G.M.B. Akash wurde 1977 in Bangladesch geboren. Seine sozialkritischen Fotos wurden in über 30 international bekannten Magazinen publiziert. Seine Arbeit wurde mit zahlreichen Preisen gewürdigt.

Als G.M.B. Akash in Fuhlsbüttel landete, sah er das erste Mal in seinem Leben Schnee. Es war sein zweiter Besuch in Hamburg. 2006 war der vielfach ausgezeichnete Fotograf (u.a. dritter Platz des World Press Photo Award 2006) schon einmal hier gewesen für vier Tage, beruflich. Doch als der Bangladescher im Januar dieses Jahres nach Hamburg kam, war es für länger. Und nicht freiwillig.

Wegen seiner sozialkritischen Fotos musste er aus seiner Heimat fliehen. Seine Bilder zeigen Randwelten der Gesellschaft: Transvestiten, die von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Junge Prostituierte, die neben ihren Freiern liegen. Straßenkinder, die sich mit Drogen betäuben. Durch Bomben verstümmelte Menschen. Alte Menschen, die auf der Straße betteln. Mütter, die Müllhalden durchstöbern. "Das ist zwar nur ein kleiner Teil des Lebens in Bangladesch, ein Ausschnitt", sagt Akash. "Aber die schönen Seiten der Gesellschaft haben mich nie interessiert." Er selbst stammt aus guten Verhältnissen, wuchs im wohlhabenden Mittelstand auf. Doch seine Arbeit gilt den Ärmsten der Armen, den Ausgestoßenen. Akash deckt Missstände auf, möchte etwas bewegen. Für sein Fotobuch "First Light" erhielt er den American Graphic Design Award. Viele internationale Magazine wie "Geo", "Time", "Spiegel", "Newsweek", "Art Asia Pacific", "El Mundo" und "Sunday Telegraph" drucken seine Bilder.

Sein Mut hat dem 30-Jährigen schon viel Ärger eingebracht. Er bekam Morddrohungen. Unbekannte drangen in sein Haus ein, durchsuchten seine Dateien und Bilder. Zum Glück war er nicht da. Er versteckte sich bei Freunden, traute sich nicht mehr zur Arbeit. In seiner Not wandte er sich an eine Kollegin beim Magazin "Geo". Sie holte ihn mithilfe der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte für ein Jahr in die Hansestadt. Bis Gras über die Sache wächst und Akash zu Hause in Vergessenheit gerät.

Das ist schwieriger, als er sich das vorgestellt hat. Am Anfang gab er viele Interviews. Deren Inhalte kann er nicht kontrollieren. Er spricht kein Deutsch, verständigt sich auf Englisch. So fühlt er sich manchmal missverstanden. Aber er fühlt sich auch verpflichtet, etwas zurückzugeben. "In Bangladesch ist es so: Hat dir jemand einen Gefallen getan, kannst du nicht Nein sagen", sagt Akash. "Doch Interviews, die ich hier gebe, werden auch in Bangladesch gelesen", sagt er. Daheim werfen ihm seine Kritiker vor, er würde sein Land hier schlechtreden. Dabei liebt er es. "Bangladesch ist meine Heimat. Es bedeutet mir sehr viel. Auch wenn es eines der ärmsten Länder der Welt ist, die Menschen dort sind stark, beklagen sich nie."

Akash und seine Frau Trisha wohnen in einer Wohnung im Schanzenviertel, die ihnen die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte stellt. Er versucht auch in Hamburg seiner Arbeit nachzugehen. Was anderes gibt es für ihn hier nicht zu tun. Motive findet er genug. Doch nicht nur das Wetter ist hier anders. "Unsere Kulturen sind total verschieden", sagt Akash. Es fällt ihm schwer, das deutsche Gesellschaftssystem zu verstehen. Das wirkt sich auch auf die Qualität seiner Arbeit aus. In Bangladesch wählt er eine Gruppe am Rand der Gesellschaft aus, die er über längere Zeit begleitet. So brauchte es ein Jahr, bis er die Homosexuellen und Transvestiten, die sich verstecken müssen, fotografieren durfte. "Ich habe sie beinahe jeden Tag besucht, ihnen Essen gebracht, mit ihnen geredet und ihnen meine Arbeit erklärt", erzählt Akash. Sogar seine Mutter brachte er mit. Irgendwann vertrauten sie ihm. Einige ließen sich fotografieren. Mit seinen Bildern plädiert Akash für Toleranz.

Das Leben in Hamburg kann er nur aus der Distanz wahrnehmen, als Außenseiter. Um hier Obdachlose längere Zeit mit der Kamera begleiten zu können, ist er auf Hilfe angewiesen, denn sie sprechen nicht dieselbe Sprache. Daher ist er froh, dass ihm die freie Journalistin Claudia Hangen zur Seite steht. Sie ist sein Sprachrohr. Oft zieht Akash aber auch allein los. Er fotografiert alles, was ihm auffällt: junge Punks, die mit ihren Hunden herumlungern, Straßenmusiker oder Paare, die sich öffentlich küssen - etwas, das in Bangladesch undenkbar wäre. Oft trifft er auch auf alte, einsame Menschen, die verloren wirken. Da ist diese alte Frau, die kaum noch laufen kann. Sie hat niemanden, mit dem sie reden kann. "Sie sieht sehr deprimiert aus." Nur durch Körpersprache, Augenkontakt und ein schüchternes Lächeln kann er seine Absichten mitteilen. Einige pöbeln, wenn sie Akash mit der Kamera sehen, andere dulden ihn. Und doch erscheint ihm Deutschland wie der Himmel: "Das Leben ist komfortabel." Daher kann er nicht verstehen, dass er oft in leere Gesichter schaut. Was er auch nicht versteht: Einige Obdachlose, die er traf, machten auf ihn den Eindruck, als hätten sie sich mit dem Leben auf der Straße abgefunden. "Manche sind stark. Sie könnten Arbeit finden", sagt Akash. "In Bangladesch haben die Obdachlosen keine Wahl." Es gibt nichts zu tun und keine Hilfe für sie.

Aber auch Hamburgs schöne Seiten hat Akash wahrgenommen. Er hat viele Kontakte hier knüpfen können. Die Menschen, die er näher kennenlernen durfte, haben ihm und seiner Frau sehr geholfen. "Sie luden uns zum Essen oder ins Kino ein", sagt Akash. Kollegen aus der Fotoredaktion von "Geo" heißen ihn jederzeit dort willkommen. "Die Menschen hier sind sehr höflich und pünktlich", sagt Akash. "Das mag ich." Und dass er so viel positives Feedback für seine Arbeit bekommt, ist er nicht gewohnt. "In Bangladesch hat der Beruf des Fotografen nicht so einen hohen Stellenwert wie hier", sagt Akash. Zahlreiche Ausstellungen (16.9. in Sievershausen im Antikriegshaus, 25.10. im Europäischen Parlament in Brüssel) und Fotovorträge hat die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte für Akash organisiert. Am meisten freut er sich aber über Briefe von Lesern, wie dem eines zehnjährigen Mädchens aus Norwegen. Es wollte wissen, wie es den Straßenkindern in Bangladesch helfen könnte. Solche Reaktionen zeigen ihm, dass seine Arbeit etwas bewirkt. Und aus diesem Grund wird er die Fotografie auch nie aufgeben, trotz all des Ärgers und der Gefahren. Es ist seine Bestimmung, nicht bloß ein Job. "Wenn es bei meiner Arbeit um Geld ginge, würde ich Mode fotografieren", lacht Akash. Daher will er im Dezember auch wieder nach Bangladesch zurückkehren. Die Sehnsucht nach seiner geliebten Heimat ist einfach zu groß.

\* Ausstellung: Bilder aus Hamburg und Bangladesch, vom 11. bis zum 28. Dezember im Hamburger Rathaus, Montag bis Freitag von 7 bis 19 Uhr, Sonnabend und Sonntag von 10 bis 14 Uhr, Eintritt frei.

"Ein Mensch ist, wer immer ein wenig mehr Mut hat, als er verzweifelt ist."

GÜNTHER WEISENBORN (1902-1969), DT. DRAMATIKER