Baiba Skride hat den internationalen Durchbruch geschafft - und glaubt, dass alles schnell vorbei sein kann.

An ihre Wilhelmj lässt sie niemanden ran. Und das gibt manchmal Probleme. Beim Einchecken auf dem Flughafen zum Beispiel. Den Kasten öffnen dürfen Kontrolleure. Aber mehr ist nicht drin. Schon gar nicht die Geige berühren. Denn Wilhelmj ist eine Stradivari. Über 300 Jahre alt. Zwei Millionen Euro wert. Und mehr als ein Musikinstrument. Ihr Partner, sagt sie. Baiba Skride, die als Ausnahmetalent der neuen Geigengeneration gefeiert wird und 2001 schon in Brüssel den 1. Preis beim Concourse Reine Elisabeth für Violine gewonnen hat. Den Oscar der Branche.

Genug, um darauf stolz zu sein. Doch Baiba Skride ist eine bodenständige junge Frau. Spricht lieber von großer Verantwortung, die mit solchen Auszeichnungen einhergeht. Dass man viel an sich arbeiten müsse. Dass das Geschäft sehr schnelllebig geworden sei, die Welt weit offen, die Konkurrenz unendlich groß und selbst ihr Plattenvertrag mit Sony kein Garant sei für eine erfolgreiche Zukunft. Große Künstler mit Star-Mythos wie Anne-Sophie Mutter werde es kaum noch geben. Und deshalb müsse man immer im Auge behalten, was man denn danach machen könne.

Es ist ein leichtfüßig hin- und herhüpfendes Gespräch. Hier im Foyer der Laeiszhalle. Um Geigenseelen geht es. Und dass ihre Wilhelmj glücklicherweise wenig kapriziös sei. Stimmungsschwankungen gut ertragen, aber sich auch zur Wehr setzen könne. Wir lachen darüber, dass Männer ihre Gefühle beim Geigenspiel ganz anders ausleben als Frauen. Schließlich denken sie ja auch anders, sagt Baiba Skride.

Dann entschuldigt sie sich für ihren Schnupfen. Hofft, dass sie sich die rote Nase erfolgreich weg geschminkt hat. Lächelt sanft, sehr mädchenhaft und auch ein bisschen verlegen. Ihr fehlten manchmal einfach die richtigen deutschen Worte, sagt sie. Obwohl sie, die geborene Lettin, schon längst auf Deutsch träume. Aber hier dieses Wort jetzt, sagt sie. Heißt es dumpf oder dunkel, wenn es um den richtigen Klang einer Wilhelmj geht?

Baiba Skride ist ein Vollprofi. Seit 20 Jahren schon auf der Bühne. Nein, nicht als Geigerin, sagt sie lachend. Mit drei Jahren habe sie als eine der drei singenden Skride-Schwestern angefangen. Schwesterchen eigentlich, sagt man das so? Volkslieder haben sie gesungen. Linda, die Älteste, knapp fünf; Lauma, die jüngste, zwei Jahre alt. Und sie, Baiba, die mittlere. Und hätten einen Riesenspaß dabei gehabt. Es sei ohnehin eine fröhliche Kindheit gewesen in diesem durch und durch musikalischen Hauhalt.

Der Vater Chordirigent, die Mutter Pianistin, die Großmutter Gesangslehrerin. Musik als Spaß. Als Abenteuer. Eine Kindheit zwar ohne Barbiepuppen, ohne Legosteine, ohne Kuscheltiere - Lettland gehörte damals noch zur Sowjetunion. Ihre Kindheit war voller Höhlen, Schlösser und Burgen - die hat sie unter dem Klavier gebaut. Aus Toilettenpapier, sagt sie kichernd, wenn es die monatliche Sonderzuteilung davon gab.

Dann erzählt sie von ihrem kleinen Emilian. Gerade zwei Jahre und zwei Monate alt. Ein Wuschelkopf, der bis vor Kurzem noch immer dabei war, wenn sie auf Konzertreise ging. Betreut von Ehemann Christian Merkle. Mit Kindern den eigenen Rhythmus zu finden, sagt sie, sei viel schwieriger als verheiratet zu sein. Dass sie plötzlich nach der Geburt Flugangst bekommen habe.

Sie erzählt, dass sie zu gern auf die Juilliard School, das berühmte New Yorker Musikkonservatorium, gegangen wäre und heute froh sei, dass es nicht geklappt habe. "Es wäre zu technisch für mich gewesen. Zu methodisch. Zu wenig gefühlsorientiert". Und dass sie dann doch einmal drin gewesen sei. In der Juilliard. Um den besonderen Hauch zu spüren. Pause. Im Souvenirshop.

Wir reden noch ein bisschen über ihre Ehe. Die Hochzeit in Wellington in Neuseeland im Mai 2008. Standesamtlich und fast nebenbei, weil sie ohnehin die Papiere alle zusammenhatten. "Aber romantisch." Von der kirchlichen Trauung in der Eppendorfer St. Johanniskirche im vergangenen Jahr. Baiba Skride gesteht ein bisschen zögernd, dass es einmal diesen Moment gegeben habe. Diesen leisen Zweifel. Aber nur weil sie gedacht habe, es sei doch eigentlich nichts weiter als eine große Party. Und müsse nicht sein. Aber schön sei es schon gewesen.

Baiba Skride geht mit Gefühlen sparsam um. Untertreibt gern ein bisschen. Sagt, dass sie mit ihrem Leben glücklich sei. Im Augenblick. Und dass sie keine Träume habe. Vielleicht einmal mit den New Yorker Philharmonikern spielen, in der Carnegie Hall, dem Königlichen Konzertgebouw in Amsterdam. Aber sonst? Nein. Pause. Lachen. Ein Lottogewinn! Ein gewaltiger! Um diese Stradivari zu kaufen. Ende des Jahres muss sie sie an die Nippon-Stiftung zurückgeben. Und dann muss sie los. In einen Workshop für Kinder. Und vorher schnell noch die Nase überpudern.