Die Vorsitzende des Vereins “Hamburg macht Kinder gesund“ spricht über Familien in Not und auch ihre eigenen Schicksalsschläge.

Uhlenhorst. Diese Frau ist kontrolliert, gut sortiert, organisiert, und überzeugend reden kann sie auch noch. So viele Talente, die plötzlich brachlagen, als Gisela Schües ihren Beruf aufgab. Nach 30 Jahren als Chefsekretärin bei einer großen Hamburger Privatbank. Und die sie dann - nach einer Atempause - wieder mobil machte. Als Vorsitzende des Vereins "Hamburg macht Kinder gesund", der sein fünfjähriges Bestehen feiert und 2009 auf der Gala von Hamburg 1 zum "Hamburger des Jahres" gewählt wurde.

Darauf ist sie stolz. Und will es gleich ein bisschen abschwächen. Das hört sich schnell so klischeehaft an, sagt Gisela Schües. Eine Frau, die am Feenteich wohnt, Golf spielt und dann auch noch in Charity macht. So sei es nicht. Nein, auf keinen Fall. Fährt sich kurz durch die perfekt sitzenden Haare. Erzählt von diesem Tag im November. Ein trüber Nachmittag vor 24 Jahren. Als sie so da saß auf der Couch und mit sich selber ins Gericht ging. Sich darüber klar wurde, dass sie ihren Beruf in der Bank liebte, morgens ins Büro ging, abends nach Hause kam und am Wochenende zum Golfen fuhr. Dankbar für diese Art von Leben sei sie gewesen und dachte doch, das kann nicht alles sein. Hilf mit, Gisela, sagte sie sich.

Nach diesem Prinzip funktioniere auch "Hamburg macht Kinder gesund". Es solle kein Dauertropf sein, sondern eine Überbrückung, bis Behörden einspringen. Wie bei der vor zwei Jahren ins Leben gerufenen Gewaltopferambulanz am UKE, wo jetzt die Gesundheitsbehörde fallbezogen mit einsteigt. Die Liste der Projekte ist lang. Eine halbe Arztstelle für HIV-infizierte Kinder gehört dazu und hoch spezialisierte medizinische Geräte, genauso wie Fahrradhelme und die Tanztherapie für psychisch kranke und sozial benachteiligte Kinder. Ein erfolgreiches Konzept.

Das Telefon klingelt. Wie noch viele Male mehr an diesem Morgen. Also, sagt sie, von sich als Kind wollte sie doch erzählen. Wie schüchtern, wenig selbstbewusst sie gewesen sei. Aufgewachsen in Pöseldorf, lange bevor dieser Stadtteil "aufgehübscht" wurde. Die Tochter des Intendanten der Staatsoper neben der der Würstchenbudenbesitzerin vom Kiez und dem Kohlenhändler. Eine glückliche Kindheit. Überschattet und belastet nur von der Krankheit des Vaters. Ein spät entdeckter Gehirntumor, viele Operationen, eine veränderte Persönlichkeit. Deshalb berührten kranke Kinderseelen sie ganz besonders.

Das solle sich jetzt nicht so anhören, als sei sie um einen Teil ihrer Kindheit betrogen worden. Nein. Die war schön und liebevoll. Mit einer Mutter, die nach der Schule da war, mit offenen Armen und stets bereit, sich alles anzuhören. Und doch, sagt Gisela Schües, sei sie eine Verfechterin der Ganztagsschule. Sei hautnah dran an vernachlässigten oder unterversorgten Kindern. Seelisch und körperlich. Mit arbeitenden Eltern, sozial abgestürzten oder überforderten, desinteressierten, lustlosen.

Dann erzählt sie von dem Aufsatz, den sie als Kind schrieb. Thema: Was ich werden will. Gisela wollte einfach nur Mutter werden. Mit Ehemann, Haus und zwei Kindern. Und bekam eine Eins dafür. So war das in den 50er-Jahren! Mit den Kindern hat es nicht geklappt. Wie so vieles im Leben. Es komme einfach immer anders. Dafür habe sie in eine wunderbar große Familie hineingeheiratet. Alt eingesessen mit dem Motto: Tradition ist nicht der Tanz um die Glut, sondern die Erhaltung des Feuers. Der Reeder Nikolaus Schües - Bruder ihres Mannes - hat 17 Enkelkinder. Und sie stünden sich alle sehr nahe. Hanseatisch nahe. Und damit wir den Verein nicht ganz aus den Augen verlieren, kehrt sie zügig zurück.

Hat Flyer parat und die Auflistung der Projekte. Entstanden 2005, als Jörg F. Debatin, UKE-Vorstandschef, die drei Kinderkrankenhäuser in Hamburg besser vernetzen wollte. Ansetzend da, wo Geld fehlte, die Kassen nicht zahlen wollten. Und die beiden Frauen Karin Butz, Gründerin der "Stiftung zur Förderung Hochbegabter", und Gisela Schües mit ins Boot holte. Die eine kreativ und energiegeladen, die andere gut unter Hamburgs spendenbereiten Bürgern vernetzt, klar denkend, organisationsfähig. Nur manchmal, sagt sie leise, sehe sie nachts unüberwindbare Berge auftauchen. Aber da sei dann ihr Mann. Liebevoll, tolerant, nachsichtig.

Plötzlich hält sie versonnen inne, diese zupackende Frau, die den festen Griff auch mal ein wenig lockern kann.