In einem Winkel des Wendlands hat sich die Journalistin Eva Kohlrusch einen Traum verwirklicht: einen Zaubergarten im Stil des Barock. Eine Führung durch die Beete und in die Seele ihres Gartens.

Ich bin nicht mehr so pingelig wie am Anfang", sagt Eva Kohlrusch. Und schnipst im Vorbeigehen trotzdem ein paar verblühte Rispen ab, damit die neuen mehr Kraft bekommen. So wie sie ihre Texte redigiert, denke ich. Überflüssige Adjektive raus, damit die wichtigen wirken. Eine Journalistin in ihrem Garten.

Aber dann sagt sie: "Man muss in einem Garten auch zulassen können."

Ein sonniger Spätsommertag liegt über dem Wendland, über dem unscheinbaren 195-Seelen-Dorf Künsche. Abseits der Hauptstraße öffnet sich da ein Traum: ein Zaubergarten mit geometrisch geordneten Gevierten, jedes anders bepflanzt und sauber von Hecken umschlossen, über die der Blick schon ins nächste Geviert fällt. Angefangen hat sie mit 18 000 Quadratmetern, inzwischen lässt Eva Kohlrusch schon 47 000 Quadratmeter zu. Das ist ein ganz großer Text. Ein Epos.

Da, wo wir jetzt stehen, wölben sich die rosa Blüten der Rosenstöcke rechts und links über blühende Lavendelbüsche. Eine Buchsbaum-Rotunde umschließt ein großes violettes Lavendelbeet, über dem die weißen Schmetterlinge taumeln; in der Mitte glitzert Regenwasser in einem Sandsteinbecken. Zwischen raffiniert ausgeschnittenen Ligusterhecken grüßt ein kleiner steinerner Faun aus dem nächsten Karree. Ein Barockgarten im Wendland.

Weit hinten beginnen die Wiesen und der Bruchwald. Als sich Eva Kohlrusch und ihr Mann Frank Markwald 1993 hier den alten Bauernhof kauften, wünschten sie sich vor allem ein ruhiges Wochenend-Domizil. Das Wohnhaus nach vorn wurde vermietet, der große Schweinestall hinten ausgebaut. Von Wiesenblick war allerdings noch keine Rede: "Wir guckten zuerst auf einen Müllplatz und auf eine Pferdekoppel", sagt Kohlrusch. Kompost, Baumschnitt, verrostete Eggen, Sperrmüll. 27 Tieflader-Abtransporte später lichtete sich das Dunkel. Eine jahrhundertealte Eiche stand endlich frei. "Jetzt hatten wir rechts einen Knick und links einen Knick und dazwischen 140 Meter."

Nicht, dass sie einen festen Plan gehabt hätte, sagt sie. Aber sie hatte Bilder im Kopf, aus Besuchen in italienischen Renaissance-Gärten in der Toskana, in französischen Barockgärten. Und Bilder, die noch viel älter waren: "Als Kind habe ich oft hinter meinem Opa auf dem Fahrrad gesessen. Wir sind durch Gärten hinterm Bahndamm gefahren. Ich konnte vom Gepäcksitz über die Hecken in die Gärten gucken, und jeder von ihnen war anders."

Das Bild hat sich eingeprägt: Sie wollte einen gegliederten Garten mit verschiedenen Gartenräumen zwischen Hecken und Alleen. "Ich wollte einen Garten wie einen Festsaal, den ich durchschreite und wo ich in mehrere Zimmer sehen kann."

Unter einem Dach flach gezogener Platanen treten wir in ein verspieltes Karree mit einem "Blumenparterre" voller Katzenminze und Purpurrosen; Mittelpunkt ist ein kleiner Brunnen inmitten wogender Lilien. Gegenüber folgt der Weiße Garten mit runden Buchsbaumkugeln und derselben Parterre-Struktur. Hier beginnt das Frühjahr mit weißen Fliederblüten, dann folgen weiße Spiräen und Rambler-Rosen, die stärker als Heckenrosen sind.

In den nächsten Gevierten liegen sich zwei Rotunden gegenüber, eine davon ist der kleine Seerosenteich. Ein heiter- melancholischer Song von den "Natural Born Hippies" scheint über ihm zu schweben: "It's so good to be here ..."

Die schönen eisernen Tor-Spaliere von Garten zu Garten fertigt ein Schmied in Brandenburg - aus Resten. Wer weiß, vielleicht ist ein Stück von zu Ribbeck auf Ribbeck im Havelland dabei .

Nach zehn Jahren war der Garten schon ein mehrbändiges Buch geworden, und Eva Kohlrusch brauchte Hilfe: Wilfried Leip ist seit Jahren ihr fest angestellter Gärtner, der pflanzt, schneidet, jätet, Spaliere bindet und Stauden zieht und im Sommer die Familie dazuholt. Stück für Stück nahmen die Festsäle Gestalt an.

Aber der Mensch denkt - und der Garten wirft alle schönen Konzepte über den Haufen. "Mein Garten hat zum Beispiel beschlossen, dass er kein Ort für Rittersporn sein will, wohl aber für Eisenhut", sagt Eva Kohlrusch. Im Sommer 2002, während der Jahrhundertflut, lief das Wendland zwischen Jeetzel und Elbe voll. Das Wasser versenkte auch Kohlruschs Sterndolden, Dahlien und Königskerzen - "alles war weg". Nein, nicht alles: Iris, Taglilien und Veilchen überlebten, sogar die betörend duftende Rose de Resht.

Also gut, es ist feucht, sagte sich Kohlrusch und setzte Erlen. Im Sommer 2003 folgte prompt die große Dürre, "und jeden Abend mussten wir an unsere Erlen stundenlang den Schlauch halten".

Hinter dem Gemüsegarten mit verschiedenfarbigem Kohl, Thymian, Essigkreuz und Rhabarber wird gerade ein neuer Teich angelegt, "für den Reiher", sagt Eva Kohlrusch. Eine ganze Reihe von Tieren bevölkert den Garten: vier Nachtigallen, Scharen von Amseln und Sperlingen, Fledermäuse, Libellen, Igel, Frösche, Hasen. Im Obstgarten suhlen sich im Winter die Wildschweine und holen sich die Falläpfel unter den Amor-Statuetten weg. Platz ist genug.

Wir suchen jetzt auch einen Platz: für die ausziehbare Leiter, damit Fotograf Patrick Piel den Garten von oben aufnehmen kann. In genau diesem sanften Nachmittags-Gegenlicht, sage ich, das habe ich mir so vorgestellt ... Wir kabbeln uns etwas über "redakteursferne" Ideen und "Gesamtverantwortung", während wir die Leiter von Ecke zu Ecke schleppen. Kaum steht er oben, verschwindet die Sonne hinter einer Wolke, und es wird schlagartig windstill. Also warten. Neidvoll hören wir Patricks Entzückensschreie von seinem Aussichtsturm.

Über dem rot blühenden Gamander am Teich kreisen brummend Bienen und Hummeln. Eigentlich merkwürdig, dass der Anteil von Frauen an der Gartenkultur erst so spät öffentlich geworden ist. Kaiserin Maria Theresia, Kurfürstin Sophie von Hannover schufen prächtige Barockgärten, Gertrude Jekyll einen berühmten englischen Garten. Kaum jemand weiß, dass Fürst Pücklers schöne Wörlitzer Parks von seiner Frau Lucie finanziert und mitgestaltet wurden; die gärtnerischen Dispute der beiden soll man kilometerweit gehört haben. Oder dass Hamburgs Römischer Garten maßgeblich von der Obergärtnerin Elsa Hoffa geprägt wurde.

Aber Hobbygärtnerinnen sehen in ihrem Garten vor allem ein ganz persönliches Refugium. Ein Gegengewicht zum Berufsalltag. Einen Spiel- und Rückzugsraum mit Kindern. Ein Garten erzählt von Jahresringen, Früchten, stürmischen Gewittern und Schweigen, lebensschwer und weltvergessen. Er ist der Hort der Entschleunigung. Von einem Seerosenblatt glotzt mich ein Frosch mit diesem "Küss-mich"-Blick an. Hier gehe ich nie wieder weg, denke ich, und wenn ich im Geräteschuppen wohnen und mich mit den Wildschweinen um die Äpfel streiten muss.

Die letzten Rosen sind bald verblüht. Auf mehrfach blühende Rosen hat Eva Kohlrusch verzichtet, der Garten soll keine Dauerpracht erzeugen. "Im Herbst ist er dann eben wie ein Festsaal nach der Ballnacht morgens um vier."

Und das muss man zulassen.

Am 5. und 6. September öffnen 14 Gärten im Wendland ihre Tore für Besucher, auch der Garten von Eva Kohlrusch: Lucieweg 17, 29439 Künsche. Am Eingang wird um eine Spende gebeten, es gibt Kaffee, Kuchen, Suppe und einen privaten Flohmarkt. Die Garten-Adressen finden Sie unter www.gartenraeume.eu