Christiane Zander bricht immer wieder aus in eine andere Welt, tauscht die Robe der Staatsanwältin gegen den Khaki-Anzug der Abenteurerin. Während andere stolz ihre Urlaubsfotos zeigen, präsentiert sie ihre gemalten und gezeichneten Erlebnisse. Ein Plädoyer für die Malerei.

Ein paar Elefanten scharen sich am Ufer um ihren toten Artgenossen. Milzbrand hat das Tier dahingerafft. Christiane Zander, eine Staatsanwältin aus Hamburg, die sonst Verbrecher anklagt, bringt ihre zwei Digitalkameras in Position. Sie hockt nur fünf Meter entfernt in einem kleinen Holzboot. 39 Grad, drückende Hitze liegt über dem Chobe-Fluss im Nordosten Botswanas. Die mächtigen Tiere stoßen verhaltene Töne aus, befühlen mit ihren Rüsseln den toten Kadaver. Es ist eine "Elefanten-Trauerfeier" in Afrika. Minuten verharren die Tiere so, Momente, die die Hamburger Juristin nie vergessen wird. "Da hatten ich und meine Mitreisenden feuchte Augen", erinnert sich Christiane Zander. Augenblicke, in denen Gesetzesbücher, Paragrafen, Alltagsprobleme für sie weit weg sind.

Früher hat sie mal Pferde gemalt. In ihrer Anfangszeit. Nur so, als Hobby. Bei Kaffee-Kaufmann Albert Darboven hängt ein Werk von ihr. Sein Derbysieger "Pik König" von 1992. Längst sind es ferne Abenteuer wie die Elefanten-Trauerfeier, die Christiane Zander in den vergangenen Jahren festgehalten hat in Tausenden von Fotos, Skizzen und Gemälden. In Öl, Pastell, Bleistift, Kohle. Auf Leinwand und Papier. An den Wänden und in den Schubladen lagern die Dokumente der Hobby-Künstlerin. Südamerika, Afrika. Ihre prägendsten Eindrücke? Peruaner auf dem Wochenmarkt. Im klapprigen Propeller-Flieger übers Okavango-Delta in Botswana, Himba-Nomaden im Norden Namibias, Zulu-Tänzer in Südafrika.

Motivsuche im Khaki-Anzug

Christiane Zander sitzt auf dem Sofa. Eine schlanke Frau, 53 Jahre alt. Helle Bluse, goldfarbene Jacke. Wenn sie unterwegs ist, auf Abenteuer- und Motivsuche, dann trägt sie Khaki-Anzug. Und Tropenhut. Niemand würde ahnen, dass die Frau sonst in schwarzer Robe im Gerichtssaal verhandelt. In Hamburg Diebe, Räuber, Vergewaltiger anklagt.

Seit Mitte der 70er-Jahre ist sie auf Motivsuche. Marokko, quer durch Lateinamerika, mal nach China. Und immer wieder Afrika. Namibia, Südafrika, Botswana, Kenia, Tansania... Dabei ist sie keine Draufgängerin. Sie informiert sich, nimmt Reisewarnungen vom Auswärtigen Amt ernst. Lässt sich impfen. Sie überlegt, warum sie der "Afrika-Virus" erwischt hat. "Afrika hat etwas Magisches", sagt sie. Schwärmt sich in die Ferne. Unter die Sonne Afrikas. In Steppen, endlose Savannen. "Da ist der Himmel, die Stille, sind die Sterne. Da hast du Frieden mit dir selbst, ein Gefühl, das süchtig machen kann."

So wie im vergangenen Jahr. Im Amboseli Nationalpark, im Südwesten Kenias. Der Jeep, in dem auch Christiane Zander sitzt, zuckelt stundenlang durch die Einöde. Hitze. Stille. Dann ist sie in einem kleinen Dorf. Ein paar Hütten. Kein Strom. Wasser gibt es aus einem Bach. Da steht die Anklägerin aus dem deutschen Norden auf einmal zwischen Massai-Kriegern, die Togen tragen. Und sie anlächeln. Christiane Zander schaut in die Hütten. Sie sind stockdunkel. Ein paar Feuer brennen hier und da. Viele Massai haben Augenkrankheiten. Wegen der beißenden Rauchluft. "Das ist, als ob man in die Steinzeit katapultiert wird." Christiane Zander macht Fotos. Skizzen. Alles für den Malblock, für die Gemälde daheim.

Zu Hause lässt sie in monatelangen Mal-Sitzungen die Welt ihrer Abenteuerreisen wieder aufleben. "Dann leg ich mir afrikanische Musik auf und träume mich wieder dorthin", sagt sie. Ihr Hobby, das sei Ausgleich zu ihrem oft harten Job. Sie lacht: "Bei den Reisen, beim Malen ist der Job vergessen. Da kann ich abschalten."

Eigentlich wollte sie Malerin als ihren Beruf wählen. Schon als Kind, dachte sie. In Buxtehude wuchs sie auf. Behütet. Sie malte alles, was sie sah. Am liebsten Pferde. Aber Kunst als Beruf ? Ihr Vater, ein Tierarzt, und die Mutter hatten Vorbehalte. "Sie wollten, dass ich etwas Anständiges, Bodenständigeres lerne", sagt sie und schmunzelt. Also die klassische Laufbahn: nach dem Abitur Jura-Studium und Referendariat in Hamburg und Israel. 1981 wurde sie Staatsanwältin.

Doch die Malerei ließ sie nicht los. Sie wälzte Malbücher und übte sich weiter autodidaktisch im Umgang mit Zeichenstift und Pinsel. Eines Tages zückte sie den Zeichengriffel in Strafprozessen. Sie fertigte Skizzen an, von Angeklagten, von Zeugen. Das sei bisweilen nützlich für den Job. "So bleibt zum Beispiel der Eindruck eines Angeklagten oder eines Zeugen viel intensiver haften." Malen also auch im Dienst. Sie hatte schon Ausstellungen. Einmal kam sogar der Generalbundesanwalt zur Eröffnung.

In ihrem Wohnzimmer - beiger Teppich, ockergelbe Gardinen, Ledersofa - an den Wänden die stummen Zeugen ihrer Reisen. Ein Afrikaner, ein junger Mann, hockt auf dem Boden. Seine Hände, wie zum Gebet gefaltet, sind auf die Knie aufgestützt. Er schaut nachdenklich. Oder: Der Busfahrer, der Christiane Zander vor vier Jahren Tausende von Kilometern durch Namibia chauffierte. Aus ihren Fotos schafft sie solch eigene Gemälde. Weniger Landschaften, meist Menschen. "Die interessieren mich", sagt sie, und ihre Augen strahlen. Das Sichauseinandersetzen mit den Motiven, das sei "wie eine Zwiesprache. Manchmal sitze ich vor den fast lebensgroßen Porträts und würde zu gerne wissen, was in dem anderen vorgeht." Ihr nächstes Abenteuerziel steht schon fest. Libyen, Nordafrika. Und wie? Christiane Zander lacht: "Mit den Touareg in die Sahara."