Das ist das neue Pseudonym von Komiker und Musiker Helge Schneider (53). Ist das jetzt beunruhigend? Seine Stimme jedenfalls klingt ein wenig sonorer als früher. Gerade hat er seine Autobiografie “Bonbon aus Wurst“ veröffentlicht und ist in den nächsten Wochen noch auf Tournee mit der Show “Komm, hier haste ne Mark!“.

Der neue Name ist eine Eingebung, wie er sagt. Er meint das ganz ernst. Überhaupt hat er heute wenig Lust auf Scherze. Ein Gespräch über künstlerische Veränderung, die Wirtschaftskrise und Barack Obama.

Journal:

In welcher Welt fühlen Sie sich am wohlsten - in der der Dichtung oder in der Wahrheit?

Helge Schneider:

Ich würde sagen, in beiden Welten. Eigentlich finde ich Autobiografien doof. Für mich als Künstler ist es uninteressant, mein Privatleben auszubreiten. Das geht keinen etwas an. Wenn jemand über meine Arbeit schreibt, ist es legitim.

Sie schreiben, man müsse immer mal für Irritationen sorgen. Warum?

Man muss gar nix. Das ist auch wieder eine Fantasie. Wenn jemand für Irritationen sorgt, dann fällt er auf. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mich für die nächste Tournee umzutaufen.

Wie nennen Sie sich denn zukünftig?

Mein neues Pseudonym ist Fump Kroeck Klomp. Der Name ist eine Eingebung, die mir im Auto beim Dösen gekommen ist. Als Helge kann ich im Ausland nichts werden. Als der Jazz-Saxofonist Roland Kirk sich Rahsaan nannte, dachten alle, er sei Moslem geworden, was damals modern war. Das stimmte aber gar nicht. Er hatte diesen Namen einfach geträumt.

Ihre nächste Tournee hat den Titel "Komm, hier haste ne Mark!" Das Programm zur Wirtschaftskrise?

Das war auch wieder so eine Eingebung. Mich persönlich beeinflusst die Krise nicht. Vielleicht tut sie es aber doch in meinem Zeugs, was ich da auf der Bühne mache. Im Moment werden aus Verzweiflung ganze Industriezweige verkauft, aber es müsste doch möglich sein, eine Autofirma wie Opel unter ihrem Namen weiterzuführen.

Waren Sie immer so unbeeinflusst von Krisen?

Anfangs bekam ich kaum Auftritte und musste deshalb Tagesjobs annehmen. Das durchzuziehen war sehr schwer. Wenn ich Geld habe, gebe ich es auch aus. Mein Chauffeur und Teekoch Bodo freut sich heute immer, wenn der Wagen leer ist. Dann haben wir mehr Platz für die Einkäufe. Zuletzt habe ich mir einen Koffer, handgearbeitete Wanderschuhe und Kamelhaarsocken angeschafft. Vielleicht kann die in 30 Jahren noch jemand anderes tragen.

Sie behaupten in Ihrem Buch, dass Ihre Schwester Putzfrau im Weißen Haus ist und Obama ein Fan von Ihnen. Ist es nicht eher umgekehrt?

Dass ich ein Fan von Obama bin? Nach außen wirkt dieser amerikanische Präsident natürlich sehr innovativ. Er ist auf jeden Fall ganz schön hart zu sich selbst und zieht einen Strom mit sich. Obama ist eine Respektsperson, gerade weil er so bunt ist. Er ist weder weiß noch schwarz und denkt zum Beispiel in der Nahostpolitik dem Anschein nach sehr realistisch. Für Leute, die nur an sich denken, ist er ein Hardliner, andere bezeichnen ihn als zu weich.

Sie machen sich Gedanken darüber, wie schnell sich die Welt in den letzten Jahren gewandelt hat - die Mode, die Menschen, die Gebäude. War früher alles besser?

Nee, das nicht. Ich kritisiere nicht unbedingt das Schnelle an sich, sondern das Verwerfen von Werten in schneller Zeit. In Deutschland werden zehn Jahre alte Autos auf den Schrott geworfen. Der Grund, weshalb man etwas neu baut, ist manchmal auch nicht ersichtlich. Ein Haus aus den 60ern, das uns aus heutiger Sicht als hässlich erscheint, genießt keinen Denkmalschutz, selbst wenn es mit Fantasie gebaut wurde. Vielleicht ärgert man sich dann in 20 Jahren darüber, dass es abgerissen wurde.

Sind Sie der Groupies wegen Musiker geworden?

Als ich mich entschloss, Musiker zu werden, hatte ich keine Freundin. Die anderen Jungs lernten in der Disko immer Mädels kennen. Ich war sehr schlecht darin. Ich dachte, wenn ich schön Klavier spielen kann, fragt mich vielleicht mal eine, ob ich ihr Unterricht geben kann.

Heute haben Sie fünf Kinder von vier Frauen. Ist die Fortpflanzung der eigentliche Sinn des Lebens?

Ich halte das Fortpflanzen nicht ausschließlich für den Sinn des Lebens. Viele Leute können sich ja gar nicht fortpflanzen. Der Sinn des Lebens liegt für mich auch darin, dem Unsinn zuzuhören, neue Entscheidungen zu treffen und trotzdem verlässlich zu sein.

Wie hat Ihre Bühnenkarriere eigentlich angefangen?

Mit 15 spielte ich erstmals öffentlich Klavier auf einer Fete in einer Schule für Sozialarbeiter. Dazu sang ich irgendeinen Quatsch halb auf Englisch und halb auf Deutsch. Mein erstes richtiges Konzert hatte ich mit 17. Wir waren ein Trio mit E-Piano, Bass und Schlagzeug. Der Vater des Bassisten hat mir damals 1500 Mark geliehen, damit ich mir ein elektrisches Piano von Fender Rhodes kaufen konnte. Das war damals groß in Mode. Chick Corea und Herbie Hancock spielten das auch. Das Konzert ging zwar tierisch ab, aber in den folgenden zwei Jahren hatten wir keine Auftritte mehr, sodass sich die Band irgendwann auflöste.

Wie wurden Sie schließlich zu dem Musikclown Helge Schneider?

Indem ich in irgendwelchen Jazzclubs im Ruhrgebiet, zum Beispiel dem Downtown in Essen, regelmäßige Sessions spielte. Wenn ich auf die Bühne kam, hörten die anderen oft auf zu spielen, weil ich immer beschwingtere statt modernistische Musik machen wollte. Irgendwann saß ich allein am Klavier. Um die Leute zu unterhalten, habe ich auch gesungen und dabei deutsche Texte erfunden. Peu à peu lernte ich dann auch Jazzmusiker kennen, und irgendwann stieg ich von Klavier auf Saxofon um, weil man das mitnehmen konnte. Einmal fuhr ich nach München zum Konzert eines bekannten Jazz-Saxofonisten. Ich stieg zu ihm auf die Bühne und wollte mitspielen. Aber dann sind die anderen auch schon wieder gegangen.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Irgendwann beschloss ich, es alleine machen zu wollen. Ein Freund half mir, die Instrumente und die Anlage zu tragen. Da ich keinen Führerschein hatte, mussten wir Straßenbahn oder Zug fahren oder auch laufen. Das war sehr mühsam, aber auch unheimlich lustig, weil wir manchmal fehl am Platz waren. Einmal spielten wir auf der Party zum 15-jährigen Bestehen eines Taekwondo-Klubs. Die dachten, wir machen Unterhaltungsmusik.

Ihr Schlagzeuger Pete York ist einer der renommiertesten Taktgeber in den Bereichen Rock, Jazz und Blues; Ihr 2005 verstorbener Bassist Jimmy Woode begleitete einst die Weltstars Ella Fitzgerald, Duke Ellington und Eric Dolphy. Arbeiten Sie nur mit den Allerbesten?

Ich spiele mit denen, die für unsere Show am allerbesten sind. Sicher ist Pete York ein berühmter Mann, aber Sergej Gleitmann, den man in der Musikszene sonst vielleicht nicht so kennt, ist in dem Moment auch berühmt, wenn er mit uns auf Tournee geht. Mein Ex-Orgelspieler Buddy Casino tritt zum Beispiel genauso unter eigenem Namen auf wie auch mein damaliger hervorragender Schlagzeuger Peter Thoms.

Ihre Begleitband war lange Zeit Hardcore, bestehend aus Buddy Casino und Peter Thoms. Wird es jemals eine Reunion geben?

Hardcore wird es nie mehr geben. Es war eine super Zeit, aber auch sehr anstrengend für mich. Die größere Besetzung mit Bass und Klavier habe ich lieber. Mit Jochen Bosak und Rudi Olbrich spielte ich schon vor 30 Jahren auf Hochzeiten. Im Moment verspüre ich Lust, mit dem Saxofon drauflos zu jammen. Das geht mit einer Rhythmusgruppe mit Bass dabei besser.

In Berlin gaben Sie kürzlich drei reine Jazzkonzerte. Wird es weitere geben?

Das glaube ich nicht. Ich habe das, was ich jetzt mit meiner Gruppe mache, erfunden, weil mir Musik allein zu wenig war. Ich wollte die Leute zum Lachen bringen. Der Weg von der Musik zur Komik war für mich nicht weit. Der dänische Pianist Victor Borge und der Schweizer Clown Grock waren meine Vorbilder. Die haben schon vor einem halben Jahrhundert und eher Musik und Komik vereint.

Angeblich wollen Sie keine Studioplatten mehr aufnehmen, weil Jazz nur aus dem Moment lebt.

Ich setze mich nicht mehr so gern ins Studio, um Aufnahmen zu machen. Eine Vinylschallplatte war für mich noch ein Gesamtkunstwerk. Dann kam die CD, und ich fand es total doof. Es machte viel weniger Spaß, dafür die Cover zu gestalten, weshalb ich mich an meinen Plakaten festhielt. Früher malte ich sogar die Schrift selber, schnitt die Buchstaben aus und klebte das Ganze mit Pelikanol zusammen. Zum Künstlerischen gehört auch, dass man sich von einer Arbeit einmal frei macht. Aber am Computer ist sie nie richtig fertig. Man hat zwar Tausende von Möglichkeiten, doch das Künstlerische bleibt irgendwo in der Elektronik hängen. Obwohl ich ein Handy besitze, fände ich es gut, wenn wir noch Telefone hätten, bei denen man an einer Kurbel dreht und vom Fernmeldeamt verbunden wird.

Rauchen Sie noch?

Ab und zu rauche ich noch eine. Neuerdings habe ich den Tick, mittags ein Glas Rotwein zu trinken. Das tut gut, haben so Opas im Fernsehen gesagt. Aber heute habe ich's vergessen.

Helge Schneider - "Bonbon aus Wurst. Mein Leben" [144 Seiten, KiWi 1100, 7,95 Euro + Ungekürzte Autorenlesung auf 3CDs (Tacheles!/Indigo)]