Als Neil Armstrong den Mond betrat, wurde Christian Carstens geboren. Am selben Tag, in derselben Minute. Er kennt sein Babyfoto aus dem Abendblatt - seine Berufswahl hat das nicht beeinflusst. Er wurde nicht Astronaut.

Christian Carstens ist keine Verschwörungstheorie. Ihn gibt es wirklich. Als Neil Armstrong aus seiner Raumfähre "Eagle" stieg und den kleinen Schritt machte, den er dann einen großen Sprung für die Menschheit nannte, wurde Christian Carstens im Kreißsaal der Frauenklinik Finkenau geboren. Am selben Tag, zur selben Minute: am 21. Juli 1969, um 3.56 Uhr. Seitdem wurde gerätselt, ob es die Mondlandung wirklich gegeben hat. Man fragt, warum die Fahne der Amerikaner wehte und warum sie bei minus 40 Grad auf dem Mond Fotos machen konnten. Carstens glaubt nicht an diese Verschwörungstheorien.

1969 am Abend des 21. Juli erschien ein Artikel über ihn im Hamburger Abendblatt - man taufte ihn das "Mondbaby" und zeigte ein Foto seiner Mutter Heidi mit ihm im Arm. Der kleine Christian wog 2680 Gramm und war 49 Zentimeter groß. Und der Fotograf fragte seine Mutter, ob ihr Sohn dann nicht auch mal Raumfahrer werden solle. "Zuerst einmal soll er gesund, stark und kräftig werden", antwortete sie.

Und das Mondbaby ist natürlich kein Astronaut geworden. Überhaupt findet Christian Carstens den Titel Mondbaby nicht so gut. Als ihn der Reporter jetzt anruft und eine Geschichte über ihn schreiben möchte, ist er nur verblüfft. Schließlich sei aus dem Mondbaby ja kein rebellierender Punker geworden, was dann vielleicht noch spannend gewesen wäre. Wer Carstens in Salzhausen bei Lüneburg besucht, fährt vorbei an der Waldklause, an kleinen Ständen, die Heidekartoffeln und Katenschinken verkaufen. Seit Carstens drei Jahre alt war, lebt er in Salzhausen. Vor ein paar Monaten ist er mit seiner Frau, deren Tochter und dem gemeinsamen Sohn in eine Doppelhaushälfte gezogen. "Salzhausen ist nahe an der Großstadt und trotzdem schön ruhig, mitten in der Natur", sagt Carstens. "Alle Geräte sind angemeldet", steht auf einer blauen Fußmatte.

Carstens arbeitet als EDV-Berater und Programmierer für AS/400. Wer bei Christian Carstens den Mond finden will, wird lange suchen - und vergebens. Keine Mondbilder an den Wänden, kein Teleskop auf dem Dachboden. Warum auch? Er sei glücklich - mit oder ohne Mond. Nur früher im Geschichtsunterricht konnte er auftrumpfen. Der kleine Christian wusste immer genau, wann die Amerikaner auf dem Mond gelandet waren - auf die Minute genau. Sein Vater hatte ihm den Artikel von damals und das Foto gezeigt, hatte es in seinem Portemonnaie aufbewahrt. Christian Carstens nicht. Und auch diesen Artikel werde er wohl nicht ausschneiden. "Das mache ich dann für ihn", sagt seine Frau. "Wenn Christian etwas nicht mag, dann ist es im Mittelpunkt zu stehen." Von dem Babyfoto hat ihr Mann mal etwas erzählt, als sie Cape Canaveral in Florida besucht haben. Ganz beiläufig. Wenn Carstens am 21. Juli seinen 40. Geburtstag mit einer kleinen Party in seinem Garten feiert, werden ein paar Freunde vorbeikommen. Auch der Mond wird leuchten wie immer.