Frank Horch hat schwieriger Zeit das Amt des Präses der Handelskammer übernommen. Im Rathaus regiert Schwarz-Grün und auf den Weltmärkten die Krise.

Hamburg. Dieser Mann hat eine große Liebe. Und der ist er schon seit mehr als fünfzig Jahren treu. Aber nicht deswegen steht sein Name hier in der Stadt für Kontinuität. Das hat was mit Traditionen zu tun. Auch und gerade jetzt in äußerst schwierigen wirtschaftlichen Zeiten und angesichts einer für die Stadt neuen politischen Situation, der schwarz-grünen Koalition. Ein Mann, der bewahren will und gleichzeitig positiv nach vorne blickt. Frank Horch, Präses der Handelskammer.

Womit also fangen wir an? Hier auf der Terrasse von Lutter & Wegner an der Großen Elbstraße. Mit den Docks von Blohm und Voss im Rücken. Die langsam untergehende Sonne Richtung Wedel im Blick. Die beiden Pole seines Lebens. Bei Blohm und Voss hat er einst als Schiffskonstrukteur angefangen, ist heute dort Mitglied der Geschäftsführung. Und da drüben, elbabwärts in Höhe des Blankeneser Bulln, liegt sein Refugium. Ein Platz zum Nachdenken, Auftanken, den Kopf frei kriegen.

Frank Horch hat seinen eigenen Rhythmus. Norddeutsch bedächtig ist er, gemessen ausführlich, sparsam, wenn es um Gefühle geht, und vor allem ist er überhaupt nicht aus der Ruhe zu bringen. Höflich ist er auch noch, sympathisch, freundlich, graumeliert und mit Samtkragen. Ein Musterschüler irgendwie.

Im Restaurant bestellen wir erst mal was zu essen. Und eine große Flasche Wasser, damit es nicht allzu trocken wird. Dieses Gespräch. Kontinuität also, sagt Frank Horch. Für ihn bedeute das vor allem das Bewahren von Traditionen. Wie die eines ehrbaren Kaufmanns, die müsse er nicht neu erfinden. Selbst wenn das gerade alles ein bisschen inflationär gehandhabt werde. Aber dafür stehe er ein. Als Präses der Handelskammer. Präses, nicht Präsident - ein Vorrecht der Hansestädte.

Und dann macht er sich dran. An die Geschichte der Handelskammer, die die Interessen von fast 150 000 Firmen vom Einmannbetrieb bis zum international agierenden Großkonzern vertritt. Entstanden aus der 1665 gegründeten Commerz-Deputation. Die wiederum, "und nun komme ich dazu", zurückgeht auf den 1517 gegründeten Vorstand des "Gemeinen Kaufmanns" später "Ehrbarer Kaufmann", der alles Notwendige zu des Kaufmanns Nutzen fördern und Nachteile verhüten sollte. Und das mache er nun. In dieser Stadt. Unter veränderten Bedingungen. Mit neuer Zielrichtung. Die Bildungspolitik müsse der Garant dafür sein, dass alle und nicht nur einige wenige an der Globalisierung partizipieren könnten. Bildungsangebote, Lehrstellenvermittlung, Qualifizierung. Die gesellschaftliche Entwicklung dürfe einfach nicht weiter auseinanderdriften. Hier in dieser Stadt.

Halt! Stopp! Bei alldem wird die Edelfischsuppe fast kalt. Pause also. Und dann dieses Ehrenamt, das er mit großer Begeisterung angenommen habe. Mit Erstaunen, dass man sich für ihn entschieden habe. Darauf habe er nie hingearbeitet. Er sei kein Karriereplaner. Aber er sei zielstrebig, hoch motiviert und engagiert. Selbst in schwierigen Zeiten. Wie bei Firmenschließungen, den damit verbundenen Entlassungen, dieses Handeln müssen häufig auch gegen seine eigenen menschlichen Überzeugungen.

Pause. Der Mensch, sagt er, der Mensch insgesamt, mit dem könne er schon ganz gut umgehen.

Vertrauen, maßvolles Handeln, sorgfältiges Abwägen. Das sei sein Prinzip. Bei seinen unternehmerischen Aktivitäten. Und auch im Privaten. Er wohne immer noch in dem gleichen Reihenhaus in Buxtehude. Fahre immer noch morgens über die manchmal höchst lästige B 73 und den Elbtunnel rein in die Stadt. Sein Handy habe längst Sammlerwert. Ja, sagt er, und wenn Sie das dazuzählen wollen, er sei schon lange verheiratet. Und seiner großen Liebe, dem Segeln, treu. Und, nein, das sei nicht immer deckungsgleich. Das hört sich doch schon mal vielversprechend an.

Ja?, fragt er vorsichtig zurück. Und muss dann doch verhalten lachen. Gibt zu, dass die braunen Augen irgendwie nicht recht zu seinem Leben passen. Stahlblau sein müssten. Weit übers Meer und in die Ferne schweifend. Bei diesem Leben, das so eng mit der Schifffahrt, dem Segeln, dem Geruch von Weite und Freiheit verbunden ist. Schiffe überhaupt, sagt er. Die Daten von jedem Einzelnen, das hier an uns vorbeiziehe, habe er gespeichert. Die Probe aufs Exempel folgt. Der kleine Frachter "Maike D." taucht auf. "D steht für den Eigner Drevin aus Cuxhaven. Typ 178. Von Sietas gebaut. 135 Meter lang. 19 Meter breit. 8000 Kilowatt."

Tja. So ist das, wenn man auf dem Deich aufwächst. In Geversdorf an der Oste im Landkreis Cuxhaven. Der Vater hat einen Malereibetrieb. Der Rest rundherum reinstes Landkreis Hadelner Urgestein, stark seefahrerlastig. Der Großvater auf dem Feuerschiff Elbe 1. Der Nachbar links Kapitän eines Küstenmotorschiffs. Der rechts fischt auf der Elbe Aale. Mit acht hat Frank Horch es endlich geschafft. Er darf das erste Mal mit auf "große Fahrt". Auf dem Kümo des Nachbarn, der "Erna-Marie". Das vergesse er nie. Die Elbe rauf bis zur Norderelbbrücke, Koks laden, durch den Nordostseekanal bis ins dänische Apenrade. Ein Drei-Wochen-Törn. Mit Wache gehen, sauber machen, Skat spielen.

Von da an verbringt er seine Ferien auf Schiffen. Der Seefahrt verfallen. Der Disziplin, dem Teamgeist, der Fairness, dem Gerechtigkeitssinn, diesem Alle-für-einen-und-einer-für-alle-Einstehen. Das Leben an Bord präge eben, sagt Frank Horch. Und, ja, wirke sich auf das ganze Leben aus. Und mache ihn als verwöhntes Einzelkind sogar ehetauglich. Zu Hause mit anpacken sei für ihn selbstverständlich. Vor allem auch in diesen letzten Jahren, in denen die schwere und lebensbedrohliche Erkrankung seiner Frau das stabile häusliche Gefüge durcheinanderwirbelte. Da, sagt er, habe er es sehr gebraucht. Sein Refugium. "Ich mal' Ihnen das mal auf", sagt er ablenkend. "Hier, diese Inselgruppe zwischen Blankenese und Wedel. Der Bullen, die Sietas-Werft, Nebenelbe, Hanskalbsand, Schweinesand, Neßsand. Der Turm. Hier geht es in die Este. Da ist Airbus, und das hier ist mein Ankerplatz!"

Da liege er dann. Allein mit sich, seinen Gedanken, mit Wetter, Wind, Wasser und dem Geruch dieser Stadt nach Aktivität, ein bisschen Brackwasser auch und vor allem weiter Welt. Und kann sehr gut mit sich allein sein. Das hätte er vor Jahren noch weit von sich gewiesen. Segeln hieß für ihn auch Geselligkeit. Und er habe noch den Hamburger im Ohr, der ihm auf der Ostsee mal zurief: "Allein sein findst du gut, teuv man ab." Mit dem Schiff sagt er, habe er immer einen Ankerplatz. Im Leben. Auch damals, als seine Eltern nacheinander starben. Schwierige lange Jahre für den einzigen Sohn.

Und schon sind wir wieder drin in seiner Kindheit. Die Grundschule in Geversdorf. Sechs Klassen in einem Raum. Frank Horch, der dem Lehrer hilft. In Sachen Gesangsverein, dem gesellschaftlichen Mittelpunkt des Lebens auf dem Lande. Er kopiert Noten im Unterricht, verteilt Einladungen für den nächsten Sangesabend. Immer aktiv. Nur nicht für die Schule. Im benachbarten Otterndorf wird er Klassensprecher, Schulsprecher, im Fußballverein, seiner anderen großen Leidenschaft, Mannschaftsführer. Wird vom DFB zu einem Sichtungslehrgang nach Barsinghausen eingeladen. Als Linksaußen und guter Torschütze. Für die Profikarriere reicht es nicht.

Und außerdem gab es da dieses Rettungsboot. Vom Nachbarn geschenkt, mit dem Vater zum Segelboot umgebaut. Und dieses Segelrevier vor der Tür. Die Oste von Geversdorf bis Bremervörde. Später mit dem ersten großen Boot, gekauft vom nächtlichen Einsatz als Hühnerverlader beim Bauern, entkernt und neu ausgebaut. Raus auf die Elbe. Nach Brunsbüttel, nach Cuxhaven, ins Wattengebiet. "Horge" hießen diese Gefährten seiner Entdeckungsreisen in dieser sehr eigenen Welt. Völlig unromantisch, aber praktisch. Zusammengesetzt aus Nachname und Geburtsort. Zweisilbig, einfach zu buchstabieren. Über Funk.

Ein holländischer Schlepper kommt vorbei. Da ist nicht viel zu erzählen. Auch nicht beim folgenden Autotransporter. Die Grimaldi-Linie. Mit neuem Dienst in Hamburg, ins östliche Mittelmeer und "pottenhäßlich", ja, das dürfe ein gelernter Schiffbauer wohl sagen.

Wir reden behaglich weiter. Über alles Mögliche. Seine wenig wilde Kindheit. Kein pubertäres Aufmucken, keine rebellischen Abnabelungen, keine Kneipenbesuche, kein Aufbegehren, als er Kapitän werden möchte und die Eltern dagegen sind. Und dann dieses Tanzstundenerlebnis! Die Bäckermeisterstochter, die ihm einen Korb gibt. Fünf Jahre knackt er dran. Und, ja, er sei nachtragend, sagt er zögernd, vor allem, wenn er enttäuscht werde. "Nun haben Sie doch noch was für Ihre Negativliste."

Wir trinken noch einen Kaffee. Lachen ein bisschen, dass seine Frau eigentlich in eine feste Beziehung eingeheiratet habe. Die zu seiner "Horge". Ja, das habe schon eine gewisse Lastigkeit, sagt er. Das würde wirklich nicht jede Frau mitmachen. Und dann geht er. Aufrecht, festen Schritts. Getragen von Verlässlichkeit. Oder heißt es Kontinuität?