Oh, wie schön, mit dem Rücken liege ich auf dem sonnenwarmen Strand. Die Augen sind geschlossen. Ich lausche nur dem Klang der Wellen. Obwohl Wellen eigentlich übertrieben ist. Im Grunde macht es einfach nur sehr regelmäßig schwapp. Ganz unaufgeregt. Wozu auch Aufregung? Wasser am Strand ist ja etwas ziemlich Normales.

    Dass ich hier mit nackten Füßen an einem Montagmorgen faulenze, ist dagegen nicht so normal. Eigentlich würde ich jetzt längst am Schreibtisch sitzen. Vor nicht einmal eineinhalb Stunden habe ich mich in Hamburg in den Zug gesetzt. Mit dem ICE nach Lübeck und von da mit der Regionalbahn nach Timmendorf. Zum Glück ist der Bahnhof so gelegen, dass man ganz bequem in 15 Minuten an den Strand laufen kann.

    Und jetzt liege ich hier und muss die ganze Zeit schmunzeln. Das Wetter war eigentlich ziemlich miserabel vorhergesagt. Aber davon ist hier nichts zu sehen. Die Sonne hat den Morgen an der Lübecker Bucht in warmes und etwas milchiges Licht getaucht. Timmendorf dampft. Über Nacht hat es hier kräftig gewittert. Die Wärme des Vortages aber ist geblieben. „Waschküche“ würden einige vielleicht sagen. Ich sage: perfekt. Meine Schuhe in der Hand, laufe ich den Strand ein Stück am Wasser entlang. Keine Menschenseele weit und breit. Das nenne ich mal exklusiv. Halt, da vorne ist doch wer.

    Ein Mann mittleren Alters mit Beinen so braun gebrannt, wie es meine selbst nach drei Wochen Karibik nicht wären. Er klappt ein paar Aufsteller auf, und schiebt und werkelt an einem unbesetzten Strandkorb rum. „Noch wenig los“, murmelt er. „Liegt an diesen WetterApps.“ Seit ein paar Jahren arbeitet Axel – so heißt der Mann mit den braunen Beinen – „just for fun“ hier beim Strandkorbverleih Anders. „Früher sind die Leute einfach losgefahren, wenn sie Lust auf Meer hatten. Heute checken sie ständig die Wetterdienste und fahren dann im Zweifel doch nicht.“

    Axel kommt eigentlich aus Hamburg-Blankenese. Aber irgendwann hatte er keine Lust mehr auf Job und Stadt. Und Timmendorf – die „Badewanne der Hamburger“ – kannte er noch von früher. Hier, so sagt er, sei alles easy, „normale Leute und nicht so Schickimicki. Hier kann man einfach mit Shorts und Flipflops ins Restaurant gehen. Da guckt keiner.“

    Nach dem netten Plausch geht es für mich weiter. Jetzt mit Schuhen. In weiten Teilen ist Timmendorf ein Park. Zahlreiche Grünzüge ziehen sich an der Promenade entlang. Vorbei an Herrenhäusern, dem historischen Rathaus und klassischer Bäderarchitektur. Und fast überall ist es herrlich ruhig. Nur in der Fußgängerzone ist schon richtig was los. Von wegen „kein Schicki­micki“. Hier reihen sich die Designerläden nur so aneinander. Und wer nicht nur sehen, sondern auch gesehen werden will, der hat sich längst einen Platz im Café Wichtig ergattert. Showsitzen mit dicken Sonnenbrillen und einem Glas Champagner oder Aperol Spritz.

    „Eigentlich heißt das Café ja Engelseck“, erzählt der Eigentümer Jan Schumann. „Aber irgendwann hat es die „Bild“-Zeitung halt Café Wichtig getauft und seitdem heißt es eben so.“ Aber bei genauerem Hinschauen sehen die meisten Leute hier auf der Terrasse eigentlich gar nicht so schrecklich wichtig aus. Sondern eher ziemlich entspannt und normal. Selbst, wenn der Ostwind ein paar Meter weiter am Strand die Luft schnell abkühlt, lässt es sich hier noch lange im T-Shirt aushalten, sagen die Gäste am Nebentisch. Heute aber ist überall in Timmendorf T-Shirt-Wetter.

    Mein Hotelzimmer hatte ich vor meiner Abreise schon organisiert (Park-Hotel am Kurgarten, 106 Euro mit Frühstück, Vier-Sterne-Komfort im Gründerzeitstil). Was in der Welt sollte mich also davon abhalten, mir hier den ersten Sonnenbrand des Jahres zu holen? Dazu einen Cappuccino für 3,60 Euro. So lässt es sich ganz gut aushalten.

    Schumann erzählt, dass viele Hamburger Tagestouristen morgens um sieben Uhr losfahren, um beim Frühstück schon bei ihm in der Sonne zu sitzen. „Das Urlaubsgefühl stellt sich dann nach einer Sekunde ein“, meint er. Womit er recht hat.

    Ich jedenfalls bin seit Sekunde eins ungefähr drei Gänge runtergefahren. Hamburg, der Verkehr, die volle U-Bahn, der Lärm – das alles fühlt sich sehr weit weg an. Nach einem kurzen Strandspaziergang geht es für mich ins Hotel. Ein­checken und kurz ausruhen. Und dann ganz schnell wieder raus – in den Urlaub um die Ecke.

    Bisherige Ausgaben (Gesamtbudget 500 Euro): Zugfahrt 21,50, Übernachtung 106,00, Fischbrötchen 4,50, Cappuccino 3,60.

    Restbeitrag: 364,40 (Stand 16 Uhr)