Mike Krüger ist ein Mann, der alles kann. Sänger, Musiker, Schauspieler, Komödiant. und Entertainer: So steht es jedenfalls in seiner Steuerklärung.

Hamburg. So kann man ihn auch sehen. Diesen grauen, trüben Himmel, selbst jetzt am Mittag noch. Da ist doch locker 'ne Sieben drin beim Ranking von eins bis zehn, sagt er. Kein Wind, relativ hell, kein Regen. Das ist doch super. Und die Sonne kommt ganz sicher noch. Irgendwann. So ist er. Verhalten norddeutsch positiv. Mike Krüger, Sänger, Musiker, Schauspieler, Komödiant. Entertainer stehe in seiner Steuerklärung, sagt er. Und das sei er auch. Ein Mann, der alles kann.

Jetzt geht Mike Krüger wieder auf Tournee. Am 24. März startet er mit seinem zweieinhalbstündigen Programm "Zweiohrnase" im St.-Pauli-Theater. Von da an geht es quer durch die Republik. Mit einem Abstecher über die Maingrenze raus nach München. Bayern ist eigentlich eher Brachland für den ausgebufften Blödelbarden aus Norddeutschland. Da kämen seine Witze nicht so gut rüber, sagt er. Hier in der gemütlichen Bibliothek des Hotel Grand Elysee. Und, nein um Himmels Willen, wie kommen Sie darauf? Er! Ein Meister gepflegter Pointen! Niemals. Nein, auch nicht, wenn der Unterhaltungschef von ProSieben das von ihm sagt. Das höre sich für ihn an wie intellektuelles Kabarett, bei dem man sein Hirn einschalten müsse. Und das sei das Schlimmste, was ihm passieren könnte. Eine Pause im Publikum - zum Nachdenken. Seine Sprüche müssten krachen. Sofort, deftig und heftig. Bei ihm sollen die Leute nicht dreimal am Abend Schmunzeln. Die sollen sich einfach ausschütten vor Lachen. Und zwar durchgehend.

Das hat er drauf. Schon von Anfang an. Damals Anfang der Siebzigerjahre in Dannys Pan, der Kellerkneipe am Heidenkampsweg. Um sieben Uhr ging dort die Tür auf. Um zehn nach sieben war sie wieder zu. Wegen Überfüllung geschlossen. Auf der Bühne stand dieser schräge dünne Vogel mit den langen Haaren, hämmerte zwei Töne in die Gitarre und sang dazu Lieder aus dem Leben. Wie das von "Mein Gott Walther", der nichts im Leben auf die Reihe kriegt, das sich zur Platte gepresst auf Anhieb 600 000-mal verkaufte und gleich neben dem vom Nippel, den man erst mal durch die Lasche ziehen muss, zu seinem Markenzeichen wurde. Seine Fangemeinde würde die noch heute mitsingen. Nein, nicht nur den Refrain, die haben den ganzen Text drauf. Alle Strophen. Und er hat dann mal Pause, und das sei selbst nach mehr als 30 Jahren auch gut so und eigentlich ja ein Kompliment.

Ein Gespräch mit Mike Krüger hat es in sich. Ein verbaler Riesenslalom. Ein leicht nödeliger Monolog. Ein atemloses Schnellfeuer. Mit leicht schüchternen Anklängen, wenn er denn mal Luft holt. Mike Krüger, ein Dauerredner? Nein, sagt er. Es gäbe da auch diese Augenblicke, wo ihm einfach die Sprache wegbleibe. Wenn Leute ihn auf der Straße ansprechen, hallo Mike sagen und einen guten Spruch drauf haben, zu dem ihm dann so schnell nichts einfalle. Das könne ihn richtig ärgern. Genauso wie die Kollegen beim Dschungelcamp. Die Moderatoren. Wie das jetzt? Na, danach sei er erst letzte Woche in einem Interview gefragt worden. Er sei einfach fassungslos, wie man sich das antun könne. Die muss doch was geritten haben, sagt er. Den Dirk Bach, den er eigentlich sehr schätze, "in einem blöden Kostüm rumhüpfen und über Leute herziehen". Das färbe doch auf ihn selber ab! Er würde ein Dschungelcamp de luxe gut finden, wenn er denn schon mal drüber nachdenke. Mit Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Heidi Klum, Otto Waalkes und Mike Krüger. Das hätte doch noch was.

Also, sagt er und zupft plötzlich leicht verlegen an seinen Manschetten herum, worüber wollten wir uns eigentlich unterhalten. Über das Nicht-abtreten-Können aus dem Showgeschäft. Das sei so, sagt er. Er könne auf jeden Fall ohne Kamera leben, ohne Bühne schon schwerer. Und ohne seine Frau schon mal gar nicht.

Mit seiner Birgit ist er seit 33 Jahren verheiratet und zusammen noch viel länger. Schon zu Schulzeiten verliert er sein Herz an sie. Als er in der Schülerband "Die Geißel der Menschheit" Schlagzeug spielt. An der Peter-Petersen Schule in Wellingsbüttel. Sie ist seine große Liebe, auch heute noch. Und seine gute Erdung. Sie ist es auch, die den 22-Jährigen nach dem ersten schnellen Erfolg mit LP, einem grandiosen Auftritt in der heutigen Laeiszhalle und ausverkaufter Deutschlandtournee zurückholt auf den Boden. Ihn davon abbringt, sofort sein Studium hinzuwerfen. Von Finanzamt, Steuern, Managerprovision und der Wankelmütigkeit des Erfolgs spricht und ihm rät, sich erst mal für zwei Semester beurlauben zu lassen. Und das sei er heute noch, wenn er so richtig drüber nachdenke. Ein beurlaubter Student. Und ein gelernter Betonbauer dazu. Er könne mir hier noch 'ne Wand hochziehen und ein paar Fenster einsetzen, sagt er lachend, obwohl das ja schade wäre. Bei dieser schönen Bibliothek. Sein Praktikum wollte er eigentlich auf dem Bau machen, als er damals an der Fachhochschule studierte, und kam dann doch ab davon. Praktikant, ein absoluter Loser, sagt er. Der Kasper der Baustelle. Nur gut für Sprüche wie, du bist so schön groß, du nagelst unten. Als Lehrling hatte er schon nach zwei Jahren seine eigene Kolonne und konnte gutes Geld verdienen.

Seine Birgit ist es auch, die ihn wieder zurückholt ins reale Leben, wenn er, als König der Landstraße bewundert, umsorgt und umhegt, einfach zu Hause vom Frühstückstisch aufsteht und in sein Arbeitszimmer verschwindet. Verschwinden will. Denn zu Hause ist er schlicht Teil des häuslichen Zweierteams. Auch wenn es mindestens zwei Tage dauert, bis er das wieder so richtig draufhat.

Und dann kommt plötzlich großes Gelächter auf. Der Titel seines Albums und der Tournee ist der Auslöser. Zweiohrnase. Hier sagt er, gucken Sie mich an, das liegt doch auf der Hand. Dass das Ganze auch noch angelehnt ist an Til Schweigers Film "Keinohrhase", über den er und seine längst erwachsene Tochter Nina-Kristin sich köstlich amüsiert hätten, sei der Gag daran. Und was, sagt er, Sie meinen, Ihre Nase sei groß. Der Albtraum Ihrer Kindheit? Mein Gott, was sind Frauen doch blöd. Das ist doch ein Stupsnäschen hier im Profilvergleich. Mike Krüger, der Seelentröster.

Das sei eben der große Vorteil bei Comedians. Die seien nicht wie Schlagersänger vom Aussehen abhängig. So ein von der Natur geschenkter Makel sei eher hilfreich. Und kommt bei Frauen gut an. Ja, sagt er, das sage seine Frau auch immer. Das baue doch auf.

Mike Krüger singt in seinen Liedern von allem, das ihm so im Laufe des Tages vor die Füße fällt. Alkohol "Immer wieder sonntags". Spam-E-Mails "Orgasmuszwang". Das Rauchverbot "Draußen Raucher". Die Finanzkrise "Mein Finanzberater Franjo". Zunehmende Vergesslichkeit. Hier, sagt er "Dumm dumm dumm ... wo waren noch meine Autoschlüssel das fällt mir ein wenn ich sie seh doch dazu bräucht ich meine Brille die ist glaub ich beim Portemonnaie das ist wohl in der Jackentasche oder im Handschuhfach dazu bräucht ich meine Autoschlüssel ich schau mal unterm Sofa nach ... dada dumm dumm und endet im Chaos." Mike Krüger live - das hat auch was.

Wir reden noch ein bisschen über Futterneid in seiner Branche. "Wenn ich das hätte, hätte ich doch was falsch gemacht in meiner Karriere." Über all die jungen Kollegen, die er mag und die auch schon an seiner Seite in der RTL-Comedy-Show "7 Tage, 7 Köpfe" neben ihm gesessen haben. "Gute Jungs. Willi Astor, Atze Schröder, Piet Klocke." Eitelkeit - nee, da kommt doch bei mir die Altersweiseheit langsam durch. Pünktlichkeit - da bin ich ein Fanatiker. Damals im Internat musste ich immer pünktlich sein. Seine Laster - da müsste ich ja Lkw-Fahrer sein, kleines Wortspiel. Technikprobleme - wenn mein Drucker plötzlich querschießt, raste ich aus. Oder wenn mein Navigationsgerät eine Riesenumweg macht, und ich weiß das schon im Voraus. Darüber, dass auch er irgendwann mal ein Buch schreiben wird. Weil die Verlage ja jedem, der einen Bleistift richtig rum halten könne, die Tür einrennen würden. Aber niemals eine Biografie.

Auch das Golfen kommt zur Sprache. Sein Handicap 10 mit gerade aufsteigender Tendenz, weil er dafür keine Zeit mehr hat. Und dass er schon zu den Senioren gehört. Seitdem er 55 geworden ist.

Und dann kommen plötzlich auch sehr leise Töne auf. Nach diesem Schlenker, dass er eigentlich viel früher hätte mit dem Golfen anfangen müssen. Schon damals im Internat. Das in Büsum. Er hätte sich eins in der Schweiz gewünscht, mit Golfplatz statt Fußballrasen, wo man schon als Zehnjähriger mit dem Golfschläger in der Hand durchstarten kann. Ja, das seien schon harte Zeiten gewesen, damals im Internat, mit 42 Mann im Schlafsaal. Da habe er viel kompensiert, den frühen Tod seiner Mutter, der Vater viel auf Reisen. Michael Friedrich Wilhelm Krüger, ein schwieriges Kind, der Klassenclown, die Party-Dauerstimmungskanone und dann, ja, daraus einen Beruf machen und zur Kultfigur werden ...

Man muss seine Lieder nicht unbedingt mögen. Aber ihn schon. Diesen Mike Krüger. Der nicht nur sein Leben, sogar das Wetter fest im Griff hat. Draußen hat die Sonne es tatsächlich geschafft. Geht doch.