-Michael Kühne, Milena und Hermann Ebel, die Körber Stiftung mit jeweils deutlich mehr als einer Million Euro oder Barbara und Ian Karan mit mehreren Hunderttausend Euro. Auch zahlreiche bekannte Hamburger Firmen befinden sich unter den Spendern: die Berenberg Bank ebenso wie die Warburg Bank, das Handelsunternehmen Gebr. Heinemann, das Schuhhaus Ludwig Görtz oder Barkassen-Meyer, um nur einige wenige zu nennen. Sämtliche Spender, von einem Euro über Bronze (ab 5000 Euro), Silber (ab 10.000), Gold (ab 50.000) und Platin bis hin zu den Mäzenen sind auf der Unterstützerliste der Stiftung im Internet aufgeführt. In nur anderthalb Jahren wurden 67 Millionen Euro für Bau und Betrieb eingesammelt. Zwei Millionen Euro spendete das Ehepaar Elke und Peter Möhrle für den Bau der Orgel. Große und kleine Spender, diese Unterscheidung bezieht sich nur auf die Summe – nicht aber auf die Leidenschaft für das Jahrhundertbauwerk. Dominik Winterling sagt, er habe bei allen Spendern nicht nur die Freude auf das, was kommt, gespürt. Sondern auch einen großen Stolz, dass ihre Stadt es trotz aller Schwierigkeiten letzten Endes hinbekommen habe, etwas Einzigartiges zu schaffen.

„Musik hat eine verbindende Kraft, denn sie berührt Jung und Alt, fördert die Kreativität und das soziale Miteinander, sie gibt Halt und stärkt“, hat Hamburgs Ehrenbürger Michael Otto sein Engagement für das Konzerthaus begründet. Als Musikliebhaber freue er sich auf das neue Wahrzeichen. „Und auf alles Verbindende, was sich von nun an für uns alle auftut.“

Genau das ist die Aufgabe für Dominik Winterling und sein Team: ein Gebäude zum Leben zu erwecken, in dem die Hamburger nicht nur Musik konsumieren, sondern selbst entstehen lassen. Das aktuelle Stiftungskapital beträgt rund 21 Millionen Euro. Aus dessen Erträgen wird auch der musikalische Betrieb finanziert. Besonders am Herzen liegt nicht nur Winterling dabei der Bereich der Musikvermittlung, der sich vor allem an Kinder und Jugendliche richtet. „Wir haben ja auch einen politischen Auftrag“, sagt Winterling, „schließlich gilt das Wort von Bürgermeister Olaf Scholz, dass jedes Kind aus Hamburg während seiner Schulzeit mindestens einmal in der Elbphilharmonie gewesen sein soll.“

Dazu passen auch die Funkel- und Babykonzerte, die Kinder von null bis 14 Jahren dazu einladen, auf verschiedenste Art und Weise mit Musik in Kontakt zu treten. Das geht von Mitmachkonzerten bis hin zu Musiktheater-Performances. Bei den „Elfi-Babykonzerten“ können sich die Teilnehmer frei zwischen Kissen und Decken im Publikum bewegen oder werden aktiv in das Bühnengeschehen eingebunden. „Anfassen ist hier nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.“

Aus den Stiftungsmitteln, sagt Winterling, seien viele der rund 1500 Veranstaltungen mit Kindern und Jugend­lichen finanziert worden, die in jeder Saison in der Elbphilharmonie und in Hamburger Stadtteilen stattfinden werden. Dabei arbeite man eng mit der Schulbehörde und der Jugendmusikschule, mit Bürgerzentren und Stadtteilkulturhäusern, mit dem Hamburger Konservatorium und den The Young ClassX zusammen. Es wird Workshops in den Kaistudios der Elbphilharmonie geben oder auch Treffen zwischen Künstlern und Jugendlichen. Das Schulprogramm der Elbphilharmonie soll jährlich bis zu 40.000 Kinder und Jugendliche aus Hamburg erreichen.

„Mach mit!“ ist das Motto. Etwa bei der Langen Nacht des Singens, wenn die Elbphilharmonie am 1. Juli 2017 ganz viele Chöre aus Hamburg und Umgebung einlädt. Oder wenn man selbst im semiprofessionellen Publikumsorchester musizieren will. Oder als Laienmusiker im Familienorchester. Oder auch im Kreativorchester, das für alle ist, die noch keine praktischen Erfahrungen mit Musik gesammelt haben. Ob Opas alte Geige oder der rostige Kochtopf – alles, was Musik oder Geräusche macht, darf als Instrument mitgebracht werden. Für diejenigen, die in die Klangwelten Südostasiens eintauchen möchten, ist das Gamelan Ensemble die richtige Anlaufstelle.

Und was ist, wenn mit den Jahren das Interesse an Hamburgs neuem Wahrzeichen langsam schwindet? „Der Ball liegt bei uns“, sagt Dominik Winterling. „Wir müssen die Inhalte liefern, damit dieses Gebäude zum spannendsten Ort in der Stadt wird.“ Zur buchstäb­lichen Spielwiese. Zum verbindenden Treffpunkt, der weiterhin auch durch die Unterstützung der Hamburger lebendig bleibt.

Noch ist genügend Platz für weitere Namen an Wänden und Stühlen, an Säulen und Stufen.