Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute Judith Alwin, Autorin

Das schaffen selbst gewiefte Politiker nicht. Einen Sachverhalt in drei knappen Sätzen zu erklären. Wollen es vielleicht auch gar nicht. Sie aber will es. Versucht es immer wieder. Und immer endet es in irren Satzgefügen. Wie soll es auch anders sein. Bei dieser schwierigsten aller Suchen. Die nach dem richtigen Partner fürs Leben. Dem Mr Right. Und dann noch im Internet. Drei Jahre lang war sie auf mehr als sechs Portalen auf der Suche nach ihm. Hat sich mit 50 vielversprechenden Kandidaten verabredet. Die schrägsten Dinge erlebt. Und ein Buch darüber geschrieben. Judith Alwin, Moderatorin und Autorin und noch eine ganze Menge mehr.

Supergut sieht sie aus. Strahlend und heiter. Maritim durchgestylt für unser Treffen hier an der Alster. In Marine, blau-weiß gestreift und einem guten Schuss Rettungsringrot in Schuhen und Tasche. Auf dem Alsteranleger Fährdamm steigt sie gleich voll ein. Gibt Tipps, wie man sich am besten so dreht fürs Foto. Wo man sein Kinn lässt, damit die Falten verschwinden. Und sein Kreuz hält, um aktiv und aufrecht rüberzukommen. Unter den nachsichtigen Blicken von Kapitän Ralf Stoll von der Ammersbek entern wir mal so pro forma seinen Asterdampfer. Und voilà, sagt Judith Alwin, strahlen wir den Tag doch an! Dann verschwindet die Sonne hinter grauen Wolkenbergen, und wir machen uns auf ins Cliff gleich nebenan. Und ran an die Sache mit diesem Mr Right. Nein, sie habe diese Internetsuche nicht mit dem Hintergedanken angefangen, ein Buch darüber zu schreiben, sagt Judith Alwin, sie sei wirklich auf der Suche gewesen. Eine langjährige Partnerschaft war zerbrochen, eine andere unter den Fingern zerronnen. Sie war neu in Hamburg, ein Jobversprechen geplatzt und ja, sie sei einsam gewesen. Zweisamkeit, sagt sie, gehöre nun mal zum Leben dazu wie Essen und Schlafen. Suchte einen Partner, mit dem sich das Leben besser anfühlen kann. Sie, eine Frau in den Vierzigern, die zu den "Best Agern" gehört. Sich wohl dabei fühlt. Und einsehen muss, dass Frauen ab 39 unsichtbar werden im Internet. Der männliche Bedarf danach dünn ist. Zwei fertige Menschen, die zusammen passen wollen, ohne dass der eine dem anderen die eingewachsenen Ecken und Kanten abschleift. Ihn, so wie er ist, akzeptiert. Ein schwieriges Unterfangen! Nach einem Jahr im Internet wusste sie, die Wünsche, Träume und Sehnsüchte von Männern und Frauen liegen so kilometerweit auseinander, dass sie beschloss, ihre Erfahrungen aufzuschreiben. Herausgekommen ist eine schräge Mischung: wahnwitzige Dialoge, verwegene Angebote, grobe Missverständnisse. Und ja, auch Herzeleid. Zweimal taucht er auf, der Mr Right, aber nur weil sie ihn sich passend gedacht hat.

Es sei vor allem eine Sache des Mutes, sagt Judith Alwin. Und darüber würde sie überhaupt demnächst in der Autostadt Wolfsburg ein Seminar abhalten. Zum Thema Mut fürs Leben. Heute, sagt sie, wichtiger denn je. Mut für alles. Wie bei ihr, sich als erwachsener Mensch mit einem fertigen Leben, auf einen anderen Menschen einzustellen. Am Nebentisch ertönt Kindergeschrei. Ja, sagt Judith Alwin, auch dazu gehöre Mut. In diesen Krisenzeiten eine Familie zu gründen. Oder sich eine neue Existenz zu suchen. So wie sie, die jetzt nach dem erfolgreichen Auftritt mit ihrem ersten Buch eine Internet-TV-Firma gegründet hat. Und dazu noch unter "try2find", ihrem Internetportalzugang, zahlreiche Kurse anbietet. Von "my daily catwalk", dem Modelkurs fürs tägliche Leben bis hin zu "Sag ja! zu Dir" für mehr Lebensfreude, Selbstvertrauen und Erfolg. Was für ein Tempo! Nein, sagt sie, es greife doch einfach eins in das andere über. Und durch ihre Suche nach dem Mr Right in der wundersamen Welt des Internet habe sie sich selber besser kennen gelernt: "Ich bin für manche Männer einfach viel zu viel." Habe ihr Bild vom Traummann geändert: "Diesen coolen, betont männlichen, machohaften will ich nicht mehr." Menschenkenntnis habe es ihr gebracht. Nach all diesen Dates mit aussichtsreichen Kandidaten, die niemals, sagt sie und betont es noch einmal, niemals verschenkte Zeit gewesen seien. Sondern immer spannend und interessant waren. Und häufig zu Freundschaften wurden. Und wieder wird es mit drei Sätzen nichts. Nein, sagt Judith Alwin, ihre Freundinnen würden immer sagen. Sach doch mal nix. Das kriege sie einfach nicht hin, holt kurz Luft, lacht, legt wieder los. Da wäre noch die große Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild, sagt sie, bei fast jedem, die das Leben ganz schön erschwere. So wie die mangelnde Fähigkeit vieler Menschen, Körpersprache und Bauchgefühl in Einklang zu bringen. "Da könnte die freie Wirtschaft gut was dazulernen."

An der Eingangstür zum Restaurant direkt neben uns wird ein Elektrobohrer angeworfen. Ja, sagt Judith Alwin, so was mache sie auch gern. Sie habe alles zu Hause, was man so als Handwerker brauche. Bohrhammer, Winkelschleifer, Trennscheibe und vieles mehr. Könne Parkettböden verlegen, Holzböden abschleifen, versiegeln, zimmern, streichen, tapezieren. Eine vom Vater geerbte Leidenschaft, der ein begnadeter Handwerker sei und sich nur an elektrische Leitungen nicht rantraue. Die Folge sei gewesen, dass das von ihrem ersten als Model selbst verdienten Geld gekaufte Auto immer topfit war, nur das Radio nie ging.

Was denn nur kann diese energiegeladene Frau nicht? Sich selbst verkaufen, sagt sie wie aus der Pistole geschossen. Sie könne einfach nicht von sich sagen, sie sei gut. Sie sei sicher, sie könne alles Neue lernen außer Quantentheorie. Nur damit hausieren gehen sei nicht ihr Ding. Es sei in ihrem Leben immer so gewesen, "ich kriegte so'n Klopper auf die Schulter, du kannst das schon". Und dann habe sie dagestanden mit einem Adrenalinspiegel hoch bis zum Hals, schwitzend vor Angst, habe was gewagt, was sie noch nie gemacht habe. Ihre Freundinnen hätten dann im-mer gesagt, Judith macht gerade wieder ein Jodeldiplom. So wie Evelyn Hamann bei Loriot, die was Eigenes haben wollte.

So sei es gewesen, als die 1,76 große, schlanke Studentin der Wirtschaftsinformatik an der Uni Duisburg in Düsseldorf sich zum Modeln überreden lässt. Als ihr später jemand ein Mikro in die Hand drückt und sagt, moderier doch mal die Modenschau auf der Igedo. Als sie für kleine Modestrecken in Frauenzeitschriften Texte schrieb, für Autozeitschriften, Friseur- und Apothekerzeitungen und auch für Kölner Werbezeitungen.

Judith Alwin ist Multitalent und Einzelkind. Aufgewachsen in Dinslaken mit Sittichen, Katzen, Kaninchen, einer Kusine, die sie heiß und innig liebt, und ausgeprägtem Familiensinn. Nur der sei es, sagt sie, der sie immer wieder zurück in diese Kleinstadt bringe, die durch die totale Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ihre wunderschöne Altstadt verloren habe. Sie erzählt von den letzten sechs Fachwerkhäusern, Freundinnen, bei deren Kindern sie als Tante Judith zum Basteln und Schwimmen lernen sehr begehrt sei und dann geht fast das allerwichtigste unter in dem Höllenlärm eines Hubschraubers, der über der Alster kreist. Das Happy End! Ein echtes richtiges! Sie hat ihn gefunden, ihren Mr Right. Im Internet. Am Ende der drei Jahre. In einem der kostenlosen Portale. Kein Klick beim ersten Blick. Nein. Aber sympathisch seien sie sich gewesen. Und dann? Also dafür reiche jetzt sogar nur ein Satz: Lesen Sie das letzte Kapitel in der dritten Auflage meines Buches. Und weil ich nur die 2. Auflage habe, erzählt sie es dann doch. In vielen, vielen langen Sätzen ...