Hamburg. Mit dem Fitnesstrend haben sich Vereine zu Dienstleistern gewandelt. Sportspaß entdeckt Marktlücke

Wann das alles so genau losging, das weiß Friedrich Großmann auch nicht mehr. Er war Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Turnwart – so hieß das damals – beim Eimsbütteler TV. 3900 Mitglieder und echte finanzielle Probleme. Eine Halle im eigenen Gebäude an der Bundesstraße musste vermietet werden, an Sportlepp. Und die führten dort Kurse für Skigymnastik durch. Gegen Geld natürlich, gutes Geld. „Das hat mich geärgert, und dann haben wir uns gesagt, das machen wir jetzt selbst.“

Von 1977 an bewegte sich auch eine noch recht kleine Gruppe in der damaligen Turnhalle St. Georg, dort wo heute hochpreisige Burger gebrutzelt werden. Eine Gymnastikgruppe war bei Barmbek-Uhlenhorst unzufrieden, weil alles Geld in die Fußballmannschaft gepumpt wurde und sagte sich, das machen wir jetzt selbst. „Auch unser Vorbild war die Skigymnastik von Sportlepp“, erzählt Jürgen Hering. Das war die Keimzelle von Sportspaß, heute mit 71.018 Mitgliedern der größte Sportverein Deutschlands, in dem die Mitglieder auch tatsächlich Sport treiben. Nur die Fanorganisationen weniger Bundesligaclubs vereinen mehr Beitragszahler unter ihrem Namen.

Drei sensible Punkte wurden damals berührt und bedient. „Zunehmend weniger Menschen hatten Lust auf das klassische Vereinswesen mit Wettkampfsport und sozialen Verpflichtungen, Sport wurde als gesund anerkannt, und Frauen hatten zunehmend das Bedürfnis und die Zeit für sportliche Aktivitäten“, sagt Hering, der seit 1982 als Geschäftsführer von Sportspaß arbeitet. „Der Spaß im Vereinsnamen ist auch Programm, darauf kommt es entscheidend an“, sagt der 65-Jährige, „und 78 Prozent unserer Mitglieder sind weiblich.“

Der miefige Ruf der „Vereinsmeierei“ musste abgeschüttelt werden. Die Haltung, Angebote anzunehmen, aber sich selbst ungern ehrenamtlich engagieren zu wollen, griff um sich. Immer weniger Menschen wollten Bindungen im Sport eingehen. Nicht mit dauerhafter Mitgliedschaft, nicht mit Punktspielen, nicht mit Arbeitsstunden. Neue Angebote mussten also her.

Vereine spüren Konkurrenzdruckdurch billige „Discount-Studios“

Schließlich wurde der Trend noch befeuert durch Promis und Fernsehen. Sport war in. Aerobic kam auf, angeschoben durch prominente Vorturnerinnen wie den Schauspielerinnen Sydne Rome und Jane Fonda, die Millionen Videos verkauften, dekorativ schwitzen, und nicht nur sportlich, sondern auch modische Akzente setzten. Die Wahl der richtigen Leggings im Studio wurde zum Statussymbol. „Bei uns nicht“, sagt Großmann, „bei uns konnte jeder kommen, wie er wollte.“ Das war ein wichtiges Kriterium für den Verein, denn die Schönen, Fitten und Reicheren, die transpirierten im gediegenen Ambiente der gegenüberliegenden Kaifu-Lodge mit ihrem riesigen Angebot an Trends und Kursen oder einem der anderen edlen Fitnessstudios im Bezirk.

„Wir haben mit der Kaifu-Lodge nie irgendeine Konkurrenz gehabt, wir sprechen unterschiedliches Publikum an“, sagt Großmann. Das gilt auch für Sportspaß, jedenfalls in Bezug auf die teuren Fitness- und Wellnessanbieter. Hering spürt indes die Konkurrenz der „Discount-Studios“, die Namen haben, die an Fast-Food-Ketten erinnern. „Die stellen Geräte hin und überlassen die Sportler sich selbst“, sagt er, „ich glaube nicht, dass das auf Dauer gut ist.“

Sportspaß expandierte so richtig von Beginn der 90er-Jahre an, als man in der City Nord ein erstes eigenes Center aufmachte und damit nicht mehr auf die Vergabe von Schulturnhallen angewiesen war. 1995 gab es bereits 8000 Mitglieder, mit der Eröffnung des Centers am Berliner Tor 2001 begann der enorme Zulauf zur heutigen Größe. 1050 freiberufliche Trainer beschäftigt der Verein. Der ETV, der jetzt mehr als 13.000 Mitglieder zählt, bietet mittlerweile eine Unzahl verschiedenster Fitness- und Trendsportarten an und hat eine alte Turnhalle zu einem modernen Studio umgebaut. Die klassische Turn- und Gymnastikabteilung aber, mit deren Skigymnastikkursen einst alles begann, ist aufgelöst. Sie heißt jetzt Freizeitsport.