Der Haspa-Chef spricht bei Cappuccino und Schokoladenkeksen über private Risiken und sein Abitur mit “Drei Komma noch was“.

Hamburg. Das hört sich alles nicht besonders prickelnd an. Der Name seiner Firma klingt für viele etwas langweilig. Sein Beruf nach Renditestreben und Anlegerfrust. Dabei sieht er nett und sympathisch aus. Mit akkuratem Seitenscheitel wie ein Garant für Gradlinigkeit. Dr. Harald Vogelsang, Chef der Hamburger Sparkasse (Haspa).

Ach, diese Vorurteile, sagt er locker und aufgeräumt. Das könnten wir ja gleich mal besprechen. Ganz entspannt in der Sylter Milchbar. Mit der Firmenzentrale der Haspa im Blick, in der er im vierten Stock sitzt. Gleich hinter dem Rathaus und der Handelskammer. Seriös und hanseatisch die Adresse. Passend dazu der Mann an der Spitze. Grau, gestreift, dezent und edel, die Schuhe handgenäht, der Teint rosig und glatt.

Wir holen uns einen Cappuccino, Schokoladenkeks und Quarkspeise. Zuerst also die Sparkasse. Oder lieber noch die horrenden Zahlen, die gerade die Nachrichten beherrschen. 750 Milliarden als Banken-Rettungsschirm. Was für eine Summe! Und mit wie vielen Nullen überhaupt? Neun, sagt Harald Vogelsang leicht zögernd. Da müsse er immer selber erst nachzählen. Lacht. Und dieser vermeintliche Klein-Klein-Nimbus der Haspa sei gerade das charmante, sagt er. Stehe für Bodenständigkeit, auf dem Teppich bleiben, die Wurzeln nicht vergessen. Als Bank für jedermann sei sie gegründet worden. Und Menschen, Menschen, Menschen - darauf komme es an. Nicht auf Renditen.

Dann aber nun endlich auch der Mensch Harald Vogelsang, der sich so gerne bedeckt hält. Sich so stocknüchtern gibt. Ja, sagt er, das gehöre zu seinem Umfeld. Diskretion im Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern. Und das gelte auch für ihn privat.

Und dann legen wir ihn doch langsam frei. Mit kargen Antworten zuerst. Bis Harald Vogelsang sich warmläuft. Spaß findet am Erzählen. Ein Einzelkind sei er, das gerne Geschwister gehabt hätte. Die Eltern beide Chemiker. Als Junge spielt er oft im Labor der Firma, in der sie arbeiten. Ist fasziniert. Und studiert dann später doch Jura, zum Leidwesen seines Vaters. Mit ihm zofft er sich wenig. An seiner Mutter reibt er sich mehr. Der Vater greift ein-, zweimal im Jahr ein. Und dann wird's wirklich ernst. Ein gelassener, in sich ruhender Mann, sagt Harald Vogelsang, und das habe er wohl von ihm geerbt.

Die einzige wilde Phase, man mag es kaum glauben, sind schulterlange wallende Haare, Parka und Boots. Zur offenen Rebellion taugt er nicht. Eher zum Aussitzen. Aus dem Blockflötenunterricht fliegt er wegen "ostentativer Gelangweiltheit" nach drei Stunden heraus. Er liebt Sport, reitet täglich, "für ein eigenes Pferd hat es nie gereicht", reitet Turniere, pflegt Pferde und bildet sie aus. Prüft, ob sie ein gutes Herz haben. Das Abitur schafft er "mit Drei Komma und noch irgendwas."

Danach nabelt er sich ab von zu Hause. Zieht aus, geht zur Commerzbank, um Banker zu werden wie der Großvater. Jobbt nebenbei in einer Baustofffirma, einer Getränkefabrik, als Zahnpastavertreter. Beim Jurastudium entdeckt er Spaß am Lernen, am logischen Denken. Findet, dass sich ihm da das ganze Leben auftue.

Harald Vogelsang gerät in Fahrt. Hinter uns auf der Fensterbank tobt die kleine Emily vom Nachbartisch. Mein Kaffeebecher gerät ins Schleudern. Harald Vogelsang springt auf. Holt Servietten, "hier, zum Trockenlegen". Landet beim Segeln, seinen Anfängen am Anleger an der Alten Rabenstraße. Erzählt von der gerade zu Ende gegangenen Tour mit vier Freunden. Von Wedel die Elbe herunter, bei strömendem Regen durch den Nord-Ostsee-Kanal, Flaute auf der Ostsee. Seglerisch eine Nullnummer. Aber tolle Gespräche. Segeln, frische Luft überhaupt, sagt er leicht versunken. Im Garten arbeiten, mit den Hunden an der Elbe joggen ... Eigentlich wäre er am liebsten Landwirt geworden. Mit vollem Programm. Ackerbau, Holzwirtschaft, Viehzucht.

Die Sache mit dem Segelschein erklärt er mir dann noch mit der ihm eigenen Gründlichkeit. Ein Sportbootführerschein sei nötig. Ab einem Fünf-PS-Motor. Kein Segelschein. Wirklich? Ja, sicher. Das habe ihm Kapitän Buhlheller, sein Segellehrer, erzählt. Hoffentlich war er da besser beraten als viele seiner Haspa-Kunden bei der Lehman-Pleite. Aber, aber, Frau Gätjen, sagt er. Wir kehren zurück in ungefährlichere Gewässer. Die Elbe, die Ostsee. Da könne man sich ihm anvertrauen. Nur mit ihm auf dem Atlantik zu segeln, nein, davon rate er jedem ab.

Vogelsang räumt Teller und Tassen ab. Wir holen uns einen neuen Cappuccino. Er erzählt von seiner Frau. Dem ersten Kennenlernen. Vom Picknicken am Övelgönner Strand mit Käse, Brot und Rotwein. Von dem sich gemeinsam in den Sonnenuntergang träumen. Erzählt von den Töchtern, dem von der Ältesten ausgeklügelten Notenbelohnungssystem. Und dass er ihnen gerne mitgeben möchte, ihren Weg zu gehen, ohne sich zu verbiegen, Spaß zu haben, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, aber auch zu wissen, dass man sich alles erarbeiten müsse. Und Risiken eingehen? Ja, sagt er, das gehöre dazu. Nur Risiken per se, allein um des Kicks willen, lehne er ab. Aber natürlich, sagt er, könnten wir beide ja darum wetten, ob heute Mittag endlich mal die Sonne scheine. Einsatz: eine Tafel Schokolade.

Und dann geht er leicht beschwingt zurück an seinen Schreibtisch. Kaffee mit aufgeschäumter Milch kann selbst einen nüchternen Banker aufpeppen.