Helmut Huntenburg fuhr auf dem Bremer Bananendampfer “Vegesack“, der am 16. Juli 1969 das Seegebiet vor Florida kreuzte, als plötzlich Metallteile vom Himmel auf das Oberdeck knallten. Es waren Trümmer der abgesprengten Startstufe von Apollo 11.

Der Morgen des 16. Juli 1969 begann grau, leicht diesig und mit einer schwachen Dünung. Der Bremer Bananendampfer MS "Vegesack" rollte daher nur sanft in der See, glitt mit flotter Fahrt durch die Florida-Straße, als der 30-jährige Funker Helmut Huntenburg gedankenverloren aus dem Bullauge schaute. Es war warm, und er schwitzte ein wenig in seiner weißen Uniform. Vor einigen Tagen hatte der Dampfer in New York abgelegt und sollte in Honduras Bananen laden. Huntenburg hatte gerade den aktuellen Wetterbericht im Funk verfolgt, hörte jetzt in die festgelegte, dreiminütige Seenotpause im Funkverkehr hinein. Ein merkwürdiges Kräuseln auf See riss ihn aus den Gedanken. Er eilte raus auf Deck:

"Hey", rief er zum Bootsmann, "Guck mal, was ist denn da hinten los, ein Fischschwarm?" "Keine Ahnung, da kommen jetzt auch Vögel", schrie der Bootsmann zurück.

Sekunden später der erste laute Schlag aufs Deck, dann wieder, immer mehr. Es prasselte förm-lich vom Himmel: Leichtmetalle, Schrauben, Bolzen, immer größere Trümmerteile klatschten ins Meer, einige auch auf die Luken. "Unter Deck Leute", schrie der 1. Offizier. Huntenburg und alle aus der Crew, die die Geräusche hinausgelockt hatte, rannten wieder zurück. Nach einigen Minuten hörte der Trümmerregen auf - wie ein kurzer Schauer. Niemand an Bord war verletzt worden, und außer ein paar Beulen gab es auch keinen Schaden.

"Erst einmal waren wir ziemlich ratlos, doch dann dämmerte es, was das für komische Vögel waren", erinnert sich der 70-jährige ehemalige Funker heute. Schon in den Tagen zuvor hatte die Vegesack-Mannschaft von der Apollo-11-Mission im Radio gehört. Zur Startzeit lag ihre Position nicht weit von Cape Canaveral entfernt. Doch dass sie so dicht ans Geschehen kämen, damit hatte wohl auch die Küstenwache nicht gerechnet: Die Trümmerteile, die da herabregneten und beinahe den Bremer Frachter versenkt hätten, stammten von der abgesprengten ersten Stufe der knapp 3000 Tonnen schweren Saturm-V-Rakete, mit der Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins gerade auf den Mond zurasten. "Später haben die aus unserem Erlebnis wohl gelernt", sagt Huntenburg, "danach wurde bei Raketenstarts in Florida das Seegebiet davor immer weiträumig abgesperrt."

Ein einziges Trümmerstück behielt die Mannschaft zunächst als Souvenir. "Ein ganz hartes aber leichtes Metall, da war vom Aufschlag nur eine Ecke leicht verbogen", erinnert sich Huntenburg. Offenbar eine damals noch geheime Legierung. In Bremen musste das Stück später offiziell dem amerikanischen Konsulat überreicht werden.

Doch im Juli 1969 beschäftigte das vom Himmel gefallene Raketenteil lange die Gespräche an Bord der MS "Vegesack". Auf die bevorstehende Mondland am 20. Juli (Ortszeit) war man nun höchst schlagartig aufmerksam gemacht worden. "ich habe die ganze Mission dann intensiv verfolgt", sagt Huntenburg.

Raumfahrt-Missionen wie Apollo 11 sollten für ihn aber noch mehr Bedeutung bekommen, als nur eine lebenslange Erinnerung daran: Bis 1978 fuhr er noch als Funker zur See, wurde dann Vater und arbeitete später an Land, zuletzt als Kaufmann in Hamburg. Mit der Raumfahrt etablierte sich in den 1990er-Jahren aber die Satelliten-Technik, die heute weltweites Telefonieren und GPS-Empfang ermöglicht. Auch von Schiffen aus. Speziell ausgebildete Funker und das Morse-Alphabet werden seitdem nicht mehr gebraucht, die traditionsreiche Seefunkstelle Norddeich-Radio sendete im Dezember 1998 ein letztes Mal. "Dass mit der Mondfahrt 1969 praktisch der Beginn vom Ende meines Berufes eingeläutet wurde", sagt Huntenburg " - das habe ich damals nicht einmal geahnt."