Kiel. Prosecco für alle – in Angelique Kerbers erstem Tennisclub in Kiel feierten ihre früheren Förderer den Sieg in Australien

An der Glastür des Clubhauses der TG Düsternbrook klebt ein weißer DIN-A4-Zettel: „Angie spielt – Geschlossene Gesellschaft der TGD“. In Angelique Kerbers erstem Tennisclub in Kiel verfolgen etwa 50 Vereinsmitglieder das Finale der Australian Open hochkonzentriert. Na ja, die TV-Teams von Sat.1 und NDR werden trotzdem reingelassen. Und zum Sport gibt es Prosecco: „Der beruhigt meine Nerven etwas“, sagt eine Frau.

Über dem Tresen baumeln an Geschenkband drei Kerber-Autogrammkarten ihrer Schlägerfirma Yonex. Vorstandsmitglieder haben alte Clubzeitungen herausgekramt. In einer wurde zu den Kreismeisterschaften 1997 getitelt: „Angelique Kerber ohne Konkurrenz“, dazu ein Foto der neunjährigen „Angie“ mit keckem Pony und der Analyse: „Als weitaus Jüngste glänzte sie mit Ballverliebtheit, Spielübersicht, mutigem Angriffstennis.“

TGD-Mitglied Rüdiger Meves, 67, früher Geschäftsführer des Tennisverbands Schleswig-Holstein und Turnierorganisator, erzählt eine Anekdote vom Jüngstenmehrkampf der Verbände in Bad Oldesloe 1998. Dort spielten Teams aus Jungs und Mädchen gegeneinander. Weil aber ein Junge aus Westfalen krank wurde, sei Kerber für ihn eingesprungen. So spielte sie als Mädchen für Schleswig-Holstein und als Junge für Westfalen. Die Doppelbelastung habe ihr nichts ausgemacht: „Und sie hat auch als Junge alles gewonnen.“

Kerber startet mit einem Break gegen Williams, die Menge skandiert „Angie, Angie“. Sie gewinnt den ersten Satz: 6:4. „Come on!“ Während Vater Slawomir in Polen zuschaut, fehlt auch Mutter Beata – sie hat die Einladung lieber ausgeschlagen. Die zurückhaltende Frau ist nicht gern im Mittelpunkt. TGD-Ehrenmitglied Reinhold „Ali“ Landt, 69, erzählt, dass er schon einmal in der zwei Kilometer entfernten Tennishalle ein öffentliches Angelique-Gucken organisiert hatte und Mutter Beata just nebenan im Büro arbeitete (sie kümmert sich im Winter um die Verwaltung der Hallenplätze). Als Beata Kerber herauskam, habe sie zu Landt gesagt: „Wenn jemand fragt, wer ich bin, sagst du: Frau Müller.“

Derweil holt Williams Satz zwei mit 6:3. Eurosport-Kommentator Matthias Stach setzt jetzt auf die Zähigkeit von Kerber. „So sind wir Düsternbrooker!“, ruft eine Frau stolz. Im dritten Satz dann wird jeder Ballwechsel mit „Aaaah“’s und „Ooooooh“’s kommentiert. Und sogar bei Doppelfehlern von Williams geklatscht, eigentlich nicht ganz die feine Kieler Art.

Insgeheim hatten sie es ja alle gehofft, aber es wirklich für möglich gehalten, was da passiert? „Uns-Angie“ wird doch nicht tatsächlich ... ? Grand-Slam-Champion? Doch! Nach dem verwandelten Matchball zum 6:4, 3:6, 6:4 springen alle 50 Mitglieder (auch die älteren) vor der Großbildleinwand von ihren Stühlen und johlen. Der Vorstand spendiert Prosecco. Unter den Feiernden sitzt Kiels Sportamtsleiter Ralf Hegedüs, der Kerber sofort einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt verspricht: „Sie muss nur einen Termin für uns frei haben.“