Schon als Jugendliche wollten sie Menschen helfen. Aber nicht einfach nur so als Ärzte in Deutschland. Sondern da, wo sie wirklich gebraucht würden. Vor einem Jahr haben sich Martina und Klaus-Dieter John ihren Traum erfüllt. Sie bauten ein Krankenhaus im Hochland von Peru. Nötig waren dazu nur: Spenden und ein fester Glaube. Jetzt kommt der Arzt nach Hamburg, um von seiner Arbeit zu erzählen.

Die alte Dame kommt auf einem Pferd dahergeritten, langsam, beinahe vorsichtig. Die 70 mag sie wohl schon überschritten haben. Ihr Gesicht ist voller Sorgenfalten, schmerzverzerrt. Über Lehmwege, Pfade vollerGeröll ist sie hierher gekommen, beschwerlich war es. Aber unerlässlich. Weil sie krank ist, Hilfe braucht. Vor dem Portal des hochmodernen Gebäudes aus Stein bringt sie das Pferd zum Stehen. Ärzte und Pfleger in weißen Kitteln helfen der Indianerin beim Absitzen. Willkommen im Hospital Diospi Suyana.

Die Frau ist kein Einzelfall - ein Patientenschicksal von Hunderten im Missionskrankenhaus in der südperuanischen Andenstadt Curahuasi. Ein Hightech-Hospital auf 35 000 Quadratmetern und in 2600 Meter Höhe im Armenhaus Perus, erbaut für etwa 8 Millionen US-Dollar. In diesen Wochen feiert es sein einjähriges Jubiläum. Es ist das wohl größte deutsche private Medizinprojekt, auch Hamburger Firmen spenden dafür. Am 21. Oktober wird Klaus-Dieter John das nächste Mal in die Stadt kommen und vor Mitgliedern des Lions Clubs Hamburg-Alster sprechen, um diesen sein Projekt vorzustellen.

Ein gewaltiger Krankenhaus-Komplex inmitten von Feldern im Hochland Perus, der ursprünglichen Heimat der Quechua-Indianer, der Nachfahren der Inkas. Knapp 1000 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Lima steht es: ein Hospital mit hochmodernen Geräten, Operationssälen und Ärzten, entstanden aus dem Nichts. Aus Spenden. Es ist das Werk der deutschen Missionsärzte Klaus-Dieter und Martina John aus Wiesbaden, die Albert Schweitzer des 21. Jahrhunderts. Auch sie wanderten aus, um Gutes zu tun wie einst Albert Schweitzer, der Philosoph, Theologe und Missionsarzt des 20. Jahrhunderts.

"Es war ein Traum, wir dachten, wenn es Gott gibt, geht der Traum auch in Erfüllung", sagt Klaus-Dieter John über das Projekt. Er ist Arzt und "überzeugter Christ", wie er sagt. So wie Schweitzer es war.

1913 verließen Albert und seine Frau Helene Schweitzer ihren Heimatort Günsbach im Elsass und begaben sich auf die Reise, nach Gabun in Westafrika, ehemals französische Kolonie. Im Städtchen Lambarene schufen sie aus einem alten Schuppen und Hühnerstall ein Urwald-Hospital. Zuvor war ein Hilferuf aus der französischen Kolonie gekommen, in der die Bevölkerung ohne jegliche medizinische Versorgung lebte. "Nun habe ich mein Ziel gefunden", schrieb Schweitzer später.

Ihr Ziel gefunden, das haben längst auch die Johns. "Wir hatten schon in der Jugend fest vor, in einem Entwicklungsland als Mediziner tätig zu sein", sagt John. Zunächst gingen der Chirurg und seine Frau, eine Kinderärztin, nach Ecuador. Dort arbeiten sie in einem Krankenhaus, lernten die Nöte der Bevölkerung kennen. 2003 zogen sie mit ihren inzwischen drei Kindern nach Peru. Plötzlich war sie konkret, die Idee. Nach vielen Gesprächen mit staatlichen Stellen und einheimischen Kirchen wählten sie die kleine Andenstadt Curahuasi aus. "Dort ist medizinische Hilfe besonders nötig. Wir haben das Projekt in Deutschland vorgestellt und gedacht, das wird nie etwas", erinnert sich John. Doch der Glaube beflügelte den Visionär. Der deutsche Trägerverein Diospi Suyana wurde in Tabarz (Thüringen) gegründet. John reiste, sammelte, hielt Vorträge, mittlerweile mehr als 800 in aller Welt. Mit "Freundeskreisen", Fördermitgliedern, durch Mundpropaganda kam immer mehr Geld zusammen. Pfadfinder verkauften Altpapier. Gesammelt wurde auf Geburtstagen, Hochzeiten, Basaren - ein Projekt, das nach und nach wuchs. John klopfte bei Vorstandstüren kleiner und großer Firmen an, eine Ochsentour, mit Erfolg. 3,9 Millionen US-Dollar kosteten allein das Grundstück und der Bau des Hospitals. "Bei der Ausstattung des Spitals erhielten wir großzügige Sachspenden im Wert von 2,7 Millionen US-Dollar durch Firmen der Medizintechnik." Patienten müssen sich, je nachdem, wie viel sie zahlen können, an der Behandlung beteiligen. "Aber natürlich wird niemand abgewiesen, wenn er nichts hat", sagt Klaus-Dieter John.

Im Kooperationsabkommen zwischen der staatlichen Gesundheitsbehörde (DIRESA) und Diospi Suyana vom 3. April 2003 wurde die detaillierte Zusammenarbeit abgemacht. Am 24. Mai 2005 begannen die ersten Bauarbeiten. "Wir waren überglücklich, ein unbeschreiblicher Moment." Aber es gab in der Bauzeit auch Hindernisse; bisweilen fehlte Baumaterial, "man wusste manchmal nicht, ob am nächsten Tag noch genug Geld da sein wird." Die Johns gaben nicht auf. "Der Glaube war stärker", sagt Klaus-Dieter John lächelnd. Seit Juli 2006 hat die Ehefrau des peruanischen Präsidenten, Pila Nores de Garcia, offiziell die Schirmherrschaft. "Seitdem läuft es alles noch besser und schneller." 4500 Menschen kamen zur Eröffnung, auch die Schirmherrin selbst.

Jetzt kommen die Kranken. Alte und Junge. Zum Beispiel Ruben, er ist 15, lebt in Colpa, einem Bergdorf im Curahuasi-Destrikt. Sein Vater ist Alkoholiker. Der Junge wohnt bei seinem Großvater, den er betreut. Eines Tages geriet Ruben mit seinen Händen in die Getreidemaschine. Er wurde schwer verletzt. "Ein Fall für unseren australischen Chirurg", sagt John. Der Junge wurde operiert, verpflegt im Hospital, gratis. Oder Rolando. Er wächst im Slum von Lima auf. Er ist fünf Jahre alt, als er einen Topf vom Herd reißt. Das kochend heiße Wasser verbrennt seine linke Schulter, einen Arm und einen Teil seines Oberkörpers. Als die Wunden ohne weitere ärztliche Behandlung heilen, zieht sich das Gewebe ungleichmäßig zu Narben zusammen. Die Narben ziehen den linken Arm an den Körper und machen ihn gebrauchsunfähig. Das war vor 13 Jahren. Eine Missionarin nahm sich seiner an und bezahlte ihm den Transport, mehr als 1000 Kilometer durch die Berge, ins Hospital Diospi Suyana. "Wir konnten ihn erfolgreich operieren, die Kontrakturen lösen, den Arm mobilisieren." Ein Hauttransplantat wurde in die Schulter eingesetzt.

"Im Augenblick kommen täglich Hunderte zu uns", sagt John. Wenn er nicht gerade herumreist, sich für sein Projekt irgendwo auf der Welt engagiert, kümmert er sich mit darum, dass alles läuft. Und operiert auch. In dem Einzugsgebiet leben etwa 500 000 Menschen, meist Quechua-Indianer, in besonders ärmlichen Bedingungen. Auf 10 000 Menschen kommen 2,8 Ärzte, in Deutschland sind es 33. "Unser Ziel ist es, an jedem Tag 300 Patienten mit einer guten Medizin zu versorgen. Somit würden wir 100 000 Patienten im Jahr behandeln", rechnet John hoch. Blinddarmentzündungen, Gallensteinleiden, Knochenbrüche, Lungenentzündungen, geburtshilfliche Notfälle - das Team hat Arbeit genug. "Die große Not der Berglandindianer bedingt weitere Erkrankungen, wie Tuberkulose oder Durchseuchung mit Würmern." Die Klinik hat 90 Mitarbeiter, 60 Betten, vier Operationssäle, zwölf Behandlungsräume, Intensivstation, Labor und Röntgeneinrichtung und einen Kindergarten.

Betreiber des Hospitals ist der gemeinnützige Verein Diospi Suyana in Deutschland. Der langfristige Unterhalt soll durch einen internationalen Förderkreis und die Diospi-Suyana-Stiftung gedeckt werden. "Eine Kathedrale der Liebe ist es", sagt Perus Präsidentengattin Pila Nores de Garcia. Und Dr. John, der Albert Schweitzer des 21. Jahrhunderts, sagt: "Es ist ein Krankenhaus, das der Glaube baute, ein Wunder Gottes, das Wunder von Peru."