Keine “Tagesschau“ ohne Jan Hofer. Mit Heike Gätjen sprach er über Motorräder, Eitelkeit und das Ende seiner Zunft.

Hamburg. Diese beiden Sätze haben's in sich. Für rund zehn Millionen Menschen. Bundesweit. Und täglich. Kein Anruf um acht und hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der "Tagesschau". Der eine klingt nach bequemem Fernsehsessel. Ohne den anderen läuft sie nicht ab. Mit seiner Stimme vom Band. Egal, ob er on oder off ist. Jan Hofer, der Chefsprecher der Tagesschau.

Auf sie lässt er nichts kommen. Dieses Verlässliche sei ihr Erfolg. Und von wegen bieder und Hausmannkost! Sie sei a) ständigem Wandel unterworfen und b) solide deutsche Küche esse er auch gern, wenn sie gut gemacht sei. Und das sei sie auf jeden Fall. Die "Tagesschau". Punkt. Thema abgehakt? Nein, noch lange nicht.

Wir sitzen in seinem Lieblingslokal Il Tramonto in Lokstedt. Vor uns am Fenster der Wochenmarkt. In einiger Entfernung die drei Schnittstellen seines Lebens. Sein privates Zuhause. Das ARD-Studio. Das Deutsche Rote Kreuz, dessen Botschafter er ist. Jan Hofer, wie man ihn als Zuschauer kennt. Mit Jackett, Hemd und ordentlich gebundener Krawatte. Der erzählt. Viel und gerne. Im Moment vom Robomow. Wie immer wir auch darauf gekommen sind. Ein elektronisch gesteuerter Rasenmäher, der programmiert aus seiner Ladestation - einer dafür umgebauten Hundehütte - in Hofers Garten über den Rasen düst. Ihn kurz hält. Und von dem unter den Rasen gelegten Maulwurfschutz. Einem Gitter, das keinen Maulwurf durchlasse. Und landen dann wieder bei der "Tagesschau". Der Rund-um-die-Uhr-Nachrichtensendung. Sieben Tage die Woche. Von morgens um halb sechs bis morgens um fünf.

Da stellt sich doch Erschöpfung ein. Schon beim Zuhören. Wir bestellen erst mal was. Gebratenen Ziegenkäse. Mehr ist bei ihm nicht drin. Auf die Figur achten, das gehöre zum Berufsbild. Oder sollte er gar eitel sein? Natürlich, sagt er lachend. Sonst wäre er ja nicht beim Fernsehen. Heute um 5 Uhr war er schon dran. Bereitschaft. Im Studio. Post machen. Briefe, Mails beantworten. So wie die mit Neckarsulm. Ohne Pause zwischen s und u gesprochen. Weil die Stadt am Zusammenfluss von Neckar und Sulm liegt. Und Ulm nicht am Neckar, sondern an der Donau. Das habe er dem Zuschauer geschrieben. Die prompte Antwort: Fernsehen bildet.

Hofer erzählt von seinem Erschrecken bei Bildern, die dem Zuschauer nie gezeigt werden. Der vor laufenden Kameras geköpfte Mann. Oder dem, was den furchtsamen Nachrichtenmann auch unvorbereitet trifft. Mitten in der Sendung. Wie das Flugzeugunglück in Ramstein. Schreiende Kinder, brennende Menschen. Da kann das Eingebundensein in ein elektronisches Korsett zur Rettung werden.

Jan Hofer, der Frauentyp mit dem treuen Blick. Ach, sagt er. Quatsch! Er halte seinen Verschleiß für normal. Lebe seit zehn Jahren mit Lebensgefährtin Conny Modauer zusammen. Und treu? Braune Augen kämen immer so rüber. Er sei kein einfacher Mann für seine Familie, sagt er dann. Lebe so, wie er es für richtig halte. Nehme keine großen Rücksichten. Nur die, die sein Bild in der Öffentlichkeit vorgäben. Klingt da ein Hauch von Macho an? Ja, bestimmt, sagt Jan Hofer. Er lasse sich die Butter nicht gerne vom Brot nehmen. Solche Sätze sind das wirklich Entwaffnende an ihm. Ein Mittelding zwischen fast kindlich wirkender Offenheit und einem Schuss Selbstironie.

Wir reden über seine Liebe zu alten Autos. Dem Herumbasteln daran. Ein inneres Bedürfnis sei das. Der Gegenpol zu einem Beruf, in dem alles so flüchtig sei. Ein Wort. Gesprochen. Weg. Keine Korrektur möglich. Wenn er dann vor seinen Oldies stehe. Das Ergebnis sehen, fühlen, verändern könne. Das sei ein gutes Gefühl. Genau wie das Motorradfahren. Der Traum einer Harley Davidson. Gebraucht gekauft und dann leider geklaut.

Also, sagt Jan Hofer, mit 40 sei ja jeder Mann in der Midlifecrisis. Diese berühmte Sinnfrage. Lauter kleine Stellschrauben, an denen man plötzlich drehen müsse. Die Harley sei sein Ausweg gewesen. Diese Freiheit! Alles hinter sich lassen. Über die Alpen, ins Trentino oder einfach nur mal kurz nach Boltenhagen. An den Strand setzen, Kaffee trinken und zurück. Das Leben fühlen.

Jan Hofer hat nie "Hier!" schreien müssen auf dem Weg nach oben. Hat brav alle Schritte durchlaufen. Bis zum saarländischen Rundfunk nach Saarbrücken. Dem innovativen Melting Pot, aus dem alle Kollegen nördlich der Mainlinie stammen, wie er sagt, die große Karriere gemacht haben. Nicht nur den Job, auch das gute Leben habe er dort gelernt. Das Elsass, Lothringen nebenan. Gutes Essen, gute Weine. Als Werner Veigel und Karl-Heinz Köpcke ihn für die "Tagesschau" abwerben, sagt er trotzdem sofort ja. "Aus der Regionalliga in die Bundesliga! So eine Chance kriegt man nie wieder." Wenn man aus Wesel am Niederrhein komme, werde einem so was ja nicht an der Wiege gesungen. Und für seine 90-jährige Mutter sei das immer noch keine richtige Profession.

Beim doppelten Espresso erzählt er von seinen beiden Söhnen (20 und 25). Den älteren habe er in den USA besucht, als der drüben war, den jüngeren habe er "geskyped", das heißt, Kontakt per Bildtelefon. Täglich und intensiv. Die erobern sich die Welt, sagt er. Die Tochter (21) seiner Lebensgefährtin eingeschlossen. Mexiko, USA, London. Was für Chancen! Von den Jungen gehen Anstöße, Veränderungen aus, sagt er. Die Älteren bewahren. Und ja, auch der Beruf des Nachrichtensprechers sei vom Aussterben bedroht. Wenn Internet und Fernsehen zusammenkommen, werde es diese Stars nicht mehr geben. "In den Medien ist eben alles endlich."

Vor uns am Fenster wird der Markt abgebaut. Jan Hofer erzählt von seiner Mitarbeit beim DRK. Einer Organisation ohne Glamour, aber immer einsatzbereit. Die ihm die Möglichkeit gebe, vor Ort sein zu können. In Katastrophengebieten, Flüchtlingslagern. Hautnah und nicht nur virtuell. Hey, sagt er plötzlich. Zwei Uhr. Ich zeig Ihnen mal was. Ein Handy mit TV-Antenne. Und dann hat er sie drauf. Diese eine, von der er nicht lassen kann. Die "Tagesschau".

Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Immer freitags im Lokalteil.