Der Hotelier und Reeder über sein Erfolgsgeheimnis und “unverzeihliche Fehler“ als Vater. Ein Mann, der von seinen Träumen lebt. Sie verwirklicht.

HafenCity. So hat er es gern, der Unternehmer Horst Rahe. In der ersten Reihe sitzen und alles im Blick haben. Wie hier in seinem Büro Am Kaiserkai in der HafenCity. Rechts die Elbphilharmonie, zu Füßen den Hafen und unten im Haus seine Brasserie Carls, in der es mittwochs leckere Currywurst gibt. Heute ist Donnerstag. Leider!

Horst Rahe wirkt sympathisch und entspannt. Mit changierender Augenfarbe. In vagem Blau. Er ist stolz darauf, dass er immer an erster Stelle stehen wollte und es auch geschafft hat. Beim Bob fahren wie im Berufsleben. Ein Mann, der von seinen Träumen lebt. Sie verwirklicht. Einzige Bedingung: Sie müssen sich rechnen. Ein Visionär mit eingebautem Taschenrechner eben.

Einen Selfmademan, einen Perfektionisten und unverbesserlichen Strippenzieher nannte ihn die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", und einen der 300 reichsten Deutschen. Alles richtig, sagt er, bis auf das Letzte. Das sei eine irrwitzige Schätzung. Aber er sei schon als Nobody gestartet. "Nackt geboren, nichts ererbt, alles selbst geschaffen."

Die Kindheit in Hannover am Maschsee. Nachkriegsjahre. Hunger, Quäkerspeisung, Steckrüben. Er läuft auf Schlittschuhen in die nahe Waldorfschule. Und profitiere heute noch davon. Und einen Rückwärtsübertreter auf dem Eis könne er auch immer noch. Das BWL-Studium in Köln muss er selbst finanzieren.

Seine Eltern finden, man könne nur eines von beidem: früh heiraten oder studieren. Horst Rahe will wie immer beides. Überwirft sich mit ihnen. Arbeitet im Straßenbau und als Siloreiniger. Wird Barkeeper in Spanien und Obstpflücker in Schweden. Studiert und heiratet. Im August 1964. Bis Ende des Monats bekam man noch das Ehegattensplitting fürs ganze Jahr. Wie unromantisch! Na ja, sagt er lachend.

Die Ehe habe ihn angespornt und lange gehalten. Mehr als 40 Jahre schon. Das Geheimnis sei Kompromissbereitschaft. Die der Frauen, ergänzt er schnell, auch wenn Männer immer denken, sie hätten's drauf. Gleich nach dem Examen steigt er in eine Immobilien- und Finanzierungsgesellschaft ein. Für 2500 Mark plus Opel Kadett als Firmenwagen. Sitzt ein knappes Jahr später im Vorstand. Macht sich Freunde und Feinde in schnellem Wechsel.

In den ersten Berufsjahren ist er ständig unterwegs. Rastlos auf der Suche nach neuen Projekten. Mischt irgendwann auch mit im Ölgeschäft. Hat ein Büro in Dallas. Kauft, saniert, verkauft. Nur das hart erkämpfte Hotel Jacob werde er nie abstoßen, das bleibe im Familienbesitz.

Dann springen wir kurz hinüber nach Rostock. In die 90er-Jahre. Die Übernahme der Deutschen Seereederei, seine Nacht- und Nebelaktion in Korea, um die Hanjin-Gruppe an Land zu ziehen. Die Rettung. Sein erfolgreicher Alleingang und seine bahnbrechende Erfindung - die Aida-Klubschiffe. Eine endlose Erfolgsgeschichte. Nein, sagt Horst Rahe nachdenklich. Da habe es auch Verwerfungen gegeben. Macht eine lange Pause. Erzählt ablenkend von seinem nächsten Projekt: Gesundheitstourismus. Wegweisend in den nächsten Jahrzehnten. Gute Standorte, hohe Qualität, niedrige Preise. Horst Rahe verliert sich in Prognosen, Zahlen, Kalkulationen. Gibt zu, dass er einzig das Wetter nicht im Griff habe. Schwärmt von wechselnden Jahreszeiten. Gucken Sie nur mal auf die Wolken. Ein ewig blauer Himmel? Nein, langweilig. Erzählt von seiner Liebe zu Sylt. Den Herbststürmen auf der Insel. Von Ftan, einem 500 Seelendorf in Graubünden, wo er mindestens 100 Tage im Jahr lebt, arbeitet, sich einfach wohlfühlt. Und dass er natürlich in Deutschland seine Steuern zahlt.

Dann atmet Horst Rahe durch, erzählt von weiser Lebenserfahrung jetzt mit 71 Jahren. Dass er sich nicht mehr um jeden Preis streiten müsse, lieber abwäge und seine Frau damit manchmal zum Wahnsinn treibe. Trinkt noch einen Milchkaffee und kommt auf den Preis für seinen Erfolg zurück: Seiner Frau habe er viel zugemutet und abverlangt, die einzige Tochter habe er nicht aufwachsen sehen. Beides unverzeihlich. Als 16-Jährige liest Tochter Tanja ihm die Leviten. Auf einer Autofahrt durch Amerika.

Da seien viele seelische Wunden zur Sprache gekommen. Und auch sein Körper streikte irgendwann. Thrombose, eine doppelte Lungenembolie. Ein Warnschuss, sagte seine Frau. Horst Rahe geht in die Berge. Wandert alles ab. Seine Hilflosigkeit, die Angst davor, das Steuer aus der Hand geben zu müssen. "Das Leben ist nicht lebenswert, wenn man nur nach gewissen Risiken lebt", sagt er fast trotzig. Dann bringt er mich zur Tür. Zeigt noch die Fotos seiner Tochter mit ihren beiden Kindern.

Von seiner Enkelin Feline, 13, der er jede Woche einen langen handgeschriebenen Brief schickte, als sie in Neuseeland war. Erzählt, dass er und seine Frau - nein anders herum - seine Frau und er mit den beiden Enkeln jetzt für zehn Tage in die Schweiz fahren werden. Und strahlt. Ganz ohne Taschenrechnerklicken im Hintergrund.