Für die Jünger des Mac teilt sich die Welt in Gut (Apple-Produkte) und Böse (alle anderen). Vor einem Vierteljahrhundert veränderte sich mit einem Werbespot die Computerwelt. Eine Liebeserklärung an eine Marke. Oder ein Glaubensbekenntnis.

Neulich, morgens in der S-Bahn. Ein junger Mann, weiße Kabelstränge an beiden Ohren, einen Kaffeebecher in der einen Hand, ein iPhone in der anderen. Und an der Jacke einen großen Anstecker. Auf dem waren links in heldenhaftem Weiß US-Präsident Barack Obama und die Worte "I'm a Mac". Und rechts, in finsterem Darth-Vader-Schwarz sein unterlegener Gegen-Kandidat John McCain. Und darunter? "Im a PC". Das reichte, um ein inneres Band zwischen uns herzustellen. Einfach so. Ohne Worte. Wir beide gehören zu den Guten. Wir beide lieben Apple. So. Nun ist's raus.

Der entscheidende Unterschied zum Rest der Welt ist für unsereins einfach. Es gibt Computer, und es gibt Macs. Und bevor sich hier jemand bemüßigt fühlt, die Stefan-Raab-Vokabel "Dauerwerbesendung" zu erwähnen: Ja klar, es gibt auch noch andere Hersteller, die leistungsfähige Computer zu vernünftigen Preisen bauen, mit denen man einige wichtige, viele schöne und noch mehr nutzlose Dinge anstellen kann. Aber die interessieren mich nicht. Die haben kein Apfel-Logo. Die sind nicht von Apple. Die sind hässlich und sehen in aller Regel aus wie grausam mutierte Schuhkartons oder plattgebügelte Verteilerkästen. Andere Laptops sind einfach zu, wenn man sie zuklappt, wie tot. Mein MacBookPro nicht. Da atmet ein kleines Lämpchen, liebevoll in den handschmeichelnden Alu-Korpus eingelassen, sanft ein und aus, wie ein cooler Kumpel, der entspannt mit einem Bier in der Hand in der Ecke sitzt und wartet, bis man wieder mit ihm plaudert.

Um den ideologischen, fast schon religiösen Streit Apple gegen Microsoft oder David gegen Goliath zu verstehen, muss man sich ein Vierteljahrhundert zurückversetzen, in eine Zeit, in der Computer etwa so kryptisch waren wie die "Enigma"-Maschine im Zweiten Weltkrieg. Man konnte sie anfassen, aber man konnte sie nicht begreifen.

Aus heutiger Sicht ist der erste Apple Macintosh natürlich schlimmer als ein Faustkeil, und auch in etwa so ästhetisch. Ein kleines, beiges, schweres Kästchen, in dem ein Schwarz-Weiß-Monitor flimmerte. Hatte ein Diskettenlaufwerk, lächerliche 128 Kilobyte Arbeitsspeicher, keine Festplatte, eine Maus mit einer Taste, die eher wie eine rustikale Käsereibe aussah. Aber wenn man die niedliche Kiste unter Strom setzte, wurde man von einem grinsenden Gesicht empfangen. Im Januar 1984 wurde der Mac in einem Werbespot angekündigt, der Geschichte schrieb. Der Spot wurde einmal gezeigt. 60 Sekunden in einer Pause des US-Football-Heiligtums SuperBowl, für stolze 900 000 Dollar. Hollywood-Regisseur Ridley Scott zeigte eine athletische junge Frau, die im Sportdress leichtfüßig durch graue, geknechtete Arbeitermassen sprintete, um schließlich einen Hammer in einen Riesenbildschirm zu schleudern, von der aus eine Big-Brother-Fratze dröhnende Propaganda ausspuckte. Als der Spuk vorbei war, erklärte ei-ne Stimme, der Mac würde dafür sorgen, dass 1984 nicht so wird wie Orwells düstere Utopie "1984". Am Ende taucht ein hippiebunter angebissener Apfel auf. Das Markenzeichen.

Ein Jahr später kam Windows auf den Markt. Wer mit dem großen Bruder gemeint war, wurde im Laufe der folgenden Jahrzehnte jedem klar, der schon einmal mit den kasernentonartigen Fehlermeldungen eines Microsoft-Programms gemaßregelt wurde oder im Hotline-Niemandsland Rettung vor Treiber-Chaos erflehte. Ich hatte nie eins von diesen Dingern. Der Rest des Lebens nervt schließlich schon genug.

Beim Mac war alles anders. Wer etwas löschen wollte, ließ es auf der grafischen Oberfläche einfach in einen Papierkorb plumpsen, wie im richtigen Leben eben. Man stapelte Dokumente oder packte sie ordentlich in Ordner, man schrieb, malte, druckte vor sich hin. Kinderleicht. Eine Kulturrevolution.

Apple-Besitzer erinnern die anderen nur zu gern daran, dass sie die leidigen Virenwegputzaktionen nicht kennen, dass in aller Regel alles sofort läuft, wenn man mit einem neuen Rechner zur Jungfernfahrt startet. Das beliebte Gegenargument mit dem Preis wird dann ebenso routiniert weggelächelt.

Der Rest der Geschichte seit 1984 ist nicht unkompliziert, aber schnell erzählt. Apple-Rechner wurden Kult. Aber nie für alle. 1998 kamen die ersten iMacs auf den Markt, bonbonbunte Riesenkiesel, aus denen vorn ein Monitor herausschaute. Dann setzte Apple die Farbe Weiß radikal in der Formsprache der Produkte ein, später Aluminium und Schwarz. Der erste iPod Shuffle sah aus wie ein klinisch verpacktes Kaugummipäckchen. Und das iPhone bekam den Spitznamen "Jesus Phone", obwohl man damit nicht übers Wasser wandeln kann. Das MacBook Air, stellenweise das dünnste, das man für zugegebenermaßen viel Geld kaufen kann, ist so flach, dass ein Tester sein Exemplar versehentlich in einem Stapel alter Zeitungen entsorgt haben soll. Apple-Fans lieben solche Geschichten.

Und sie pilgern - wie orthodoxe Wagnerianer nach Bayreuth - Januar für Januar zur großen MacWorld-Verkündigung nach San Francisco. Wann immer Firmengründer und Übermythos Steve Jobs dort zum Hochamt bat, drehten die Spekulationsköche in den Gerüchteküchen des Internets durch. Denn Jobs ist viel mehr als nur der Boss. Er ist für seine Anhänger eine fast gottgleiche Gestalt. Pop und Wirtschaft, Lifestyle und Design, elitärer Dünkel und eine Portion Selbstironie kommen zusammen, wenn der Heilsversprecher seine Predigt beginnt.

Ein Kollege der "Frankfurter Rundschau" kam nach einer gehörigen Portion vom Apfel der Erkenntnis zu der Einsicht: "Das Einzige, was Apple noch zur rechten Religion fehlt, ist die Transzendenz. Apple hat weder die Aura des Heiligen, noch gibt es einen Himmel, in den man kommen kann, oder ein Versprechen auf eine andere Welt. So kann man Apple als Religion des Diesseits verstehen, deren transzendenter Raum der Datenraum ist." Jeder kann Mitglied werden, auch geläuterte Konvertiten. In diesem Jahr ließ sich "iJobs" krankheitsbedingt bei der MacWorld entschuldigen. Die Gemeinde bangt, doch sie wankt nicht. Und während die ganze Welt um uns herum in einer Wirtschaftskrise steckt, meldet Apple gerade ein sattes Umsatzplus. Das kann kein Zufall sein, wenn man mich fragt. Aber ich bin ja auch befangen.