Auf dem Dachboden fand Leserin Margit Knoop vor Kurzem einen Brief. Den hatte ihre Schwiegermutter, Ingrid Knoop, im Jahre 1959 geschrieben, als sie sich aufs Altenteil zurückzog. Besonders schwer fiel es der Landwirtin, ihren geliebten Garten in Kollund an der Flensburger Förde zu verlassen. Hier hatte sie gelacht und geweint, gespielt und gedacht und ihren Kindern beim Großwerden zugesehen. Ingrid Knoop ist 1964 im Alter von 58 Jahren gestorben. Ihre Zeilen lesen Sie hier im Journal.

Es ist ein wunderbarer Herbsttag, ein klarblauer, wolkenloser Himmel wölbt sich über das Land, die Förde und meinen Garten. Und ich soll Abschied nehmen von Büschen und Bäumen. Nur einige Blumen werden mich begleiten und an damals, an früher erinnern.

Wem sage ich zuerst Dank und Lebewohl? Dem alten knorrigen Apfelbaum, dem stolzen Walnussbaum, dem großen Rotdorn oder der schönen breiten Linde? Dem kleinen Zwergahorn, der aus dem Kaukasus stammen soll, den ein Kapitän einst mitbrachte und den ich vor zehn Jahren von einer alten freundlichen Dame bekam? Er hat mit seinen zarten gefiederten Blättern mir Freude gemacht, erst hellgrün und später in allen rötlichen Farben, ein kleines Wunder. Aber Dich noch einmal auszugraben und in mein kommendes Gärtchen zu pflanzen, traue ich mich nicht.

Und Du, guter Walnussbaum, der mit seinen Nüssen unsere Kinder glücklich gemacht hat, Jahr für Jahr. Ich muss lächeln, wenn ich an die eifrigen kleinen Kinderhände und -münder denke, die jeden Oktober unverkennbare Zeichen Deiner Früchte trugen. Nun hat Dein Stamm eine Wunde, aber hoffentlich darfst Du noch stehen bleiben, bis ein Sturm Dich vielleicht eines Nachts umwirft.

Und Du, alter Veteran, unser steiler, großer Rotdorn. Der Blitz ist Dir in die Krone gefahren, hat Deinen stolzen Stamm gespalten, trotzdem blühst Du mit unerhörter Schönheit. Dein Schicksal schien besiegelt zu sein, der junge Bauer fand Dich unnütz, aber nun blühest Du so herrlich im vergangenen Sommer und ich glaube, erst mal darfst Du weiter wachsen. Und Freund Specht ist es recht, wie oft trommelt er an Deine borkige Rinde, er muss doch etwas finden.

Ihr vielen Büsche und Sträucher sollt auch einen Dank haben. Wie duftete der Garten, wenn in allen Ecken lila und weißer Flieder blühte. Wie wippten die runden Schneebälle, leuchtete die Weigelia und zuerst die Forsythia. Von Euresgleichen wächst nichts bei mir, aber ich will versuchen, einige kleine Büsche anzupflanzen und werde dann an euch denken.

Und Du, meine geliebte Linde, sei tausendmal bedankt! Unter Deinem schützenden Dach stand der Kinderwagen unserer Kleinen - Du ließest keinen Regentropfen durch - und alle unsere Kinderlein sahen mit blauen, strahlenden Augen in Deinen Blätterwald, horchten auf das Summen der Bienen wenn Du in Blüte standest und Deinen zarten Duft verströmtest. In Dir kletterte unser Junge und schrie triumphierend hurra! Oben aus der Spitze. Du weißt, welche Angst ich ausstand, bis er heil wieder unten angelangt war.

Und nebenan im Obstgarten stehen unsere treuen, alten und einige junge Bäume, die jeden Winter unsere und andere Kinder mit saftigen Früchten erfreuten. Wie herrlich konnte man in euch herumklettern und spielen.

Aber euren Blütenschnee im Frühling werde ich auch von meinem Häuschen aus sehen können, und ich werde mich darüber freuen.

Die herrliche, alte Schaukel ist schon fort, an Altersschwäche eingegangen, das wilde "Hochhinausschaukeln" und dann "abspringen" hat sie nicht so lange ausgehalten.

Kastanien, Birken, Eschen und Ahorn gucken auch zu mir hinüber ins neue Heim und eine große, stolze Eiche schützt Häuschen und Garten vor starken Ostwinden.

Doch wenn man alt und kränklich ist, fällt es einem gewiss schwerer sich anzufreunden, damals - als man jung und gesund war - breitete man die Arme aus vor Glück, um alles zu umfassen, und jeder Baum im großen Garten ist verknüpft mit Geschichten aus den Kinderjahren - eine selige, unwiederbringliche Zeit.