Olaf Scholz erzählt, wie er als Kind Oboe spielte und wie ihm die Probleme mit der Elbphilharmonie den Schlaf raubten. Und er spricht über seinen ersten Besuch im Großen Saal, der allein schon all den Ärger wert war

Nach beschwerlichen Tagen im Amt kann man als Olaf Scholz nichts Aufbauenderes tun, als sich eine Fahrt auf der Tube, der zentralen Rolltreppe der Elbphilharmonie, zu gönnen. Großes Hallo und Staunen, Erinnerungsfotos von der anderen Rolltreppen-Spur und begeisterte Kommentare über die Architektur des neuen Konzerthauses gibt es reichlich. Die reine Bürgermeister-Seelenmassage also. Sein Vorvorgänger Ole von Beust (CDU) ging als Gründungsbürgermeister in die Annalen des Projekts ein, der SPD-Regierungschef Scholz kann sich nun als Klärungs- und Eröffnungsbürgermeister fühlen. Die Genugtuung darüber deutet er nur an, das zu betonen überlässt er anderen. Doch die Begeisterung, mit der der Erste Bürgermeister nach Ende dieses Interviews im Großen Saal in die Orgel steigt, um sich Details erklären zu lassen, spricht Bände.

Beginnt für Hamburg heute eine neue Zeitrechnung – eingeteilt in die Zeit vor der Elbphilharmonie und die Zeit mit ihr?

Olaf Scholz: Zeitrechnung, das ist immer ein großes Wort. Trotzdem glaube ich, dass sich in Hamburg etwas verändern wird. Weil die Musik eine noch größere Rolle im Leben der Stadt und hoffentlich aller Bürgerinnen und Bürger spielen wird. Gleichzeitig wird die Elbphilharmonie Hamburg als Musikstadt und als Stadt der Kultur ebenso positionieren, wie sie als erfolgreiche Industrie- und Handelsstadt, als Stadt der Medien längst positioniert ist.

Schon die Eröffnung der Plaza im November war von einem internationalen Hype begleitet, wie ihn sich selbst große Optimisten nicht ausgemalt hatten. Rechnen Sie jetzt trotzdem mit einer weiteren Steigerung?

Ganz sicher wird die internationale Wahrnehmung der Elbphilharmonie und der Stadt noch einmal steigen. Das geschieht im Selbstlauf, durch die gelungene Architektur und natürlich durch die Musik.

Erinnern Sie sich an Ihren persönlichen ersten Moment der Überwältigung?

Für mich war es ein großer Moment, das erste Mal im fertiggestellten Großen Saal zu stehen. Ich habe ihn ja gekannt, weil ich mich viel mit dem Gebäude beschäftigt und die endgültigen Verträge verhandelt hatte. Es gab von allem, was hier entstand, natürlich auch Bilder. Die moderne Technik ermöglicht es ja, Bilder von Orten und Gebäuden zu erstellen, die noch gar nicht existieren. Doch es war etwas völlig anderes, die Ausstrahlung des fertigen Saales zu spüren. Das hat mich berührt. Ein fast sakrales Gefühl, im positiven Sinne. Ähnlich war es, als ich dort zum ersten Mal Musik hören konnte, bei der ersten Probe des NDR Elbphilharmonie Orchesters – für mich wirklich ein Erlebnis, das ich nicht so schnell vergessen werde. Schließlich steht und fällt ja mit der Akustik des Großen Saals das Ansehen, das sich die Elbphilharmonie als kulturelle Stätte erobern kann.

Wie haben Sie diese erste Probe erlebt?

Als ich kam, hatte das Orchester gerade eine Pause, die Musiker kamen mir entgegen, und ihre Gesichter waren nicht nur freundlich, was mich schon sehr erleichtert hätte. Die Musiker wirkten regelrecht erleuchtet. Als ich nach der Pause dann die Probe mit Musik von Brahms hören konnte, habe ich den sicheren Eindruck gewonnen, dass sich alles das verwirklichen wird, was wir uns vom Saal und dem Gebäude versprochen haben. Ich bin herumgegangen, habe mich auf unterschiedliche Plätze gesetzt, auch ganz oben. Die Akustik auf diesen preiswerten Plätzen ist auf keinen Fall schlechter und die Sicht ist auch sehr gut.

Kommt dann bei Ihnen eine Kategorie wie Stolz ins Spiel oder eher bürgermeisterliche Befriedigung?

Dass wir das Gebäude trotz aller Schwierigkeiten fertig bekommen haben, freut mich wirklich, weil das mit so vielen Anstrengungen verbunden war, so vielen harten Verhandlungen und so vielen Zweifeln. Jetzt zu sehen, dass alles funktioniert, erzeugt schon eine gewisse Genugtuung. Und ein wenig empfinde ich auch, was die meisten Hamburgerinnen und Hamburger fühlen, wenn sie allein oder mit Bekannten hierherkommen – den hanseatischen Stolz auf dieses neue Wahrzeichen.

Man darf sich Hamburgs Ersten Bürgermeister derzeit also als einen glücklichen Menschen vorstellen?

Eindeutig ja.

Welche Rolle spielt die Musik für Ihr eigenes Leben?

Ich höre regelmäßig Musik, gehe mit meiner Frau in ganz unterschiedliche Konzerte. Ich würde nicht sagen, dass sie heute eine zentrale Rolle spielt, obwohl ich in meiner Jugend Instrumente gespielt und im Lauf der Jahrzehnte zu spielen verlernt habe – zuerst Blockflöte wie alle Kinder, später Oboe, im Schulorchester.

Das mit der Oboe ist ja geradezu prophetisch für Ihren Posten: Die Oboe gibt dem Orchester das A und damit die Stimmung vor, nach der sich alle anderen beim gemeinsamen Spielen zu richten haben. Wurde da der Keim für größere berufliche Aufgaben gelegt?

Das war der reine Zufall. Mir wurde damals dieses Instrument vorgeschlagen, und ich bewundere alle, die es wirklich gut spielen können.

Wann haben Sie Ihre Oboe das letzte Mal in der Hand gehalten?

Zum Ende der Schulzeit. Das Instrument gehörte dem Schulverein.

Sie haben sich in den vergangenen Jahren wegen der Elbphilharmonie viel mit Kultur beschäftigt. Inwiefern hat das Ihr Verhältnis zu diesem Thema verändert?

Ich bin ganz sicher, dass die Elbphilharmonie die lange musikalische Tradition der Stadt, die vielen gar nicht so bewusst ist, auch in der Zukunft fortsetzen wird. Das gilt für die ganze Bandbreite der Musik, die wir in dieser Stadt haben, nicht nur für die Klassik. Das geht bis zum Reeperbahn Festival, das wichtigste Pop-Event in Deutschland, das sicher auch vom Nimbus der Stadt und vom Nimbus der Reeperbahn lebt.

Es gibt den schönen Satz, dass jeder in die Kultur investierte Euro anderthalbfach zurückkommt. War es insofern geradezu genial, so viel Geld für die Elbphilharmonie auszugeben?

Ich bezweifle, dass man das so rechnen kann. Investitionen in Kultur haben Effekte, die man oft gar nicht beziffern kann. Sie lohnen sich in jedem Fall. Trotzdem ist es sinnvoll, nur so viel Geld auszugeben wie nötig und nicht 200 bis 300 Millionen Euro zu viel, weil man – wie bei der Elbphilharmonie – losbaut, ohne vollständige Pläne zu haben.

Ist Kultur jetzt für die Stadt der wichtigste Wachstumsmotor, vor allen anderen, härteren Sparten?

Die wechselnden Vorstellungen, was jeweils das neueste Wichtigste sein solle, mache ich nicht mit. Aber Kultur spielt für die Perspektiven Hamburgs eine sehr große Rolle. Nicht nur in Bezug auf wirtschaftliche Aspekte oder wegen des damit verbundenen Tourismus, sondern auch, weil sie die Lebensqualität der Stadt verbessert. Sie spielt außerdem eine Rolle für das internationale Renommee.

Hat so etwas Herausragendes wie die Elbphilharmonie Hamburg gefehlt?

Ja, hat es. Und wir würden sie jetzt nicht mehr missen wollen. Auch am anderen Ende der Bandbreite, beim Reeperbahn Festival, haben wir sehr konstant unseren Beitrag zur Unterstützung geleistet. Inzwischen ist es eine etablierte Veranstaltung, die auch aus sich heraus funktioniert. Auf dieser Seite des Spektrums haben wir nun die Elbphilharmonie – und diese Bandbreite ist etwas Besonderes.

Beim Richtfest 2010 hatte Generalintendant Christoph Lieben-Seutter gesagt: „Ohne ein bisschen Größenwahn entstehen die besonderen Wahrzeichen nicht.“ Richtig?

Weiß ich nicht. Es geht auch ohne. Nun ist es da ...

Einer Ihrer Vorgänger aus dem 19. Jahrhundert, Amandus Abendroth, meinte damals: „In Hamburg fängt alles, wie die Erfahrung mit glücklichem Erfolg zeigt, mit Privatpersonen an.“ Der Umkehrschluss: Mit großen Ideen haben wir es im Rathaus nicht so. Das private Anschieben großer Kulturprojekte hat Tradition, und die Politik lässt sich zum Jagen tragen – warum?

Wenn man bei Herrn Abendroth anfängt, dann ist das ein sehr langer Zeitraum, den wir betrachten. Seine treffende Einschätzung sollten wir aber festhalten: dass wir hier sehr oft auf privates Engagement zurückgreifen können, und das ist gut.

Wem gebührt eigentlich der größte Dank für die Elbphilharmonie?

Am Ende den Steuerzahlern. Hier sind etwa 800 Millionen Euro an Steuergeldern hineingeflossen, das sollte man nicht außer Acht lassen. Das ist eine große Investition in die Zukunft der Stadt und ihre Lebensqualität. Es ist ein Gesamtkunstwerk geworden. Viele haben dazu beigetragen – die Architekten, die Initiatoren und unterschiedliche politische Kräfte.

Wäre es besser gewesen, wenn das Ganze ein privat finanziertes Projekt geblieben wäre, wie ursprünglich gedacht?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Deutschland private Investoren gibt, die ein Projekt dieser Größenordnung stemmen wollen und können. Man darf aber annehmen, dass bei privaten Projekten mehr aufs Geld geachtet wird, als es hier zwischenzeitlich der Fall war. Das wäre gut gewesen.

Wann hatten Sie Ihre erste schlaflose Nacht wegen der Elbphilharmonie und wann die letzte?

Die Entscheidung über die Vertragsneuordnung Ende 2012 war für mich der schwierigste Moment. Da hatte ich wirklich eine schlaflose Nacht. Die letzten Zusagen kamen ja noch im allerletzten Moment. Mein wichtigstes Vorhaben bei diesen harten Verhandlungen war, dass es die letzten sein sollten, keine weiteren Runden, kein Baustillstand. So ist es dann auch gekommen. Die Dimension der Entscheidung war mir in jeder Hinsicht immer sehr klar. Hätten wir uns nicht verständigt, mit durchaus harten Bedingungen für das Bauunternehmen, hätten wir am Ende einen großen Teil der Projektbeteiligten wegschicken und neu anfangen müssen. Das hätte auch zu einem jahrelangen Baustillstand führen können. Ich glaube, die schlaflose Nacht hat sich gelohnt und ich habe mich richtig entschieden.

Gab es je den Moment, in dem Sie dachten, womöglich wird dieser Bau tatsächlich niemals fertiggestellt?

Dafür bin ich zu optimistisch veranlagt. Aber das Risiko habe ich immer gesehen. Hier ist an einigen Stellen an der Grenze dessen gebaut worden, was technisch möglich ist. Es handelt sich um eine große, hoch komplizierte Anlage, in der alles in jeder Situation funktionieren muss. Man darf die Komplexität dieses Gebäudes nicht unterschätzen.

Im Herbst 2012, als es so hoch herging, haben Sie öffentlich immer den Eindruck erweckt, dass die Stadt in Eigenregie weiterbauen wird, wenn Hochtief nicht einlenkt. War das, mit einigen Jahren Abstand betrachtet, eine gute Schauspiel-Performance, um den Druck auf den Baukonzern zum Einlenken zu erhöhen?

Wir hatten die Variante, dass wir selbst weiterbauen, bis ins letzte Detail vorbereitet. Ich habe das damals nicht nur so dahingesagt.

Aber ganz wohl war Ihnen nicht dabei?

Nein. Ganz wohl konnte einem bei keiner der beiden Möglichkeiten sein.

Waren Sie schon Fan und Befürworter, als das Projekt 2003 vorgestellt wurde?

„Was soll das denn?“ habe ich nicht gedacht. Ob ich sofort begeistert war, weiß ich nicht mehr.

Sie haben das Thema gar nicht unmittelbar wahrgenommen?

Doch. Aber Architekturzeichnungen von Dingen, die man in Hamburg mal machen könnte, werden in dieser Stadt ziemlich oft publiziert.

2005 wurden die Kosten für die Stadt auf 77 Millionen Euro geschätzt, jetzt sind Sie bei 789 Millionen gelandet. Erklären Sie uns bitte in kurzen Sätzen – warum ist die Elbphilharmonie eigentlich so teuer?

Die Stadt baut das CCH um, für etwa 200 Millionen Euro. Auch keine einfache Architektur, aber verglichen mit diesem Gebäude eine überschaubare Aufgabe. Wir haben aus der Elbphilharmonie gelernt und über 13 Millionen Euro in die Planung investiert, bevor wir uns zum Bau entschlossen und harte Verträge aufgesetzt haben. Wenn man einen Teil des CCH für 200 Millionen baut, ist die Vorstellung, für 77 oder auch für zweihundertundetwas Millionen die Elbphilharmonie bauen zu können, zu keinem Zeitpunkt in der Nähe der Wahrheit gewesen.

Sondern?

Selbst wenn man alles richtig macht, ist dieses Gebäude für weniger als 500 bis 600 Millionen Euro nicht zu errichten. Man hätte sich die Differenz zum Endpreis gespart, wenn man am Anfang sorgfältig geplant hätte. Man hätte bestimmt einen hohen zweistelligen Millionenbetrag für die Planung ausgeben müssen, bevor man bei einem so ehrgeizigen Projekt loslegt. Als ich 2011 Bürgermeister wurde, waren die Architekturpläne noch nicht endgültig fertig, obwohl seit vier Jahren gebaut wurde. Ich habe dafür gesorgt, dass sie dann ein Jahr später fertig wurden.

Sie tänzeln wie ein Neumeier-Ballettstar um bestimmte Namen und Parteien und vor allem um die Schuldzuweisung herum ...

... Ich bin der Bürgermeister ...

Eine klarere Ansage ist von Ihnen in diesem Punkt also nicht zu haben?

Alle wissen, wie es war. Und ich finde es wichtig zu sagen, was passiert ist: Es ist nicht ordentlich geplant worden, das Projekt ist zunächst nicht richtig beherrscht worden, anfangs haben sich zu wenige damit beschäftigt. Die Herausforderungen sind immer unterschätzt worden.

Niemand ist dafür juristisch zur Verantwortung gezogen worden. Ist das richtig oder ist es auch gerecht?

Der eine oder andere hätte jedenfalls gut daran getan, wenn er seinen eigenen Beitrag zu den Kostensteigerungen etwas demütiger kommentiert hätte. Es gibt außerdem einen Bericht des Untersuchungsausschusses, der das sehr präzise darstellt. Es ist dilettantisch gehandelt worden. Ein gewissenhafter Umgang mit der übertragenen Verantwortung für das Wohl der Stadt sieht bestimmt anders aus. Das kann in einer Demokratie bewertet werden. Die Wählerinnen und Wähler haben es dann am Ende ja auch bewertet.

Was haben Sie gedacht, als Sie sich 2011 als neuer Bürgermeister erstmals intensiv mit der Elbphilharmonie beschäftigt haben?

Das Problem wurde größer und größer. Auf eine verfahrene und schwierige Sache war ich eingestellt. Wie verfahren und schwierig sie tatsächlich war, hat sich mir erst im Amt erschlossen. Aber ich wurde gewählt, um Probleme zu lösen, auch dieses.

Einige Monate haben Sie es zunächst auf die harte Tour versucht. „Keine Spielchen mehr, Hochtief“, warnte Ihre Kultursenatorin Barbara Kisseler damals in der Bürgerschaft. Dann kam der Baustillstand, und es wurde noch kniffliger. Aus heutiger Sicht: War das der Holzweg?

Nein. Das war der Holzhammer, und der war auch notwendig. Wenn die Stadt nicht in der Lage gewesen wäre, sich klar aufzustellen und mit der notwendigen Härte vorzugehen, wäre das Projekt auch nicht fertig geworden.

Am Ende stand die Neuordnung, die Sie mit dem damals neuen Hochtief-Chef Marcelino Fernández Verdes aushandelten. Ist die Wende zum Guten also das Ergebnis einer sich anbahnenden Männerfreundschaft?

Irgendwie ja. Da haben zwei miteinander verhandelt, die es für ihre Aufgabe hielten, dass das Gebäude fertig wird. Anders als mit Leadership geht das nicht.

Sie erzählen das so gelassen, als hätten Sie nie den Bereich Ihres Ruhepulses verlassen.

Ich verhandle oft und viel. Neulich habe ich mich morgens um 3.30 Uhr mit der Bundeskanzlerin über die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen verständigt. Da ging es um viele Milliarden, und ich glaube, ich bin zu jedem Zeitpunkt ruhig geblieben.

Welche Rolle hat die im Oktober verstorbene Kultursenatorin Barbara Kisseler für die Elbphilharmonie gespielt?

Wir haben immer zusammen agiert und uns eng abgestimmt. Sie hat sich in das Projekt vertieft und wir waren immer einer Meinung: Das Problem muss gelöst werden, das wollen wir hinbekommen. Und im Übrigen hatte sie zu keiner Zeit Zweifel am musikalischen Impuls für die Stadt, der von diesem Konzerthaus ausgehen wird. Dass sie bei der Eröffnung nicht dabei sein kann, macht mich sehr traurig.

Sprechen wir über den Inhalt des Gebäudes, die Musik und ihre Bedeutung für die Stadt. Zum Einstieg ein Quiz: Welcher Hamburger Ehrenbürger hat einmal geschrieben: „Die Hamburger sind antimusikalisch“? Sie können wählen zwischen John Neumeier, Johannes Brahms oder Helmut Schmidt.

Brahms oder Schmidt...?

Sie sind eine Runde weiter...

Ich ziehe den Joker...

O. k., es war Brahms. Auch Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter hat, als er sich 2006 im Rathaus als der Neue aus der Musikstadt Wien vorstellte, gesagt: „Hamburg ist keine Musikstadt, ich würde nie wagen, das zu behaupten.“ Hatten die beiden recht?

Ich glaube, dass Hamburg nicht nur in der historischen Perspektive eine lange Musiktradition hat. Musik wird auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Mein großer Wunsch ist, dass dieses Gebäude dazu beiträgt, dass die Bürgerinnen und Bürger ihnen bisher unbekannte Varianten von Musik zumindest einmal ausprobieren.

Sind Sie zuversichtlich, dass die Erwartungen an die Elbphilharmonie, die inzwischen wahnsinnig hoch sind, auch erfüllt werden können?

Ja, sie kann das leisten.

Dann gibt es demnächst Nachschlag beim Kulturhaushalt?

Der Kulturhaushalt erfährt von allen die notwendige Aufmerksamkeit.

Ein Mantra des Senats lautet, dass es anderen Kulturinstitutionen nicht schlechter gehen soll, weil es jetzt die Elbphilharmonie gibt. Können Sie das durchhalten, bei den Sparzwängen, die Sie jetzt umzingeln?

Ja.

Müssten Sie nicht beim Rest der Kulturlandschaft aufstocken, um ihn nicht zu verärgern?

Ich glaube, dass die Kulturlandschaft sich über die Elbphilharmonie genauso freut wie die, die noch nie ein klassisches Konzert gehört, das Haus aber bereits adoptiert haben. Und in dem Haushalt, mit dem der beginnende Betrieb der Elbphilharmonie in die Finanzierung kam, haben wir beispielsweise für andere Musik-Ensembles und Privattheater zusätzliche Mittel bereitgestellt. Diese Geste ist gut verstanden worden.

Im Spielbetriebskonzept klingt die Annahme an, dass die Elbphilharmonie auf längere Sicht mit eher weniger Zuschüssen auskommen müsste. Teilen Sie diese Einstellung?

Es ist nicht geplant, den zugesagten fes­ten Zuschuss zu reduzieren. Aber ich will den Verantwortlichen auch nicht die Motivation nehmen, für eine höhere Kostendeckung zu sorgen. Dass wir mit der Elbphilharmonie Überschüsse erzielen, ist aber unrealistisch. Wir subventionieren die Unterhaltungskosten des Gebäudes, die Plaza und einen Teil des Spielbetriebs. Damit das Gebäude Gewinne macht, müsste es Einnahmen von mehr als 15 Millionen Euro erbringen. Das ist unrealistisch.

Haben Sie für die Abende nach der Eröffnung eigentlich eine Bürgermeister-Flatrate in die Elbphilharmonie? Dürfen und können Sie jedes Konzert, auf das Sie Lust haben, besuchen?

Ich habe mir schon einige Konzerte ausgesucht, vor allem am Anfang. Und wenn ich noch einen Wunsch hätte, hoffe ich, dass er erfüllbar ist. Mit ganz viel Zeit würde man jetzt sechs Monate lang ständig dort hingehen. Aber das ist mit meinem Terminkalender nicht vereinbar, und außerdem gibt es ja noch viele andere attraktive Kulturinstitutionen in der Stadt.

Generalmusikdirektor Kent Nagano hat prophezeit: „Die ganze Welt wird kommen.“ Sind Sie sicher, dass die Stadt darauf vorbereitet ist?

Ja.

Woher kommt diese Sicherheit?

Wir sind schon immer eine weltweit vernetzte Stadt gewesen. Wir haben die Kapazitäten ständig ausgeweitet, um viele Gäste aufnehmen zu können. Wir sind auf eine offene Welt eingestellt, so ist unsere Mentalität.

Gegen Größenwahn-Vorwürfe kommen Sie aber auch mit den tollsten Konzerten nicht an. Die wird es weiter geben.

Ja. Ich habe mir diese Ansicht aber in keiner Phase zu eigen gemacht. Ich glaube, dass die Stadt auch städtebaulich einen klugen Weg gewählt hat; dass dieses Gebäude nichts ist, was man sich aus Prestigegründen leistet, sondern dass es mit der Stadt verzahnt ist. Es gibt auch keinen besseren Ort dafür, mitten in der HafenCity, mit dem industriellen Hafen auf der einen und der gewachsenen Stadt auf der anderen Seite. Für mich ist auch wichtig, dass wir meine Ankündigung umsetzen, dass jedes Schulkind wenigstens einmal die Elbphilharmonie besuchen kann.

Der Rathaus-Architekt Martin Haller stellte zum Thema Prestige-Architektur die rhetorische Frage: „Was verdankt München, was Paris seinen Gebäuden, seinen großartigen Anlagen und seinen Kunstwerken?“ Also: Was wird Hamburg der Elbphilharmonie verdanken?

Man spürt es fast jetzt schon: Hamburg und die Elbphilharmonie werden eins, und sie werden auch international zusammen wahrgenommen werden. Das Konzerthaus nützt der Stadt und umgekehrt. So wie der Hafen der Stadt nützt und umgekehrt. Oder die Reeperbahn. Die Elbphilharmonie wird viele für Hamburg begeistern und vielleicht ist dies einer der kleinen Schritte, die gelingen müssen, damit die Stadt auch international anders wahrgenommen wird als bisher. Es gibt in der Welt noch Menschen, die nicht wissen, wo in Deutschland Hamburg liegt. Das wird sich wahrscheinlich ändern.

Also: Es hat sich in jeder Hinsicht gelohnt?

Ja.