Die wiedervereinte Republik ist bald zwei Jahrzehnte alt. Der Fotograf Reto Klar und sein Vater Dieter haben auf einer ungewöhnlichen Deutschlandreise Orte in Ost und West gesucht, die den gleichen Namen tragen. Das Journal stellt einige ihrer Bilder in einer Serie vor.

Die Freie Hansestadt Bremen (West) ist mit 550 000 Einwohnern die zehntgrößte Stadt Deutschlands und ein eigenes Bundesland - mit Hamburg, dem 120 Kilometer entfernten anderen norddeutschen Stadtstaat in herzlicher Abneigung verbunden. Bis zur Nordsee sind es, die Weser hinunter, 60 Kilometer. Die Lage machte Bremen schon seit dem 8. Jahrhundert zur Kaufmannsstadt. Heute ist sie Standort der Hochtechnologie.

Bremen (Ost) liegt im Wartburgkreis in Thüringen und war die westlichste Stadt hinter dem Eisernen Vorhang. 320 Einwohner leben in Bremen, das vor 15 Jahren in die Stadt Geisa eingemeindet wurde. Seit dem Mauerfall werden die vergessenen Orte im Grenzgebiet wiederentdeckt. So führt auch der Jakobsweg von Fulda nach Schweinfurt durch Bremen.

Er galt als der heißeste Punkt in der Zeit des Kalten Krieges, der legendäre "Point Alpha". Hier, zwischen den Orten Rasdorf in Osthessen und Bremen in Westthüringen standen sich Nato und Warschauer Pakt - die beiden hochgerüsteten Militärblöcke - 40 Jahre lang auf Rufweite gegenüber. In der sogenannten "Fulda Gap" würde der Dritte Weltkrieg mit großer Wahrscheinlichkeit seinen Ausgang nehmen. Das glaubten zumindest die westlichen Militärs.

Der ehemalige Beobachtungsstützpunkt Point Alpha war zwischen 1946 und 1989 ein wichtiger Posten der US-Armee in Europa. Hier, direkt gegenüber dem westlichsten Punkt des Warschauer Paktes, waren es kaum mehr als 100 Kilometer nach Frankfurt am Main. Tag und Nacht beobachteten Soldaten der unterschiedlichen Lager einander auf zwei Wachtürmen, den Finger am Abzug.

Das Nachkriegsschicksal des ostdeutschen Bremen war 1944 auf Konferenzen der Alliierten in London und Jalta festgelegt worden. Zwar wurde der Ort, in dem heute kaum mehr als 300 Einwohner leben, Anfang 1945 zunächst durch amerikanische Truppen besetzt. Aber schon im Sommer verlassen die US-Soldaten wieder das Gebiet - das Thüringer Land gehört zur sowjetischen Besatzungszone. Die Sowjetarmee übernahm den Grenzdienst, später setzte die DDR eine eigene Abteilung ein, die "Deutsche Grenzpolizei". Die ostdeutsche Republik baute die Befestigungsanlagen entlang der Westgrenze schrittweise zu einem tief gestaffelten, nahezu unüberwindbaren System von Sperranlagen aus.

In der Region um Bremen startete der Aufbau der ersten Grenzbefestigungen im Jahr 1952. Im gleichen Zuge wurde die Eisenbahnstrecke Vacha-Motzlar stillgelegt und abgebaut. Bremen lag in der Sperrzone, nachdem alle Gebiete in einem Abstand von weniger als fünf Kilometern zur Grenze zum Sperrgebiet erklärt worden waren.

Die Sperrzone bedeutete so etwas wie Isolation. Besucher von außen konnten nur noch mit einer Sondergenehmigung in das Gebiet fahren. Selbst für Familienangehörige, die außerhalb wohnten, wurde es immer schwieriger, ihre Verwandten zu besuchen. Sie benötigten dafür einen befristet ausgestellten Passierschein, der aber nur nach kaum nachvollziehbaren Kriterien vergeben wurde. Kritiker der DDR oder Menschen, die Fluchtabsichten äußerten, wurden zwangsumgesiedelt.

Zudem wurden im Zusammenhang mit der Grenzsicherung unmittelbar an der Grenze liegende Gebäude abgerissen. Landwirtschaft war nur noch unter Aufsicht möglich. Gewerbebetrieben wurde die Geschäftsgrundlage entzogen. Als im August 1961 in Berlin die Mauer errichtet wurde, war die direkte Trennlinie zwischen Ost und West durch Stacheldraht und Minenfelder bereits zu einer kaum mehr überwindbaren Barriere geworden.

Mit dem Fall der Mauer im Jahr 1989 verlor auch der Point Alpha seine strategische Bedeutung. Zunächst wurde das Gelände als Asylbewerberheim genutzt. Doch Mitte der 90er-Jahre erinnerte man sich an die historische Bedeutung des Ortes und beschloss, das US-Camp zu erhalten und mit der Gedenk- und Begegnungsstätte Point Alpha an die Zeit des Kalten Krieges zu erinnern. Grenzsperranlagen, Türme und Erdbunker vermitteln einen Eindruck der gefährlichen Eiszeit des Kalten Krieges.