Gätjen trifft ... Thomas W. Kraupe, Direktor des Planetariums

Was für eine atemberaubende Reise! Von einem Hinterhof in Winterhude aus über den Stadtpark hinweg bis in die Weite des Universums. Thomas W. Kraupe, der Astrophysiker und Direktor des Planetariums im Wasserturm, ist ein mitreißender Reiseführer. So sehr, dass eine kleine Spinne sich über unseren Köpfen in seinen mit dem Emblem des Planetariums bestickten Hemdkragen abseilt, um dabei zu sein. Die hektische Jagd nach ihr bleibt erfolglos.

Unser Treffpunkt ist ein schräges kleines Lokal für Freunde der österreichischen Küche in der Tischlerei Tengg. Nach Kämpfen mit dem Bezirksamt aus der Not geboren als Vereinshaus, so heißt es. Mit lauschigen Plätzen drinnen und draußen. Und riesigen Wiener Schnitzeln. Nur für Mitglieder.

Thomas W., für Walter, ist ein auf den ersten Blick nachdenklich und besonnen wirkender Mann mit einem verräterischen Funkeln in den Augen. Ein Dauerbrenner in Sachen Erzählkunst. Gespeist von Begeisterung und Neugierde. Auf alles um sich herum. Und so schweift er kurz ab zu seinem gerade frisch entdeckten Faible für Labskaus, bleibt an dem Kampf der letzten zwei Jahre um Mittel für den dringend benötigten Ausbau des Planetariums im Stadtpark hängen und sein in Planung befindliches "Scientarium" in der HafenCity. Nur sein genaues Geburtsdatum mag er nicht verraten. Er hasse dieses Schubladendenken der Astrologie, diese Zuordnung zu bestimmten Sternzeichen und Charaktereigenschaften. Jeder müsse selbst herausfinden, wie er ticke. Es ginge letztlich nur um diese Angst vor "dem sich Hinausgeworfenfühlen in die Ewigkeit und der Sehnsucht nach einer Antwort". Er sei Jungfrau. Wegen dieses Tages im August.

Das Schnitzel steht längst vor ihm. Nur angerührt hat er es noch nicht. Wir sind bei dem verstorbenen britischen Schriftsteller Douglas Adams angekommen, der mit seiner satirischen Science-Fiction-Reihe "Per Anhalter durch die Galaxis" weltberühmt wurde. Und dem zu Ehren sie an jedem 25. Mai im Planetarium einen "Handtuchtag" veranstalten werden. Wegen dieses running gags: Immer ein Handtuch dabei haben, wenn man im Universum unterwegs ist.

Thomas Kraupe entdeckt seine Liebe zur Astronomie erst relativ spät. In seiner Jugend gilt er als hoffnungsvoller Zoodirektor, als ein zweiter Bernhard Grzimek gar. Stundenlang ist er mit dem Fahrrad im Forstenrieder Park bei München unterwegs. Studiert an Teichen Frösche und Kaulquappen, träumt sich weit weg in die Welt des Unterwasserfilmers Jacques Cousteau. Doch dann kommt Erich von Daeniken auf, die Raumfahrt Apollo. Perry Rhodan gibt's, Jules Verne, den Kultfilm "2001" voller Sphärenklänge. Er begeistert sich für diese Kombination von Astrophysik und Musik und macht das Planetarium zu seinem "Lieblingsinstrument". Jeder könne darin die Lust am Universum entdecken. Das Unvorstellbare vorstellbar zu machen sei sein Ziel. Per Anhalter durch die Galaxis eben.

Hey, sagt er plötzlich, versuchen Sie das mal. Hier auf dem Teller. Kren, Meerrettich. Brennt die Kalorien weg und bläst glatt das Gehirn raus. Eine zweite Spinne krabbelt in sein Hemd. Er gibt eine gekonnte Heinz-Sielmann-Parodie frei nach Otto Waalkes: "Isch habe ihnen ein Tierschen mitgebracht - die gemeine Hauslaus." Und dann kehrt er zurück zu Sternenexplosionen, Röntgenstrahlen, dem Eisen in unserem Blut, dem Gold an meinem Finger, das alles aus Sternenasche entstanden sei. Der Urform menschlichen Lebens. Manchmal, wie nach dem Tod seines Vaters erst vor wenigen Monaten, stelle auch er sich diese Frage. Diese große einzige: Wo geht man hin? Die Reise selbst sei die Antwort. Und nach Jahrmillionen aus Sternenstaub wieder geboren zu werden, von einem Vulkan vielleicht ausgespien, habe doch was! Er erzählt von Begegnungen und Gesprächen mit "faszinierenden!" Künstlern und Philosophen und auch mit gleich gesinnten Freunden einmal im Jahr in den bayerischen Bergen. Unter dem Sternenhimmel liegen, Sternschnuppen zählen und den skurrilsten Gedanken freien Lauf lassen. Einfach schön!

Sein Kopf ist ständig voller neuer Konzepte. Projekte wie Hochzeiten im Planetarium oder auch mal Scheidungen, warum nicht!? Zettel reichen dafür längst nicht mehr aus. Ein iPad hilft ihm. Ach, und seine Ungeduld, dieses Ewig-auf-der-Suche-Sein nach neuen Impulsen, seine Aversion gegen diese ewigen Bedenkenträger. Sein Traum von einer Reise zum Mond; Segel- und Weltraumschiffe; seine Reiselust. Was haben wir hier nicht alles beredet! Den britischen Milliardär Richard Branson möchte er für Projekte gewinnen und Ulrich Tukur. Wissen Sie eigentlich, fragt er irgendwann, dass nur die Schwerkraft uns auf der Erde hält? Auf ihr würden wir frei durchs Universum schweben. 100 000 Kilometer pro Stunde im freien Fall. Jetzt hätten wir schon 200 000 Kilometer hinter uns gebracht. Wir machen noch ein paar Zehntausende weiter. Bis mein Gehirn überquillt, sich bedrohlich einem Urknall nähert.