Es ist der Trend in diesem Winter. Glaubt man den Modezeitschriften und den großen Labels wie Cavalli, Prada und Dior, dann müssten wir alle in Mailänder Spitze herumlaufen. Doch wollen wir das wirklich? Eine Stilfrage.

Der Papst trägt auch Spitze. Und der ist ein Mann, irgendwie. Michelle Obama, Ehefrau des neuen amerikanischen Präsidenten, zeigte der Weltöffentlichkeit bei dessen Amtseinführung, was First Lady heute anzieht, ein gelbes Etuikleid aus St. Gallener Spitze. Also, was sollte die gemeine Frau noch davon abhalten, durchsichtigen Stoff mit gemusterten Verzierungen überzustreifen? Dazu wird seit ein paar Monaten nahezu in jeder Modezeitschrift "Spitze als der Trend" deklariert, lädt ja auch zu schönen Wortspielen ein: "Mode mit Durchblick" oder "Das ist Spitze!" oder "absolute Spitze".

Sieht man mal davon ab, dass Designer wie Miuccia Prada so ziemlich jedes ihrer Kleidungsstücke mit dem neuen "Trendstoff" verziert haben, und auch die Labels Lacroix, Valentino und Dior nicht Halt machen vor "edler Spitze", so fragt man sich doch: Also wer trägt das jetzt tatsächlich?

Könnte die Spitze vielleicht eines dieser modischen Themen sein, das in der realen Welt keine Käufer findet? Und wenn das nicht stimmt, so ist die Spitze zumindest nach wie vor nicht tageslichttauglich. Außer man trägt sie über einen anderen Stoff gelegt und geht dann auch noch zu nichts Geringerem als der Präsidenten-Amtseinführung des eigenen Mannes oder ist wie gesagt Papst. Kardinal reicht aber auch.

Es gab da mal eine Zeit, das war Anfang der 80er-Jahre, um genau zu sein 1983, da mischte eine junge Sängerin und Tänzerin die weltweite Popszene auf. Es war Madonna, sie machte schwarze und weiße Spitze quasi Schulhof-fähig. Die modischen Teenager trugen Halbfinger-Handschuhe, Korsagen aus Spitze, durchsichtige Blusen geknotet über dem Unterhemd. Das, was sonst nur druntergetragen wurde, Wäsche aus Spitze, also Dessous, blitzte jetzt hervor, war Revolution. Pinkfarbene Spitzenleggings waren wohl die mieseste Modesünde dieser Zeit. Aber bunte oder schwarze Spitze wirkte damals nicht billig, zumindest nicht für die Teenager. Es war grufti, es war independent.

Und jetzt kommt das wirklich Schöne, es gibt sie wieder. Die Leggings aus Spitze, sogar Schnürbänder aus Spitze. Aber kann man damit ins Büro? Eher nicht. Ob nun Brüsseler, Plauener oder Mailänder Spitze, das ist kein Stoff für den Alltag, wie man nun möchte, entweder zu edel, zu sexy, zu feierlich oder eben zu billig.

Wer jetzt doch mitmachen möchte, beim "Spitzentrend", der sollte Spitze nur mit feierlicher Kleidung kombinieren oder abends ausführen. Cocktailkleider, Abendroben, elegante Anzüge, Haare streng zurück, Nude-Make-up, kein Firlefanz. Spitze passt nur, wenn alles andere schlicht bleibt.

Einige Modezeitschriften empfehlen den Stilbruch für die Disko: Lederjacke und Jeans zu Spitzen-Bluse. Aber hatten wir das nicht schon mal? Erinnert uns das nicht an Samantha Fox, Gabriela Sabatini, Kim Wilde und schließlich längst vergessen Sandra und Jennifer Rush? Gut, ist ja nur ein Ratschlag. Die Wiederholung der 80er ist anscheinend immer möglich. Das Problem an Spitze ist nur, dass sie so überhaupt nicht ironisch ist. Ein völlig romantischer, edler Stoff, der falsch kombiniert immer ein bisschen Schlafzimmer verspricht und an toupierte Mähnen erinnert.

Da ist es auch kein Wunder, dass Prada den Stoff für sich entdeckt hat, denn Prada steht für humorfreie Mode, für gerade Linien, für zugeknöpfte und gebügelte Blusen, für die Streber unter den Fashionistas. Für die gut frisierten, immer frisch geduschten, sterilen Großstadtmenschen. Ein bisschen Spitze und ein Hauch von Schlafzimmer schaden da eben nicht.