Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute Iris Siegfried, “Salut Salon“-Gründerin.

Das wird irgendwie ein heilloses Durcheinander. Schon mit den Fingerfarben geht es los. Ein "grüner Daumen" hätte ja gepasst. Weil sie ja im sogenannten grünen Bereich, dem Wettbewerbs- und Urheberrecht, zugange ist. Ihr kleiner Finger aber ist leuchtend blau und macht ratlos. Die Ursache ist nicht zu finden. Keine ausgelaufene Tinte in der Tasche. Nichts. Und so lacht sie ihn einfach weg. Mit einer ihrer berühmten Lachsalven, die zu ihren Bühnenauftritten gehört. Iris Siegfried, Rechtsanwältin und Geigerin, Sängerin und Mitbegründerin des temperamentvollen Damenquartetts "Salut Salon". Einer hinreißenden Mischung aus Klassik, Chansons, flotten Sprüchen, schnellen Pointen und einem Hauch knisternder Erotik.

Sie ist auch Miterfinderin und Gründerin des Kinder- und Jugendorchesters "Coole Streicher", das Kinder, die gerade die Geige halten können mit Anwärtern für die Musikhochschule zum gemeinsamen Musizieren zusammenbringt. Und mit denen sie gerade im vergangenen Jahr in Chile waren. Für das Sozialprojekt Escuela Popular de Musica in Achupallas.

Das ist schon eine ganze Menge. Und da muss man erst den Durchblick kriegen. Das mit der Erotik vielleicht erst mal, sagt Iris Siegfried. Dieses Spiel mit den Männern. Darüber seien sie einfach ein bisschen rausgewachsen. Seit ihrem Start vor acht Jahren. Dieses "ständig den Männern einen vor den Latz knallen" sei jetzt subtiler geworden. Poetischer auch. Aber trotzdem nicht ohne. Auch in ihrem neuen Programm "Herzenssache". Man müsse sich doch einfach weiterentwickeln dürfen. "Das wäre ja sonst ein Graus. So wie ein Schlagersänger immer nur von seinen längst überholten Schnulzen leben. Nein!" Auch wenn ein Schuss Vertrautes immer dabei sein müsse. Wie die "teuflisch-knackige" Variante von Johannes Brahms' Ungarischem Tanz Nummer 5, der Grundstock zum "Salut Salon". Und hier auch das Pfff, sagt sie und schnalzt und stöhnt es lauthals. Dieses Symbol einer versandenden Liebe aus Georg Kreislers "Liebesbrief". Und die alten Lieder von Friedrich Hollaender natürlich und Schumann, Piazzolla, und morgen früh habe sie überhaupt auch noch einen Gerichtstermin in Mosbach.

Es geht immer schneller voran. Und absolut quer durcheinander. Was nun also? Musik oder Juristerei? Beides, sagt sie. Sie kann von keinem lassen. So sei sie immer schon gewesen. Von klein auf. Ein "Tausendsassa", der überall dabei sein muss. Egal wie anstrengend es letztlich sei. Turnen, Musik, Schulorchester. Abitur und Geigenunterricht. Jurastudium und Gründung des "Salut Salon". Kinder unterrichten und die "Coolen Streicher" aus dem Boden stampfen. Als Anwältin arbeiten und als "Teufelsgeigerin" auf Tour sein. Es sei alles immer so unglaublich spannend, sagt Iris Siegfried, und die Freude so groß, dass man alles tatsächlich wuppen könne.

Wobei also fangen wir an? Erst mal beim Händewaschen, sagt sie und steuert das Hotel Vier Jahreszeiten an. Die rätselhafte Farbe ist resistent. Beim doppelten Espresso in der Abendsonne auf dem Neuen Jungfernstieg vergessen wir sie einfach. Kümmern uns lieber um den Steinway-Flügel, den ihr Vater so liebt, auf dem er sich zu Schubert-Liedern begleitet und auf dem sie erste Fingerübungen macht. Oder um die Wagner-Opern, mit denen sie aufwächst. Die erste, der "Fliegende Holländer", die sie hasst wie die Pest, weil sie einfach zu lange dauert.

Iris Siegfried ist ein Kontrastprogramm. Die Stimme, schnell und leise, verliert sich fast im Straßenlärm. Ihr lautes ansteckendes Gelächter ringt selbst den stoischen Geschäftsleuten am Nebentisch ein Lächeln ab. Sie sei vielleicht ein bisschen zu brav, sagt sie, und auch naiv, aber sie könne auch "auf laute Klappe" machen. Die freche Kostprobe folgt auf dem Fuß. Und hat es in sich.

Vielleicht machen wir uns mal an das "mit" in ihrer Biografie. Ohne Mitstreiterin Angelika Bachmann, von ihr kurz Geli genannt, läuft eigentlich gar nichts. Seit Schulzeiten schon. Die beiden Mädchen spielen Geige in dem gemeinsamen Schulorchester der Wandsbeker Gymnasien Charlotte Paulsen (Angelika) und Matthias Claudius (Iris), treiben schon damals mit ihren Lachanfällen den Chorleiter zur Verzweiflung. Die eine, Angelika, das musikalische Wunderkind, als Vierjährige schon mit zehn Stunden Geigenunterricht pro Tag auf Höchstleistung getrimmt. Auf der anderen Seite Iris, die statt Klavier unbedingt "Geige lernen" will, vom Proben nichts hält und erst als Siebzehnjährige von ihrer Freundin Angelika systematisches Üben lernt. In der Schule läuft alles ohne große Kraftanstrengung ab. Abitur mit Biologie, Englisch, Religion und Kunst. Die Note 1,9. Ihr erster Geigenlehrer überlistet sie geschickt. Gibt ihr viel zu schwierige Violinkonzerte auf. Stachelt so ihren Ehrgeiz an. So ist es geblieben, sagt sie, auch bei uns mit dem "Salut Salon". Wir legen immer eine Nummer zu groß los und wachsen dann in die Schuhe rein.

Fast verlieren wir bei all dem diese krisenfeste Freundschaft aus den Augen. Iris und Angelika, die sich auf einer Weltreise ihren Unterhalt durch Straßenmusik verdienen. Während der Unizeit eine WG mit einer Ärztin teilen. Und der auch die jeweiligen Lebenspartner nichts anhaben können.

Sie ist eher förderlich, sagt Iris Siegfried, man lerne so viel dabei. Kritik sachbezogen austragen. Nicht rumzicken um jeden Preis, selbst wenn man ganz unterschiedlich gepolt sei. Und das klappe auch zu Hause mit ihrem Lebenspartner, einem Anwalt, den sie während der Wartezeit aufs Referendariat kennenlernt. Bei ihrem Zwischenspiel in einem Wandsbeker Theater. Wo sie überhaupt auch schon mal mitspielt. Im Orchestergraben natürlich. Bei einem Musikmix aus Don Juan und Don Giovanni. Iris Siegfried holt kurz Luft und lacht.

Die Idee zum "Salut Salon" ist eher ein gelungenes Abfallprodukt. Mit dem gemeinsam eingeübten Bach'schen Doppelkonzert zum 60. Geburtstag von Iris Siegfrieds Vater treten sie probehalber beim regelmäßig stattfindenden Jour fixe einer befreundeten Pianistin in Eppendorf auf. Und bei Freunden. Auch diese zweite private "Generalprobe" bleibt nicht ohne Folgen. Zwei Kinder wollen am selben Tag noch Geigenunterricht bei den beiden nehmen. Immer mehr kommen dazu. Und werden zu den "Coolen Streichern", die schon im Schloss Bellevue vor Bundespräsident Rau auftraten. Mit den Berliner Philharmonikern. Und natürlich in Chile, wo sie problemlos Sprachbarrieren durch gemeinsames Musizieren überwanden. Wie der "Salut Salon" unlängst in China.

Schon wieder dieser Riesensprung. Ja, sagt Iris Siegfried, es sei damals auch so wahnsinnig schnell gegangen mit dem "Salut Salon". Der Name kurzerhand zusammengesetzt aus ihrem Faible für Salonmusik und einem ihrer ersten und liebsten Stücke, "Salut d'Amour" von Edward Elgar; von den meisten Hamburgern immer noch beharrlich mit einem "t" am Ende ausgesprochen. Der erste Auftritt des heiteren Quartetts findet bei einer Galerieeröffnung statt, eine Vernissage folgt. Irgendwann finden sie sich im Spiegelsaal des Bergedorfer Rathauses wieder, in den "Fliegenden Bauten" in Hamburg, ja, und im Museum für Kunst und Gewerbe, in der Laeiszhalle, auf dem Internationalen Musik-Festival in Shanghai. 2010 sind sie schon für die Expo in Shanghai gebucht und diesen Herbst, sagt sie, ihr größter Coup - eine Bayerntournee. Die Welt warte längst auf "Salut Salon", nur der Süden tue sich noch ein bisschen schwer mit ihnen. Ach, sagt Iris Siegfried, es sei schon alles rapide angewachsen. Mache so unendlich viel Spaß, und neulich habe Freundin Angelika gesagt, diesen Ungarischen Tanz Nummer Fünf, den spielen wir noch, wenn wir gemeinsam in die Hölle gehen.

Und so endet diese Reise durch ein turbulentes Leben so, wie sie angefangen hat. Mit lautem Gelächter. Und ein bisschen auf dem Sprung. Morgen müsse sie ja den ersten Flieger nehmen. Für diesen Gerichtstermin unten in Mosbach. Und vielleicht könne sie auch noch den Rest der Proben der "Coolen Streicher" in ihrer Wohnung miterleben, die Freundin und Mitstreiterin Angelika Bachmann übernommen hat, und ganz vielleicht lässt sich ja auch noch der Rest dieser unseligen blauen Farbe vom kleinen Finger abschrubben. Und weg ist sie. Iris Siegfried. Die die beiden Gegenpole in ihrem Leben genießt und bei aller Hektik ganz gut im Griff hat.