Der ReGe-Chef ist seit 2008 für den Bau der Elbphilharmonie verantwortlich. Heike Gätjen über einen Romantiker mit kühlem Kopf.

Hamburg. Das hört sich doch ganz einfach an. Und schön positiv. Bei diesem hochbrisanten Thema wie der Elbphilharmonie. Er kenne keine Niederlagen, und so solle es auch bleiben. Punkt. Schließlich sei er schon seit 25 Jahren in diesem Geschäft, in dem mit harten Bandagen gekämpft wird, sagt er. Heribert Leutner, Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe. Verantwortlich für die Durchführung und Koordination dieser Großbaustelle, die für die Stadt vom Traum zum Albtraum zu werden droht.

Seit 2008 hat Heribert Leutner diesen Job. Als Nachfolger von Hartmut Wegener, von dem sich die Stadt nach vielen Querelen trennte. Und nein, sein Vorname, der auch mit H anfange, sei nicht entscheidend für die Nachfolge gewesen. Natürlich nicht, sagt er lachend und zeigt dabei seine Draculazähne. Scharf und spitz. Und mit Vorsicht zu genießen. Ja, sagt er, er könne auch Blut saugen. Lasse sich nicht die Butter vom Brot nehmen.

Drei Jahre war er Projektleiter. Bei der Elbphilharmonie. Bis zur Grundsteinlegung im April 2007. Jetzt ist das 23. Stockwerk dran - und er wieder voll drin. An erster Stelle. Ein Personen- und Kulturwechsel, sagt er. Hierarchische Strukturen wurden aufgelöst und ... Nein, bitte nicht. Über ihn wollten wir doch reden. Hier in der Brasserie Carls am Kaiserkai. Direkt unter den wachsamen Blicken der wie Fischaugen wirkenden Fenster, die hundertfach gerade an der Fassade montiert werden. Ein bisschen fremd sei ihm das schon. Einfach so draufloszuplaudern, von sich zu erzählen, gesteht er. Also bestellen wir erst mal Risotto. Und die Wasserpauschale. Lachen über diese Wortschöpfung. Trinkwasser zum Festpreis. Nachbestellbar bis zum Abwinken.

Und dann macht er sich ran. An Heribert Leutner privat. Sachlich und nüchtern. Wie ein staubtrockener Finanzbeamter gepaart mit dem unterkühlten Charme eines Musterknaben. Finden Sie wirklich, fragt er leicht aus dem Takt gebracht. Wie ein Avatar? Diese künstlichen Gebilde, die einmal im Monat ein Update verpasst kriegen? Nein, so sei er ganz und gar nicht. Er sei zwar ein totaler Kopfmensch. Ginge mit dem Verstand an alles ran. Ticke schnell. Löse Probleme sachlich. Ohne Emotionen. Kopfmensch zu sein - das sei schon Schicksal und Last zugleich. Manchmal zumindest, sagt er nach einer kleinen Pause. Und was Partnerschaften und Beziehungen angehe, auch mal im Wege. Pause. Das kriege er auch nicht in den Griff. Da hätte er schon manchmal mehr sein Herz mit einbringen können, denke er häufig im Nachhinein. Die vorbeischaukelnde "Louisiana Star" lenkt uns ab. Ein Raddampfer auf der Elbe, sagt er. Das fände er irgendwie deplatziert.

Und dann kehren wir zurück zu ihm. Seinem allzu nüchternen Innenleben. O ja, sagt er, er erwärme sich gerade für diese Art der Spurensuche. Eine vertrackte Art der Gemengelage. Sachlichkeit und Sinn für Romantik. Das laufe durchaus parallel. Auf Sparflamme? Nein, sagt er. Zögert. Und dann: Wie man in einer Partnerschaft miteinander umgeht, die gemeinsame Wertschätzung, gemeinsame Sonnuntergänge auf Sylt. "Geht das so in Ihre Richtung?", fragt er amüsiert.

Um uns herum wird es lauter. Mittagszeit in der Brasserie. Viele Büromenschen, ein paar Touristen. Er liebe die Atmosphäre in der HafenCity, sagt Heribert Leutner. Eine tolle Location, moderne sachliche Architektur. Nur das urbane Leben fehle noch ein bisschen.

Architektur - das ist das Schlüsselwort zu seinem Leben. Daran habe sein Herz gehangen. An diesem Studium. Eine Bauchentscheidung fast schon. Trotz Numerus clausus, grottenschlechter Abiturnote und wenig Aussicht auf finanziellen Erfolg. Ende der 70er-Jahre, als die Baubranche am Boden lag. "Man muss bei dem bleiben, was man von Herzen will und wünscht." Seinen Zivildienst macht er folgerichtig in Düsseldorf beim Deutschen Krankenhausinstitut. Plant Krankenhäuser. Nach dem Studium fängt er sofort an zu arbeiten. Auf Großbaustellen. Er sei einfach nicht der Typ für kleine kreative Büros. Großprojekte, Bauausführungen, Konzepte, darum habe er sich gekümmert. Mit großer Leidenschaft.

Na ja, sagt er, ohne Leidenschaft ginge doch gar nichts. Das fange bei der Liebe an und höre bei so einem Wahnsinnsprojekt hier vor unseren Augen auf. Er sei ein Arbeitstier. Ginge bis an die Grenzen. Seine eigenen auch schon mal. Habe schmerzhaft gelernt, einen kühlen Kopf zu bewahren, sich ein eiskaltes Herz zuzulegen. Ohne das laufe in dieser Branche nichts. Und habe auch gelernt, sich davon nicht auffressen zu lassen. Auf die harte Tour, sagt er.

Heute könne er abschalten. Jogge sich die Elbphilharmonie aus dem Kopf. 15 Kilometer. Freitags und am Wochenende. Und ja, sagt er, er glaube daran, dass jeder Mensch die Chance habe, selber morgens festzulegen, ob ein guter oder schlechter Tag auf ihn zukomme. Entscheide sich dafür, dass jeder Tag gut werde. Und manchmal, gesteht er, fliege er nach New York. So ad hoc. Und auch mal alleine. Schlendere durch den Central Park. Stundenlang. Verplempere Zeit, die er im Job nicht habe. Sammle Augenblicke. Eine Lieblingsbeschäftigung, sagt er. So wie in Heinrich Bölls "Ansichten eines Clowns".

Und dann stehen wir wieder draußen. Im Schatten der Elbphilharmonie.

Ein unglaublicher Zauber gehe für ihn von diesem Projekt aus, sagt Heribert Leutner begeistert. Und deshalb werde er es auch durchziehen. Er glaube einfach fest daran. Ein positiv denkender Mensch eben.