Der grillende Mann ist zu einem Phänomen unserer Zeit geworden. Mit der Bratwurstzange in der Hand verkörpert er Tradition und Moderne. Ob er sich dessen auch bewusst ist?

Es sollte eine laue Sommernacht in der Wüste Ägyptens werden. Sie waren zu zweit und frisch verliebt. Meine Freundin und ihr Neuer. Mit Schlafsäcken, ein paar Bier und Grillgut ausgestattet. Doch weil es noch zu warm war und er das Bier zu schnell trank, war er auch ziemlich schnell betrunken. Zu betrunken, um das Feuer der Grillstelle zu entfachen. Er zündete immer wieder Streichhölzer, aber kriegte es nicht in Gang. Dann übernahm meine Freundin. Das Feuer brannte ziemlich schnell. Nichts dabei. Leichte Übung. Sie grillte. Es hätte also ein wirklich schöner romantischer Abend werden können. Sternenhimmel, lodernde Glut, Schlafsack.

Doch meine Freundin beging ein No-Go, einen Beziehungs-Kardinalsfehler. Sie zündete das Feuer an. Nicht er. Der Abend war im Eimer, noch zwei Tage später war er sauer auf sie. Was war passiert?

Wissenschaftler wie die Geschlechterforscherin Nina Degele von der Universität Freiburg sind der Ansicht, dass sich Männer am Grill in die Rolle des Jägers und "Höhlenmenschen" zurückversetzen. Tatsächlich meint sie, dass "die Arbeit mit rohem Fleisch als eindeutig männlich und archaisch empfunden wird" und dass "wer Feuer anzündet, in der Sozialhierarchie ganz oben steht". Meine Freundin hat ihren Neuen also entmännlicht und zugleich von der sozialen Spitzenposition verdrängt. Er war nicht mehr der Obergorilla, sondern sie. Wer wäre da nicht sauer?

Allerdings konnte er ihr das auch nicht sagen. Vielleicht war ihm gar nicht bewusst, weshalb er sauer war. Nur irgendwie war sie da, die gefühlte Geschlechterrollen-Schieflage. Kein Mann könnte heute im Ernst zu einer Frau sagen: "Äh, Schatz, also ich grille aber auf jeden Fall. Das ist mir wichtig, damit wahre ich meine Männlichkeit." Und das Schöne daran ist, das hat er auch gar nicht nötig. Meine Freundin war da eine Ausnahme. Im Grunde auch nicht, sie hat ja nur übernommen, weil er sich selbst ausgeschaltet hatte. Die Regelfall ist doch mal so: Es wird gegrillt, der erste Mann, der eintrifft, schmeißt den Grill an, zündelt, pustet, wedelt, legt das Fleisch drauf, wartet, trinkt Bier, schaut versonnen, wendet. Die Frauen kümmern sich um die Salate, schneiden das Brot, trinken schon mal was, reden ein bisschen. Die zusätzlichen Männer, die später kommen, versammeln sich bedröppelt nach der ersten Enttäuschung beim Griller, trinken was, obwohl sie nicht die soziale Poleposition einnehmen. Der Chef wird akzeptiert. Ist nun mal so.

Die entscheidende Frage, die jetzt wohl noch zu stellen bleibt ist, warum wollen die meisten Frauen eigentlich nicht grillen? Oder, warum überlassen sie es den Männern? Auch darauf hat die Geschlechterforscherin Degele eine Antwort: Es ist Frauen einfach nicht so wichtig. Sie sind erst wieder gefragt, wenn es darum geht, die Hausarbeit zu erledigen, den Platz zu säubern, das Geschirr abzuwaschen, oder im übertragenen Sinne, die Küche aufzuräumen. Schließlich auch in der Küche sind die meisten Chefköche männlich, und wenn er mal kocht, dann am liebsten an einem Gasherd (offene Feuerstelle!).

Frau Degele hat vor ein paar Jahren ein Forschungsprojekt "Grillen und Lebensstil" gestartet. Ihr Fazit: "Grillen wird in Deutschland immer beliebter." Das Hantieren mit der Grillzange sei ein Lifestyle-Phänomen an der Schnittstelle zwischen Tradition und Moderne. Doch warum? Auch die Antwort ist schlicht. Es ist nun mal angenehmer, wenn er das Feuer anmacht, sie gut anzuschaun auf einer Decke liegt und dabei eine SMS an ihre Freundin schickt: "Er ist sooo süüüß. Findet sich gerade richtig toll, weil er ein Feuer für uns anzündet."